So schlecht wie dieses Mal schnitten Deutschlands Schülerinnen und Schüler bei der Pisa-Studie noch nie ab. Laut OECD verschlechterten sie sich in allen drei untersuchten Fachgebieten – und das deutlich. Die Gründe sind vielschichtig.

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Die deutschen Schülerinnen und Schüler haben in der Pisa-Studie zum internationalen Vergleich von Lernleistungen im Jahr 2022 so schlecht abgeschnitten wie noch nie. Laut den am Dienstag von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Berlin veröffentlichten Ergebnissen verschlechterten sich die Leistungen in den drei untersuchten Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz deutlich. Es ist das erste Pisa-Zeugnis seit der Corona-Pandemie.

Auch international sei die durchschnittliche Leistung drastisch gesunken. Als einen Grund sieht die OECD die Folgen der Schulschließungen in der Corona-Pandemie - allerdings gebe es in Deutschland wie in vielen anderen Ländern einen auch schon vor der Coronakrise begonnenen Trend zu schlechteren Schulleistungen.

In Mathematik stürzten die deutschen Schülerinnen und Schüler besonders ab. Sie erreichten einen Punktwert von 475, bei der vorherigen Untersuchung, die 2019 veröffentlicht wurde, waren es noch 500. Im Lesen kamen sie auf 480 (2019: 498) und in Naturwissenschaften auf 492 (2019: 503).

Pisa steht für "Programme for International Student Assessment" und ist die größte internationale Schulleistungsvergleichsstudie. Es werden die Kompetenzen von 15-jährigen Jugendlichen beim Lesen, in der Mathematik und den Naturwissenschaften erfasst. Seit dem Jahr 2000 wird sie alle drei Jahre durchgeführt.

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Politik sieht dringenden Handlungsbedarf

Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP), meldete sich kurz nach Veröffentlichung der Pisa-Ergebnisse via "X" zu Wort. "Der Handlungsbedarf im Bildungssystem könnte größer nicht sein", schrieb Stark-Watzinger. "Es geht um Lebenschancen für unsere Kinder und unseren Wohlstand."

Zur Präsentation der verheerenden Zahlen war die Ministerin jedoch nicht selbst erschienen, sondern ihr Staatssekretär Jens Brandenburg. Dieser sprach von einem "alarmierenden Gesamtbild" und dringend gebrauchten Veränderungen im Schulsystem. Mit Blick auf die scharf geführte Debatte um mögliche Ausgabenkürzungen betonte Brandenburg, dass Bildung ein priorisiertes Thema bleiben müsse. Sprich: Bei der Bildung solle trotz angespannter Haushaltslage nicht gespart werden.

Die ebenfalls anwesende Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) sieht das ähnlich. Bei der Frage der Finanzierung verweist sie jedoch auf Berlins Regierenden Bürgermeister, Kai Wegner (CDU), der anders als die FDP auf eine Reform der Schuldenbremse pocht.

Schon die erste Pisa-Studie 2001 hatte in Deutschland für einen Bildungsschock gesorgt

Im Jahr 2001 hatte die erste Pisa-Studie mit deutscher Beteiligung einen Bildungsschock ausgelöst: Die deutschen 15-Jährigen schnitten damals extrem schlecht ab, zudem stand ein beschämend enger Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen im Pisa-Zeugnis.

Die Folge war eine heftige Bildungsdebatte. Danach verbesserten sich die Ergebnisse deutlich, doch in den letzten Pisa-Runden kam es zu einem Abwärtstrend.

Zuletzt gab es im Jahr 2018 eine Pisa-Studie. Damals ließen die Leistungen der deutschen Schüler in den untersuchten Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz wieder nach. Der Rückgang der Leistungen in den Bereichen Mathematik und Lesekompetenz von 2018 zu den Tests von 2022 sei so groß wie der typische Lernfortschritt, den Schülerinnen und Schüler im Alter von etwa 15 Jahren während eines ganzen Schuljahres erzielen, erklärten die Studienautoren.

Deutsche Schülerinnen und Schüler liegen immerhin nah am OECD-Schnitt

An dem 2022 an den Schulen für die neue Veröffentlichung organisierten Pisa-Test nahmen etwa 690.000 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 Jahren aus 81 Ländern teil, in Deutschland waren es 6.116 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

In der aktuellen Erhebung liegt Deutschland im internationalen Vergleich in den Bereichen Mathematik und Lesekompetenz nahe am OECD-Durchschnitt und in Naturwissenschaften über dem OECD-Durchschnitt, doch das ist kein Grund zum Aufatmen. Den Expertinnen und Experten zufolge ist nämlich nicht nur die Lage in Deutschland besorgniserregend:

In diesem Zyklus habe es einen noch nie dagewesenen Leistungsabfall gegeben, hieß es in dem Bericht. "Im Vergleich zu 2018 sank die durchschnittliche Leistung in den OECD-Ländern um 10 Punkte im Lesen und fast 15 Punkte in Mathematik." Letzteres sei fast das Dreifache aller aufeinanderfolgenden Veränderungen.

Gründe für Leistungsabfall sind vielfältig

Dieser Rückgang ist der OECD zufolge in einer Handvoll von Ländern besonders ausgeprägt - darunter Deutschland. So hätten Polen, Norwegen, Island und Deutschland beispielsweise zwischen 2018 und 2022 einen Rückgang von 25 oder mehr Punkten in Mathematik verzeichnet. "Der dramatische Rückgang der Ergebnisse in Mathe und Lesekompetenz deutet auf einen negativen Schock hin, der viele Länder gleichzeitig betrifft", heißt es in dem Papier.

Ursachen für das schlechte Abschneiden der deutschen Schülerinnen und Schüler sehen die Autorinnen und Autoren der Studie unter anderem in der Corona-Pandemie. Die Ergebnisse zeigen, dass die Schulschließungen einen negativen Effekt auf den Kompetenzerwerb hatten. In Deutschland sei der Distanzunterricht weniger mit digitalen Medien und mehr mit Materialien, die an die Jugendlichen geschickt wurden, bestritten worden als im OECD-Durchschnitt.

Ein weiterer möglicher Faktor für die Ergebnisse sind fehlende Sprachkenntnisse. "Ein zentraler Grund ist sicherlich, dass wir es nach wie vor nicht geschafft haben, eine frühe Sprachförderung für alle, die sie benötigen, durchgängig sicherzustellen", sagte die Studienleiterin Doris Lewalter. Sie ist Bildungsforscherin an der Technischen Universität München und Vorstandsvorsitzende des Zentrums für internationale Bildungsvergleichsstudien. "Wenn wir Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshintergrund haben, können wir nicht davon ausgehen, dass sie die deutsche Bildungssprache schon beherrschen, wenn sie nach Deutschland kommen."

Schülerinnen und Schüler aus Singapur schneiden am besten ab

In der Studie wird darauf verwiesen, dass nur sehr wenige OECD-Staaten zwischen 2018 und 2022 Teile ihrer Ergebnisse verbessern konnten, beispielsweise Japan im Lesen und in den Naturwissenschaften sowie Italien, Irland und Lettland in den Naturwissenschaften.

In allen drei getesteten Kompetenzbereichen liegen die Schülerinnen und Schüler aus Singapur weit vorn. Insgesamt schneiden asiatische Länder und Volkswirtschaften am besten ab, so gehören auch Japan, Südkorea und getrennt betrachtete chinesische Regionen in allen Bereichen zu den leistungsstärksten. Aus Europa holten nur die Schüler aus Estland in allen drei Bereichen Ergebnisse, mit denen sie in der Spitzengruppe landeten. (dpa/AFP/ank)

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