Einer Expertin für Infektionskrankheiten zufolge ist es "extrem unwahrscheinlich", dass die Hunderten Corona-Fälle in einer Fleischfabrik in NRW auf Familienbesuche am Wochenende zuvor zurückgehen.
"Die Inkubationszeit beträgt im Mittel fünf Tage, sodass ein Wochenendbesuch kaum so eine große Anzahl an Personen erklären kann", sagte Isabella Eckerle, Leiterin der Forschungsgruppe Emerging Viruses in der Abteilung für Infektionskrankheiten der Universität Genf.
Gereon Schulze Althoff, Leiter des Pandemiestabs beim betroffenen Unternehmen Tönnies, hatte die Kälte in der Produktion und die Heimreisen der Beschäftigten nach Osteuropa an langen Wochenenden wie um Fronleichnam als mögliche Faktoren für die Ausbreitung des Coronavirus genannt.
Die hohe Anzahl betroffener Mitarbeitern des Unternehmens Tönnies weise auf ein unbemerktes, schon länger vor sich gehendes Superspreading Event in dem Betrieb hin, sagte hingegen Eckerle.
"Bei engem Kontakt und unter ungünstigen Arbeits- sowie Wohnbedingungen können ein Einzelner oder nur sehr wenig initial Infizierte zu einer sehr hohen Anzahl an Sekundärinfektionen führen."
Arbeitsbedingungen könnten Neuansteckungen begünstigen
Die Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen seien offenbar mit den aktuell notwendigen Hygienemaßnahmen nicht gut vereinbar, so Eckerle. Dazu zähle der lange Aufenthalt vieler Personen in geschlossenen Räumen ohne Möglichkeit, ausreichend Abstand zu wahren. Hinzu komme das Leben in räumlich begrenzten Unterkünften, wenn es sich um ausländische Mitarbeiter handele.
Ein weiterer Faktor könne eventuell die körperliche Anstrengung während der Arbeit sein, die zu höherer Virusausscheidung führe. Feuchte Hände, Handschuhe, Schürzen und Kleidung könnten zudem die Übertragung durch Schmierinfektionen begünstigen, so Eckerle.
"Es wäre wichtig zu klären, inwieweit Masken bei engem Kontakt auf der Arbeit getragen wurden, und ob es überhaupt die Möglichkeit gibt, konstant die aktuellen Regeln wie Abstandhalten und Handhygiene einzuhalten." © dpa
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