Viele junge Priester in der katholischen Kirche fremdeln mit der modernen Gesellschaft. Darauf hat der Wissenschaftler Matthias Sellmann, Direktor des Zentrums für angewandte Pastoralforschung an der Uni Bochum, hingewiesen. Er sieht deshalb "eine starke Notwendigkeit zum Umsteuern", wie er am Freitag bei einer Pressekonferenz der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) sagte. Sellmann und seine Kollegen haben für die DBK eine Untersuchung über die Priesterschaft in Deutschland erstellt. Ihr Befund: Priester würden sich in der Mehrzahl auch nicht als "gestalterische Führungskräfte" sehen.
"Sie fremdeln zudem mit den Anliegen von Kirchenreform. Daher werden sie wenig dazu beitragen, Kirche und Gegenwartsgesellschaft einander kreativ zu erschließen." Priester seien erkennbar auch keine Mitträger des Synodalen Wegs in Deutschland.
Der Bischof von Fulda, Michael Gerber, der die DBK-Kommission für Geistliche Berufe leitet, erkennt durchaus Reformbedarf bei der Ausbildung der Priester. Die neue Ausbildungsordnung stehe kurz vor der Fertigstellung, sagte er. Auch die Frage bei der Leitung von Gemeinden und anderen kirchlichen Organisationen müsse sich neu stellen: Was muss ein Pfarrer machen, was können andere machen? Die aktuelle Untersuchung eröffne eine Debatte.
Zugleich warnte er in der allgemeinen Diskussion über Reformen und Priestermangel vor einer Verengung auf das Thema Zölibat, also das Versprechen zur Enthaltsamkeit und Ehelosigkeit: Personalsorgen bei der evangelischen Kirche und ein Rückgang der Bewerbungen bei anderen kirchlichen Berufen zeigten: "Die Gleichung, dass das Zölibat fällt und die Zahlen steigen, geht nicht auf."
Registrierte die DBK 1992 noch 269 Priesterweihen in den deutschen Bistümern, so waren es im Jahr 2022 nur 33. Zweistellig ist die Zahl der Geweihten seit 2007. Noch immer würden sich für die Priesterlaufbahn vor allem Männer aus einem klassisch-katholischen, eher konservativen Milieu mit einem aktiven Gemeindeleben entscheiden, doch genau dieses Milieu schwinde zunehmend, betonten die an der Untersuchung beteiligten Wissenschaftler. An der Befragung beteiligten sich 153 Priester, die zwischen 2010 und 2022 geweiht wurden. © dpa
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