"Teigtascherl" sind in Wien seit einigen Wochen auch im übertragenen Sinne in aller Munde. Der Grund: illegale Machenschaften. Steckt hinter dem Skandal ein noch viel düstereres Geheimnis?

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"Teigtascherl" verkaufen sich in Wien bestens. Doch seit einigen Wochen machen illegal hergestellte Produkte den Österreichern den Genuss madig: Von einer "Teigtascherl-Mafia" ist die Rede, seit die Polizei mehrere Wohnungen geräumt hat, in denen chinesische Arbeiter die Tascherl hergestellt hatten – hinter dem Rücken von Einwanderungsamt, Steuerbehörde und Lebensmittelkontrolle.

Seit Ende Juli im Bezirk Wien-Favoriten die erste Hausdurchsuchung stattfand, nahm das Thema rasant Fahrt auf. Die Polizei hob weitere illegale Produktionsstätten in den Bezirken Penzing und Döbling, in der letzten Augustwoche auch in Wien-Margareten aus – kleine Wohnungen, zu denen Mehlspuren durchs Treppenhaus führten, ausgestattet mit vielen großen Kühltruhen und bewohnt von fleißigen Teigherstellern, die sich teilweise in Schränken versteckten.

In Österreich liebt man mit Teig umwickelte Gerichte. Wo also liegt das Problem, wenn die Wan Tan sozusagen direkt vom chinesischen Hersteller geliefert werden?

Teigtascherl unter katastrophalen hygienischen Verhältnissen hergestellt

Es geht tatsächlich weniger um kulinarische Aspekte. Da die Teigtaschen laut österreichischen Medien nicht nur in billigen Imbissen, sondern auch in Restaurants und Asia-Läden über die Theke gingen, kann die geschmackliche Qualität der Heimwerker-Produktionen nicht allzu schlecht gewesen sein.

An anderer Stelle allerdings wurden schnell Mängel deutlich: "Die hygienischen Verhältnisse waren katastrophal", erfuhr der Wiener "Standard" aus Quellen des Finanzministeriums.

Das kann wohl nicht anders sein, wenn auf wenigen Quadratmetern Produktionsfläche Tausende von Teigtaschen hergestellt werden – allein am letzten Fundort wurden in sieben Tiefkühltruhen rund 1,5 Tonnen gefunden.

Schlecht gelüftet seien die kleinen Wohnungen gewesen, berichten die Ermittler. Sie seien mit Kühltruhen, Mehlsäcken und Gemüsekisten vollgestopft gewesen. Man fand "vollgemüllte Arbeitsplätze", überquellende Aschenbecher und leere Wodkaflaschen. Auch der Zustand der sanitären Einrichtungen sei beklagenswert.

Vorrangig illegale Einwanderer stellten die Teigtaschen her

Die Bewohner scheinen die Öffentlichkeit gescheut zu haben. Die Fenster seien nicht geöffnet worden, vermutet die Polizei, damit Essensgerüche keinen Verdacht erregen konnten. Die Türen blieben auch verschlossen, weil es sich – und das ist der zweite wunde Punkt der illegalen Teigtascherl-Produktion – bei den Köchen wohl großteils um illegale Einwanderer handelte.

Und neben der Umgehung von Hygiene- und Immigrationsbestimmungen müssen sich die Betroffenen einem weiteren Vorwurf stellen: Sie haben, wie in kriminellen Kreisen üblich, weder ein Gewerbe angemeldet, noch Abgaben bezahlt.

Illegale Einwanderung und Steuerhinterziehung – zwei Delikte, die schnell an organisierte Bandenkriminalität denken lassen. Doch bisher haben sich solche Vorwürfe nicht erhärtet. Zwar lässt das Wiener Marktamt laut Österreichischem Rundfunk verlauten, 90 Prozent der an den heimlichen Produktionsstätten angetroffenen Menschen hätten sich illegal in Österreich aufgehalten.

Das hört sich nach viel an, beruht aber auf einer eher geringen Fallzahl: 14 Verdächtige seien bisher festgenommen worden, teilt das ermittelnde Finanzministerium mit (Stand: 5. September), unter diesen seien zehn "illegal aufhältige Personen".

Steckt hinter "Teigtascherl"-Skandal ein Menschenhändlerring?

So gering die Fallzahlen, so kurios die Rede vom "Teigtascherl-Skandal" – die Affäre hat einen harten Kern. Und der betrifft das Schleuserwesen. 17.000 in China geborene Menschen leben offiziell in Österreich, wegen der Beliebtheit von Chinarestaurants wurden die Einreisebestimmungen für Köche sogar eigens gelockert.

Steckt hinter der "Teigtascherl-Mafia" am Ende ein Menschenhändlerring? Zumindest in einem Gewerbe wurden in Österreich immer wieder chinesische Opfer moderner Sklaverei entdeckt: der Prostitution.

Ob sich auch im Geschäft mit chinesischen Teigtaschen mafiöse Strukturen finden lassen, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Die Untersuchungen obliegen dem Bundesministerium des Inneren.

Auch das Finanzministerium ermittelt breit gefächert: Es geht demnach um Verstöße gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Sozialversicherungsgesetz, das Gewerberecht und diverse Steuergesetze sowie um Sozialbetrug. Zu Ergebnissen der laufenden Ermittlungen gibt es derzeit keine Angaben.

Polizei überprüft mehr als 500 Asia-Restaurants

Gesucht wird auch nach den Abnehmern der gefälschten Ware: Mehr als 500 Asia-Lokale werden überprüft. Die Polizei geht auch dem Verdacht nach, Restaurants könnten Teigtaschen aus eigener Herstellung angeboten, in Wahrheit aber solche aus illegaler Produktion verwendet haben. Die Strafen für Ersttäter: bis zu 400 Euro.

Bisher gelten die österreichischen Chinaköche als wenig auffällig: Illegale Beschäftigung, heißt es vom Bundeskriminalamt, komme in den Chinarestaurants nicht so oft vor, "wie manche glauben". Auch sei es in ihnen "sauberer als viele vermuten würden".

Falsche Angaben kann man den illegalen Produzenten in einem Punkt ganz sicher nicht vorwerfen: Der Aufdruck "Hergestellt in Österreich" auf den gefundenen Teigtascherl-Säcken entspricht ganz eindeutig der Wahrheit.

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