- Schwere Vorwürfe gegen Papst Benedikt XVI.
- Der zurückgetretene Papst soll in seiner Zeit als Münchner Erzbischof in mehreren Fällen nichts gegen Kirchenbedienstete unternommen haben, die des Missbrauchs verdächtig waren.
- Ein neues Gutachten erhebt auch schwere Vorwürfe gegen einen weiteren hohen Kleriker.
Der emeritierte Papst
Ratzinger war von 1977 bis 1982 Erzbischof von München und Freising.
Ratzinger soll Kenntnis über Verurteilung wegen Pädophilie eines Priesters gehabt haben
Kritiker werfen Ratzinger schon seit geraumer Zeit Fehlverhalten vor - konkret beim Umgang mit einem Priester aus Nordrhein-Westfalen. Der Mann soll vielfach Jungen missbraucht haben und wurde zur Amtszeit Ratzingers aus NRW nach Bayern versetzt, wo er rechtskräftig wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurde und immer wieder rückfällig geworden sein soll.
Allein dieser Fall macht 370 Seiten des insgesamt mehr als 1700 Seiten starken, vom heutigen Erzbischof Kardinal Reinhard Marx in Auftrag gegebenen Gutachtens aus. Marx selbst halten die Anwälte Fehlverhalten im Umgang mit zwei Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch vor. Es gehe dabei um Meldungen an die Glaubenskongregation in Rom. Marx war bei der Vorstellung nicht anwesend.
Die Gutachter sind mittlerweile auch überzeugt, dass Ratzinger Kenntnis von der Vorgeschichte des Priesters Peter H. hatte, der 1980 aus dem Bistum Essen nach München kam. H. war als Pädophiler verurteilt und beging später im Erzbistum München weitere Missbrauchstaten.
Rechtsanwalt Martin Pusch sagte, Ratzinger habe bei der Erstellung des Gutachtens zunächst eine "anfängliche Abwehrhaltung" gezeigt. Diese habe er aber später aufgegeben und ausführlich schriftlich Stellung genommen.
Gutachter erheben Vorwürfe gegen weitere hochrangige Kleriker
In dem Gutachten werden auch gegen den früheren Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, schwere Vorwürfe erhoben: Es geht um 21 Fälle von Fehlverhalten im Umgang mit sexuellem Missbrauch. Das sagte der Jurist Martin Pusch bei der Vorstellung des Gutachtens. Wetter habe die Fälle zwar nicht bestritten, ein Fehlverhalten seinerseits aber schon, sagte Pusch.
Auch das Verhalten von Kardinal Reinhard Marx, aktueller Erzbischof von München und Freising, wird in dem Gutachten scharf kritisiert. Ihm wird im Missbrauchsskandal Untätigkeit vorgeworfen.
Es sei ungeachtet einer Vielzahl von Meldungen nur in "verhältnismäßig geringer Zahl" festzustellen, dass sich der Kardinal überhaupt unmittelbar mit Missbrauchsfällen befasst habe, sagte Rechtsanwalt Pusch. Außerdem sei Marx in zwei Verdachtsfällen ein konkretes fehlerhaftes Verhalten vorzuwerfen.
Die Studie listet mindestens 497 Opfer auf. Dabei handele es sich überwiegend um männliche Kinder und Jugendliche, die in den Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums zu Opfern wurden, teilte die Kanzlei mit. Mindestens 235 mutmaßliche Täter gab es laut der Studie - darunter 173 Priester und 9 Diakone. Allerdings sei dies nur das sogenannte Hellfeld. Es sei von einer deutlich größeren Dunkelziffer auszugehen.
Priester und Diakone auch nach Bekanntwerden der Vorwürfe weiter eingesetzt
Das Gutachten kommt auch zu dem Schluss, dass viele Priester und Diakone auch nach Bekanntwerden entsprechender Vorwürfe weiter eingesetzt worden seien. 40 Kleriker seien ungeachtet dessen wieder in der Seelsorge tätig gewesen beziehungsweise dies sei geduldet worden. Bei 18 davon erfolgte dies sogar nach "einschlägiger Verurteilung", wie Rechtsanwalt Martin Pusch sagte. Insgesamt seien bei 43 Klerikern "gebotene Maßnahmen mit Sanktionscharakter" unterblieben.
Das neue Gutachten stellt der katholischen Diözese ein schlechtes Zeugnis aus. Auch in jüngster Zeit habe kein "Paradigmenwechsel" mit dem Fokus auf die Betroffenen stattgefunden, sagte Pusch. "Bis in die jüngste Vergangenheit und teils auch heute noch begegnen Geschädigte Hürden." Ein aktives Zugehen auf die Opfer gebe es nicht. Pusch sieht ein "generelles Geheimhaltungsinteresse" und den "Wunsch, die Institution Kirche zu schützen". (AFP/dpa/ank/ska)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.