Von lästigen Sprüchen wie "Hey Süße" bis hin zu derben Anspielungen oder aufdringlichen Kussgeräuschen – häufig sind es Frauen, die sich von Männern beim Vorbeigehen sexuelle Sprüche anhören müssen. Catcalling lautet die moderne Bezeichnung für das Verhalten, das von Betroffenen als äußerst unangenehm empfunden wird. Eine Studentin will nun erwirkten, dass die unerwünschten Anmachversuche in Deutschland zum Straftatbestand werden.

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Mit einem höflichen Kompliment ist Catcalling nicht zu vergleichen. In den meisten Fällen müssen Betroffene die unerwünschten Sprüche jedoch hinnehmen - rechtliche Konsequenzen haben die aufdringlichen Sprüche in der Regel nicht.

Laut § 184i im Strafgesetzbuch liegt sexuelle Belästigung dann vor, wenn eine Person in sexueller Weise körperlich berührt wird. Ein Spruch allein genügt nicht. Erfüllt eine Äußerung den Strafbestand der Beleidigung, kann eine betroffene Person jedoch Anzeige erstatten und Strafantrag stellen. Den Straftatbestand der verbalen sexuellen Belästigung gibt es nicht.

Die Studentin Antonia Quell setzt sich dafür ein, dass diese Lücke im Gesetz geschlossen wird.

Petition gegen Catcalling

Die von ihr initiierte Petition "Es ist 2020. Catcalling sollte strafbar sein" haben im Oktober bereits mehr als 58.300 Menschen unterstützt. Quell fordert, dass verbale sexuelle Belästigung genau wie physische sexuelle Belästigung ins Strafgesetzbuch aufgenommen wird – oder zumindest als Ordnungswidrigkeit eingestuft wird.

In Frankreich, Belgien, Portugal und in den Niederlanden ist Catcalling bereits strafbar.

Was hat die junge Frau zu der Petition motiviert? "Es war rückblickend wahrscheinlich so, dass alle Catcalling-Erfahrungen, die ich gemacht habe und von denen auch meine Freundinnen erzählt haben, die Grundlage meiner Motivation gebildet haben. Ausschlaggebend war der Moment, in dem eine Freundin erzählt hat, dass Catcalling in Frankreich ja schon strafbar sei. Da dachte ich, das müssen wir auch hinkriegen."

Wichtiger noch als Geldstrafen ist ihr ein neues Bewusstsein, das mit der Aufnahme von Catcalling ins Strafgesetzbuch geschaffen würde. Durch die Gesetzesänderung soll deutlich werden, dass sexuelle Belästigung auch ohne Körperkontakt falsch ist – egal ob sie von Männern oder Frauen ausgeht.

Verbale sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Auch am Arbeitsplatz findet verbale sexuelle Belästigung statt. Laut einer Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2019 hat jede elfte Person in den vergangenen drei Jahren sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt.

Besonders häufig gaben Studienteilnehmer an, sich durch sexualisierte Kommentare belästigt gefühlt zu haben.

82 Prozent der Studienteilnehmer verrieten, dass diese ausschließlich von Männern ausgingen. 48 Prozent der betroffenen Frauen gaben an, sich durch Kommentare abgewertet oder erniedrigt gefühlt zu haben. 41 Prozent empfanden die Äußerungen als psychisch belastend, 30 Prozent als bedrohlich.

Wird Flirten bald zum Risiko?

Kritiker befürchten, dass durch eine Gesetzesänderung Flirtversuche aus Angst vor einer Anzeige unterlassen werden könnten und eine neue Prüderie entstehen könnte. Antonia Quell sieht das anders: "Alle die, die in der Auflehnung gegen verbale sexuelle Belästigung Prüderie erkennen, sind Teil des Problems. Wenn das Leben leicht wäre, bräuchten wir keine Gesetze."

Da Catcalling meist von einer fremden Person auf der Straße ausgeht, ist die Beweislage kompliziert. Antonia Quell meint: "Das Problem der Nachweisbarkeit und der Erfolgsquote haben wir bei so ziemlich bei jeder Straftat, erst Recht, wenn es um sexuelle Belästigung geht. Und trotzdem steht diese im Strafgesetzbuch."

Dass ihre Forderungen im Sande verlaufen könnten, sobald der Rummel um die Petition abgeebbt ist, befürchtet sie nicht. "Der öffentliche Diskurs ist sehr viel Wert. Bei solchen Themen zählt vor allem eines: Aufklärung. Da verbale sexuelle Belästigung aber omnipräsent ist, nicht nur auf der Straße passiert und einen Großteil der Bevölkerung betrifft, reden wir hier nicht von Einzelfällen. Wir reden hier von einem strukturellen Problem. Und wenn diese Probleme jetzt nicht an die Oberfläche kommen, dann wahrscheinlich in zwei oder drei Jahren, da habe ich keine Bedenken."

Etwas hat Antonia Quell bereits erreicht: Dank ihrer Petition ist das Thema sexuelle Belästigung auf verbaler Ebene stärker ins Bewusstsein gerückt und wird nicht mehr nur im Freundeskreis diskutiert.

Verwendete Quellen:

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