- Seit einem halben Jahr hat Anne Maja Reiniger-Egler ihre zehnjährige Tochter Clara Magdalena nicht mehr gesehen.
- Weil er eine Corona-Impfung verhindern will, floh ihr Ex-Mann mit dem Kind und seiner neuen Frau nach Südamerika und tauchte dort unter.
- Nun haben sich die Entführer gemeldet.
Die Suche von Anne Maja Reiniger-Egler nach ihrer zehnjährigen Tochter Clara Magdalena könnte womöglich schon bald ein Ende finden. Ihr Ex-Mann hat sich mit dem Mädchen, seiner neuen Frau und deren Tochter aus erster Ehe nach Südamerika abgesetzt. Irgendwo in Paraguay halten sie sich seit Monaten versteckt.
Nun die Wende: Nach Beginn einer landesweiten Fahndung wegen Kindesentziehung hat das geflohene deutsche Paar Kontakt zu den Anwälten von Reiniger-Egler und dem Vater des zweiten Mädchens aufgenommen. "In den vergangenen Tagen gab es mehrere Telefongespräche", teilten die Anwälte am Montag mit. "Wir suchen nach einer Lösung, um die Kindesentziehung zu beenden."
Eltern wollten Corona-Impfung verhindern
Der Vater des einen Mädchens und die Mutter des anderen Mädchens waren bereits im November vergangenen Jahres mit den beiden Kindern ohne die Zustimmung ihrer jeweiligen Ex-Partner nach Paraguay ausgewandert. Offenbar wollten sie verhindern, dass die Kinder gegen das Coronavirus geimpft werden. Gegen das Paar liegt nach Angaben der paraguayischen Staatsanwaltschaft ein über die internationale Polizeibehörde Interpol verbreiteter Haftbefehl vor.
Die Polizei entdeckte zuletzt einen zurückgelassenen Mietwagen in der Ortschaft Bella Vista nahe der argentinischen Grenze und verhörte den Vermieter des Autos. Jetzt die "fruchtbaren Gespräche", wie es in dem Schreiben der Anwälte heißt. Reiniger-Egler habe mit ihren Kindern telefonieren können. "Wir suchen nach einer Lösung, die die Rechte aller Parteien wahrt und vor allem den Interessen der Kinder Rechnung trägt", schrieben die Anwälte in der Mitteilung.
Paraguay als Dorado für Querdenker
Das südamerikanische Land ist bei Reichsbürgern, Coronaleugnern, rechten Verschwörungsideologen und Gegnern der staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ein beliebtes Ziel. Allein im vergangenen Jahr ließen sich nach Angaben der paraguayischen Migrationsbehörde 3.440 Deutsche in Paraguay nieder. Die deutsche Botschaft in Asunción schätzt, dass insgesamt etwa 26.000 Deutsche in Paraguay leben.
Als Einwanderungsland ist Paraguay attraktiv, weil Ausländer vor allem aus Europa recht einfach eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten und auch Land oder Immobilien kaufen können. Für Impfgegner wurde Paraguay während der Corona-Pandemie dann interessant, weil man zunächst auch ohne Impfnachweis einreisen konnte.
Paar hinterließ Mutter Abschiedsbrief
Das untergetauchte deutsche Paar hatte bei seiner Abreise der suchenden Mutter zufolge einen Abschiedsbrief hinterlassen. Darin schreiben sie, dass es in Deutschland keine Zukunft für die Mädchen mehr gebe, dass sie sie nicht gegen das Coronavirus impfen lassen wollen. Vor wenigen Tagen veröffentlichen die Flüchtigen zudem eine Videobotschaft. "Wir werden mittlerweile weltweit gesucht, wie Schwerverbrecher, wie Mörder, wie Kriminelle", sagte der Mann darin. Die Frau ergänzt: "Wir haben unsere Kinder nur schützen wollen. Wir wollen nur, dass es unseren Kindern gut geht und jetzt wollt ihr uns trennen."
Die Polizei geht davon aus, dass die Familie in einer der zahlreichen deutschen Kolonien in Paraguay untergetaucht ist, dort dürften sie auf die Unterstützung von Gleichgesinnten bauen können. "Es gibt hier sehr abgeschottete deutsche Gemeinschaften, das macht die Ermittlungen so schwierig", sagte der stellvertretende Leiter des Entführungsdezernats der paraguayischen Polizei, Mario Vallejos.
Deutsche integrieren sich nicht in Paraguay
Zahlreiche deutsche Auswanderer sollen zuletzt aber dem Land auch wieder den Rücken gekehrt haben. Sprachprobleme, geringe Verdienstmöglichkeiten, das extreme Klima und Mentalitätsunterschiede treiben Auswanderer zurück, wie es in einschlägigen Internetforen heißt. "Die Frage ist, ob die Leute sich integrieren. Die meisten lernen nicht wirklich Spanisch, da hakt es dann", sagt Auswanderungshelferin Eveline Huber. "Wer sich nicht integriert, wird schnell wieder zurückgehen."
Die Einwanderung von erklärten Impfgegnern stößt ohnehin nicht bei allen in Paraguay auf Gegenliebe. "Die meisten, die kommen, sind nicht geimpft", sagte der Bürgermeister von Hohenau, Enrique Hahn, kürzlich in einem Interview. "Sie müssen wissen, dass es auch hier Gesetze gibt." So mussten Einreisende zwischenzeitlich eine vollständige Impfung gegen das Coronavirus nachweisen. Impfgegner umgingen die Vorschriften allerdings Hahn zufolge teilweise, indem sie von Bolivien über die grüne Grenze nach Paraguay kamen. (dpa/mf)
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