Wieder ein Schlag gegen Kindesmissbrauch: Die Polizei hat bundesweit Wohnungen von 50 Tatverdächtigen durchsucht. Sie alle tauchten in den Ermittlungen zum Komplex Bergisch Gladbach auf.
Der Missbrauchsfall Bergisch Gladbach wird größer und größer. Am Dienstag durchsuchte die Polizei bundesweit Wohnungen von 50 Tatverdächtigen - betroffen war fast die ganze Republik. Die Durchsuchungen fanden statt in Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Es gehe um den Verdacht des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie, teilte die Kölner Staatsanwaltschaft mit.
Vier Verletzte
"Eine große Zahl von Polizisten" sei an den Aktionen beteiligt gewesen, sagte ein Sprecher. An mehreren Orten waren Spezialeinheiten im Einsatz. "Vier Personen wurden nach bisherigen Erkenntnissen leicht verletzt", so die Ermittler. Dabei soll es lediglich um Schocks und leichte Prellungen gehen. Eine "erste Sichtung und Bewertung sichergestellter Beweismittel" war am Nachmittag bereits im Gange. Details sollen am Mittwochvormittag in Köln bekannt gegeben werden.
In früheren Fällen hatte die NRW-Polizei Festplatten und Akten bereits per Hubschrauber in andere Bundesländer fliegen lassen, weil das bei den großen Datenmengen schneller ging als über eine sichere Datenleitung. Der Hintergrund: Sobald der Verdacht besteht, dass ein Kind noch immer missbraucht wird, soll keine Zeit verloren gehen. Bei einer früheren Aktion waren die Ermittler auf diese Weise auf mehrere Kinder aufmerksam geworden, die aktuell noch missbraucht wurden - darunter ein drei Monate altes Baby. Diese Kinder konnten dann aus den Fängen der Täter befreit werden.
Bis zu 30.000 Tatverdächtige
Die Ermittlungen rund um den Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach haben schon zu Spuren in sämtlichen Bundesländern geführt. Mit Stand 27. August wurde alleine in NRW gegen 84 Beschuldigte ermittelt, zehn Menschen waren bereits angeklagt, einer in Haft, acht in Untersuchungshaft.
Die Ermittler haben wiederholt von einem "Schneeball-System" gesprochen: Mit jedem Verdächtigen werden sie auf weitere Täter aufmerksam. "Wir reden von 30.000 unbekannten Tatverdächtigen", sagte Markus Hartmann, Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime NRW (ZAC NRW), kürzlich der Deutschen Presse-Agentur.
Ins Rollen gebracht wurde das alles durch eine Durchsuchung im Oktober 2019 bei einem Familienvater in Bergisch Gladbach bei Köln. Bei ihm fand die Polizei Tausende Bilder und Videos. Es ging um riesige Datenmengen - inklusive Spuren zu Chatpartnern. Davon ausgehend kamen die Polizisten nach und nach immer mehr Verdächtigen auf die Spur.
Mann in Bergisch Gladbach brachte Ermittlungen ins Rollen
Der Ursprungsverdächtige aus Bergisch Gladbach, ein Koch und Hotelfachmann, muss sich derzeit vor dem Landgericht Köln verantworten. Insgesamt 79 Taten werden ihm zur Last gelegt. Die meisten betreffen den Missbrauch seiner sehr kleinen Tochter im Einfamilienhaus, in dem die Familie gemeinsam lebte. Den Großteil der Taten soll er mit seinem Smartphone dokumentiert haben, um die Bilder und Videos später an gleichgesinnte Männer zu verschicken.
Aus den Durchsuchungen vom Dienstag dürften sich weitere Verfahren ergeben. Für die Ermittler steht fest, dass sie der Komplex noch auf Jahre hinaus beschäftigen wird. (mss/dpa)
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