Er hatte seine eigene Tochter 24 Jahre lang als Sklavin im Keller seines Hauses eingesperrt: Josef Fritzl. Vor zehn Jahren machte der verstörende Fall weltweit Schlagzeilen. Österreich galt in den Medien als Hort des Bösen. Beteiligte erinnern sich an die furchtbare Entdeckung.
Ein apricotfarbener Anstrich, eine gründliche Renovierung, ein gepflegter Rasen hofseitig - nichts erinnert mehr an das "Horror-Haus" von Amstetten in Österreich.
Ein Gastwirt hat das Anwesen Ende 2016 für 160.000 Euro erworben und die Wohnungen vermietet. Normalität am Ort des Bösen.
"Man kann es nicht ewig leer stehen lassen. Wir müssen Leben hineinbringen", meinte der neue Besitzer damals. In dem Haus in der Ybbsstraße spielte sich eines der verstörendsten Verbrechen der Kriminalgeschichte ab.
Der Hort des Bösen
24 Jahre lang hielt sich dort der Elektrotechniker Josef Fritzl seine eigene Tochter in einem Kellerverlies als Sklavin, zeugte mit ihr sieben Kinder. Vor zehn Jahren (26.4.) flog das Verbrechen auf und sorgte weltweit für Schlagzeilen.
Vom "Opa-Monster", vom "Hort des Bösen", von "Neurosen und Wahnsinn" war in internationalen Medien die Rede. Zwei Jahre nach dem Fall Natascha Kampusch, die jahrelang in einem Kellerverlies bei Wien von ihrem Entführer festgehalten worden war, galt Österreich wieder als Land grausamer Verbrechen.
"Täglich standen Dutzende Übertragungswagen am Tatort, sicher mehr als 100 Journalisten waren da", erinnert sich Polizist Karl Gschöpf im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Negativ-Presse war so gewaltig, dass Kanzler Alfred Gusenbauer schon daran dachte, eine Kampagne zur Aufhellung des düsteren Images der Alpenrepublik zu starten.
Fritzl wirkt eiskalt
Das unfassbare Doppelleben des Josef Fritzl begann Anfang der 1980er Jahre.
Der verheiratete Mann baute im Keller seines Hauses ein 60 Quadratmeter großes Gefängnis, mit insgesamt acht zum Teil 500 Kilogramm schweren Türen, die mit Fernbedienung gesichert waren. "Dann hab ich alles schalldicht zugepflastert in dem Bunker", sagte er nach seiner Verhaftung.
Am 28. August 1984 lockte er seine damals 18-jährige Tochter Elisabeth in den Keller, betäubte sie und sperrte sie mit Handschellen gefesselt ein.
In den nächsten 24 Jahren sah sie kein Tageslicht mehr, wurde von ihrem Vater wieder und wieder vergewaltigt, gebar sieben Kinder. Ein im Keller geborener Sohn starb wegen einer Atemwegs-Erkrankung knapp drei Tage nach der Geburt ohne medizinische Hilfe. Fritzl verbrannte die Leiche im Heizkessel.
Das Verschwinden seiner Tochter erklärte der eiskalt wirkende Fritzl gegenüber seiner Frau und den Nachbarn ganz einfach: Sie sei wohl bei einer Sekte und durchgebrannt. Bei den Behörden meldete der Vater seine Tochter als vermisst.
Das Ausland kommentiert
Das eigene Haus wurde zum Ort des Doppellebens des heute 83-Jährigen. Zwei Söhne und eine Tochter lebten mit ihrer Mutter im Keller. Die drei anderen Kinder nahm der Vater mit nach oben zu seiner Frau. Das Auftauchen der Babys erklärte Fritzl seiner Frau damit, dass die vermisste Tochter die Babys im Haus abgelegt habe.
Allein die mysteriöse Herkunft der drei Kinder hätte Nachbarn in der 24.000-Einwohner-Stadt alarmieren müssen, kommentierten Beobachter im In- und Ausland.
"Die Mitbewohner hätten etwas bemerken müssen, klar, wir alle müssen wachsamer sein und sensibel reagieren, wenn ungewöhnliche Dinge passieren. Ist es das, was man aus dem Fall Amstetten lernen kann? Es wäre wenigstens etwas", schrieb die Münchner "Abendzeitung" damals.
Fritzl galt als Familien-Despot, der mit seiner Herrschsucht alle tyrannisierte und kontrollierte. Daher glaubten die Behörden später auch den Aussagen, dass seine ihm ausgelieferte Ehefrau keine Ahnung von den Vorgängen im Keller hatte. Dort hatte der handwerklich begabte Fritzl mit Dämm-Material jeden Laut nach außen erstickt.
"Wir haben unglaubliche Lärm-Tests im Keller gemacht", sagte Franz Polzer, Chef des niederösterreichischen Landeskriminalamts. "Das Verlies war so isoliert - da drang kein Laut nach außen."
Arzt wird misstrauisch
Das Verbrechen flog erst auf, als die 19-jährige Tochter aus dem Keller lebensgefährlich erkrankte und von Fritzl in eine Klinik gebracht wurde.
Ein Arzt wurde misstrauisch und gab der Polizei den entscheidenden Tipp. Schon kurz vor seiner Festnahme hatte Fritzl die Mutter seiner Kinder aus dem Keller geholt.
Polizist Gschöpf erinnert sich noch gut an die erste Begegnung mit den Opfern. "Elisabeth wirkte wie eine sehr starke, sehr gefestigte Frau, sehr fixiert auf ihre Kinder", erzählt der heute 61-Jährige.
Damals waren er und einige Kollegen beauftragt, Elisabeth und ihre Kinder in den ersten Wochen in einer Klinik vor Neugierigen zu beschützen.
"Sie war kein Zombie, sondern eine große, schlanke, fesche Frau, komplett normal", so sein Eindruck über einen Menschen, der sich 24 Jahre lang auf der Fläche einer fensterlosen Zwei-Zimmer-Wohnung mit nur 1,70 Meter Höhe bewegt hatte.
Am frühen Morgen sei er mit seinen Schützlingen oft im Park der Klinik spazieren gegangen. Für die drei Kinder war es die erste Begegnung mit der Natur. "Es waren berührende Momente", so Gschöpf.
Justizministerium äußert sich nicht
Im Prozess, der von 200 Reportern aus aller Welt verfolgt wurde, lautete die Anklage auf Mord durch Unterlassen, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, schwere Nötigung, Sklaverei und Blutschande.
Das Urteil war wenig überraschend: Lebenslange Haft. Nach Darstellung von Fritzls Anwalt war der Wunsch nach einer Zweitfamilie ein wichtiges Motiv für das Handeln seines Mandanten.
Über Fritzl und seine Haftbedingungen will sich das österreichische Justizministerium nicht äußern. "Er befindet sich in Haft", lautet die karge Antwort.
Zeitungen berichteten, dass Fritzl als verachteter Inzest-Täter im Hochsicherheitsgefängnis Stein dauernd vor möglichen Attacken anderer Gefangener beschützt werden müsse.
Das Kellerverlies wurde 2013 mit 300 Tonnen Spezialbeton verfüllt. Der heute 52-jährigen Elisabeth - die an einem unbekannten Ort in Österreich lebt - und ihren Kindern geht es nach dem Eindruck von Gschöpf gut. "Sie haben noch was aus ihrem Leben gemacht", sagt er. © dpa
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