Menschen mit Behinderung haben am Arbeitsmarkt noch immer viele Nachteile. Trotz Fachkräftemangels und vielerorts möglichem Homeoffice. Woran dies liegt und was dagegen getan werden kann.

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Schwerbehinderte Menschen seien "keine Belastung für ein Unternehmen, sondern mit ihrem Fachwissen, ihrer Loyalität und ihrem Teamgeist oft eine Bereicherung", sagt Dorothee Czennia. Sie ist Referentin für Behindertenpolitik beim Sozialverband VdK. Diese Sicht sei jedoch in der Arbeitswelt noch nicht angekommen. "Bei vielen Arbeitgebern herrschen Irrtümer, Vorurteile und Unsicherheiten," sagt die Experten für Behindertenpolitik.

Probleme auf dem Lebensweg vieler Menschen mit Behinderung würden sich oft negativ auf ihr Berufsleben auswirken. Wegen längerer Therapien etwa könnten manche Menschen ihre Ausbildung nicht in der Regelzeit absolvieren. Dies gelte auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor als etwas Schlechtes, sagt Czennia. Es werde von den Unternehmen aber nicht die Durchsetzungskraft und Ausdauer gesehen, die diese Menschen trotz allem bewiesen hätten.

Erheblichen Verbesserungsbedarf sieht auch die Lebenshilfe, die sich für die Belange von geistig Behinderten und Menschen mit Lernschwierigkeiten einsetzt. Mindestens zwei Drittel der jungen Menschen mit diagnostiziertem Förderbedarf, deren Interessen die Lebenshilfe vertritt, würden die Schule ohne einen anerkannten Abschluss beenden, so der Sprecher des Verbandes, Peer Brocke. Dadurch bleibe ihnen in der Regel der Weg in ein reguläres Ausbildungsverhältnis verwehrt. Dies schmälere auch die Möglichkeiten einer Anstellung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Quote der Landzeitarbeitslosen bei Menschen mit Behinderung immer noch sehr hoch

Die Benachteiligung am Arbeitsmarkt gegenüber Menschen mit Behinderungen lässt sich auch an harten Zahlen festmachen. Die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderung ist im Jahr 2022 zwar gesunken. Doch mit knapp elf Prozent ist sie immer noch fast doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Behinderung. Das ergab das Inklusionsbarometer 2023 der "Aktion Mensch". Der Anteil der Langzeitarbeitslosen unter Menschen mit Behinderung liegt bei 46 Prozent. Die Quote unter Langzeitarbeitslosen ohne Behinderung liegt hingegen nur bei knapp 38 Prozent.

Damit Menschen mit Behinderung besser in den Arbeitsmarkt finden, gibt es Regeln, an die sich Unternehmen halten müssen. Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitenden müssen mindestens fünf Prozent Menschen mit Behinderung angestellt haben. Doch derzeit besetzen nur 39 Prozent aller Unternehmen alle für sie vorgeschriebenen Pflichtarbeitsplätze mit Menschen mit Behinderung. So gibt es in Deutschland aktuell 45.000 Arbeitgeber, die verpflichtet sind, Schwerbehinderte anzustellen, dies aber nicht tun.

Doch was sind die Gründe dafür? Viele Unternehmen klagten, dass sie zwar bereit wären, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen, aber oftmals keine geeigneten Kandidaten und Kandidatinnen fänden, sagt Karolin Hiesinger vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

"Fast 80 Prozent der Betriebe, die die gesetzlich vorgeschriebene Quote für Menschen mit Behinderungen nicht erfüllen, führen die schlechte Bewerberlage als Grund dafür an. Ein großes Problem scheint daher zu sein, dass Betriebe und Menschen mit Behinderungen oftmals nicht zusammenkommen." Daher sei eine verstärkte und zielgerichtete Qualifizierung der Betroffenen in Schule, Ausbildung und im Erwachsenenleben sinnvoll, sagt die Wissenschaftlerin am IAB.

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Unternehmen, die ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, müssen einen Ausgleich zahlen

Um die Beschäftigung unter Menschen mit Behinderungen zu erhöhen, hat die Politik erst am Jahresbeginn eine Reform umgesetzt. Ab Januar dieses Jahres hat sich das Maximum der sogenannten Ausgleichsabgabe auf monatlich 720 Euro erhöht. Ein Unternehmen mit 60 und mehr Mitarbeitenden, das seiner Verpflichtung nicht nachkommt, und keinen Menschen mit Behinderung anstellt, muss diese Summe monatlich zahlen. Für kleinere Unternehmen fällt dieser Betrag entsprechend geringer aus.

Diese Reform ruft bei Sozialverbänden aber deutliche Kritik hervor. Peer Brocke von der Lebenshilfe verlangt, dass die Ausgleichsabgabe noch weiter angehoben werden müsste. Und zwar so sehr, dass es für Unternehmer profitabler sei, einen Menschen mit Behinderung mithilfe eines staatlichen Zuschusses anzustellen.

Zudem solle die Pflicht zur Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung ausgeweitet, und die Quote für Unternehmen erhöht werden, sagt Brocke. Weiterhin wünscht sich die Lebenshilfe Maßnahmen, damit Menschen, die häufig in Werkstätten für behinderte Menschen beschäftigt seien, stattdessen eher auf den regulären Arbeitsmarkt gelangten.

Um langfristig mehr Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt zu bekommen, müsse man an vielen Stellen gleichzeitig ansetzen, sagt Dorothee Czennia vom VdK. Ein Problem sei, dass gelegentlich die Anstellung für Unternehmen schwierig umzusetzen sei. "Es gibt Fälle, wo Arbeitgeber jemanden einstellen wollen, aber wochenlang auf eine Reaktion des zuständigen Reha-Trägers oder des Integrationsamts warten und es sich dann wieder anders überlegen", erklärt die Expertin für Behindertenpolitik.

Die Vermittlungsfähigkeiten der Job-Center seien auch mangelhaft, und die Schwerbehindertenvertretungen in den Betrieben müssten ebenfalls gestärkt werden, bemängelt der VdK. Häufig fange es aber schon mit den Stellenausschreibungen der Betriebe an. Dort sei nicht immer klar, dass die Unternehmen auch ganz klar an Menschen mit Schwerbehinderung interessiert seien, oder der Betrieb behindertengerecht sei. "Daran sehen schwerbehinderte Bewerber", sagt Dorothee Czennia, "dass der Arbeitgeber es ernst meint".

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