- In Berlin-Kreuzberg beginnt der zweite Weihnachtstag alles andere als friedlich.
- Am frühen Samstagmorgen fallen Schüsse, vier Menschen werden schwer verletzt.
- In den nachfolgenden Tagen werden immer mehr Details zum Ablauf und den Hintergründen bekannt – einige offene Fragen bleiben aber.
Es ist noch stockdunkel gewesen, als am frühen Morgen des zweiten Weihnachtstages im Berliner Stadtteil Kreuzberg etliche Schüsse fielen. Vier Männer im Alter zwischen 30 und 42 Jahren wurden dabei schwer verletzt. Sie waren auch am Sonntag noch im Krankenhaus, erklärte eine Polizeisprecherin.
Die Staatsanwaltschaft geht von einem eskalierenden Streit in der organisierten Kriminalität aus. Die Mordkommission hat die Ermittlungen aufgenommen. Ob kriminelle Mitglieder von Clan-Familien beteiligt waren, ließ Staatsanwaltschafts-Sprecher Martin Steltner am Sonntag offen. "Das ist eine schwierige Geschichte."
Hinweise darauf gibt es aber reichlich. So sind Haftbefehle gegen zwei Verdächtige erlassen worden, sie gehören zu den vier Verletzten:
- Gegen einen 39-Jährigen wurde Haftbefehl wegen illegalen Schusswaffenbesitzes erlassen.
- Dem zweiten Mann, ein 30-Jähriger, wird demnach versuchter Mord in drei Fällen zur Last gelegt. Laut eines Berichts des "Tagesspiegels" soll der Mann mit italienischem Familienhintergrund auf die drei anderen Männer (30, 39 und 42 Jahre) geschossen haben – demnach alles bekannte Protagonisten der Berliner Unterwelt und des Clan-Milieus. Einer aus dem Trio soll bisherigen Ermittlungen nach zurückgefeuert haben.
Nach Informationen sowohl des "Tagesspiegel" als auch der "Bild"-Zeitung soll der Bruder eines bekannten Berliner Clan-Chefs in die Auseinandersetzung verwickelt gewesen sein. Bei dem Streit soll es um illegale Aktivitäten gegangen sein. Die Wohnung, vor der der Schusswechsel stattfand, soll laut beiden Zeitungen für illegales Glücksspiel genutzt worden sein, entsprechende Utensilien seien dort gefunden worden. Unklar ist aber, ob darin auch das Motiv der Tat liegt.
Schießerei in Berlin: Mutmaßlicher Schütze wird verletzt aus dem Landwehrkanal gezogen
Den Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft zufolge hörten Anwohner gegen 4:00 Uhr morgens Schüsse in der Stresemannstraße und verständigten die Polizei. Der Tatort befindet sich augenscheinlich in einer Toreinfahrt: In der Stresemannstraße 23 direkt gegenüber der SPD-Parteizentrale war in einer Tür ein Einschussloch zu sehen, wie ein Fotograf der Deutschen Presse-Agentur (dpa) berichtete, nicht weit davon entfernt ein weiteres Einschussloch in einer Glastür.
Die Einsatzkräfte fanden vor Ort drei Verletzte, der 30 Jahre alte mutmaßliche Schütze sprang auf der Flucht in den nahegelegenen Landwehrkanal und wurde dort von Rettungskräften herausgezogen. Eine Kugel soll ihn am Bein getroffen haben.
Am Samstag waren mehrere Dutzend zum Teil schwer bewaffnete Polizisten im Einsatz, um den Tatort und Spuren zu sichern. An der Suche nach möglichen weiteren Beteiligten war auch ein Hubschrauber beteiligt.
Coronakrise trifft auch die Berliner Unterwelt
In Berlin gibt es immer wieder Auseinandersetzungen im Bereich der Organisierten Kriminalität, an denen wiederholt auch kriminelle Clan-Mitglieder beteiligt gewesen sein sollen. Zuletzt hatte es in Kreuzberg nach Schüssen auf einen 29-Jährigen eine Attacke von etwa zehn Männern auf eine Erdgeschosswohnung und ein Auto gegeben. Und im Februar kam es zu einer Schießerei am Berliner Tempodrom in der Möckernstraße, nicht weit vom aktuellen Tatort entfernt, mit einem Toten und vier Verletzten.
Dass derzeit gewalttätige und blutige Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern arabischstämmiger Clans oder mit tschetschenischen Gruppen für Aufsehen sorgen, ist laut Berlins Innensenator Andreas Geisel auch eine der Auswirkungen der Corona-Pandemie.
Die Infektionsschutz-Bestimmungen würden auch die Organisierte Kriminalität unter Druck setzen, sagte der SPD-Politiker der dpa. Durch geschlossene Bordelle, Gaststätten und Bars sowie durch fehlende Touristen, die sonst für Nachfrage im Drogenhandel sorgen, würden die Einnahmen sinken. "Und dann haben sie die etwas brutalere Form der Auseinandersetzung, um den Rest aufzuteilen. Das beobachten wir gegenwärtig." (dpa/afp/mf)
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