Nach der Entdeckung von 39 Toten in einem Lastwagen in Großbritannien ermittelt die Polizei auf Hochtouren. Am Freitag waren vier Verdächtige hinter Schloss und Riegel. Die Identifizierung der Leichen könnte noch lange dauern.
Bei den Mordermittlungen zum Fund von 39 Leichen in einem Sattelauflieger bei London hat die britische Polizei am Freitag weitere Verdächtige festgenommen. Zunächst setzte die Polizei einen 38 Jahre alten Mann und eine Frau gleichen Alters aus dem nordenglischen Warrington fest. Ihnen würden Menschenhandel in 39 Fällen sowie Totschlag in 39 Fällen vorgeworfen, teilte die Polizei am Freitag mit. Später gab die Polizei noch die Festnahme eines 48-Jährigen aus Nordirland am Londoner Flughafen Stansted bekannt. Er stehe im Verdacht, an den Taten beteiligt gewesen zu sein.
Der bereits zuvor festgenommene, in Nordirland wohnhafte Fahrer des Lastwagens, in dem die Leichen gefunden worden waren, stehe weiter unter Mordverdacht und bleibe hinter Gittern, teilte die Polizei weiter mit. Der Inhaftierungsbeschluss gegen ihn sei am Donnerstag verlängert worden. Im Internet kursierten derweil Online-Petitionen, in denen seine Freilassung gefordert wird.
Wo kamen die 39 Menschen an Bord?
Unklar blieb zunächst, ob er oder jemand anderes die Polizei informiert hat und was er über den Inhalt des Sattelaufliegers wusste. Die Zugmaschine war aus Irland gekommen, der Auflieger kam über den belgischen Hafen Zeebrugge nach England - per Schiff wurde er von Belgien in den Hafen Purfleet gebracht. Die Zugmaschine transportierte ihn dann in ein Industriegebiet in Grays östlich von London. Wann und wo die Menschen in den Lkw gelangten, ist derzeit völlig unklar.
Alle 39 in dem Lastwagen-Anhänger entdeckten Leichen werden in einem Krankenhaus in Chelmsford obduziert. Die ersten elf Toten wurden am Donnerstagabend - begleitet von einer Polizeieskorte - in die Einrichtung gebracht. Die Obduktionen sollten noch am Freitag beginnen.
"Ich sterbe, ich kann nicht atmen"
Die Identität der Opfer ist noch immer unklar. Bei der britischen BBC meldeten sich am Freitag Familien aus Vietnam, die Verwandte unter den Toten vermuten. Mindestens sechs Vietnamesen könnten unter den Opfern sein, berichtete der Sender. Die BBC zeigte Bilder von SMS-Schriftwechseln, mit denen eines der möglichen Opfer nur Stunden vor dem Leichenfund mit seiner Familie in Kontakt getreten war.
Eine vietnamesische Familie bestätigte der BBC nach deren Berichten, dass sie 30 000 Pfund für das Schleusen einer jungen Frau bezahlt habe. "Es tut mir sehr, sehr leid", habe sie an ihre Eltern geschrieben, berichtete die BBC unter Berufung auf Aussagen eines Mannes, der sich als Bruder der Frau vorstellte. "Meine Schwester ist seit 23. Oktober vermisst", sagte der Mann. Sie habe geschrieben: "Ich sterbe, ich kann nicht atmen."
Die britische Polizei hatte erklärt, die Opfer stammten allesamt aus China. Die stellvertretende Polizeichefin in Essex, Pippa Mills, sagte am Freitagabend, hinsichtlich der Nationalitäten sei "das Bild in Entwicklung". Sie forderte Familien, die Anlass zur Vermutung haben, dass ihre Verwandten unter den Opfern seien, auf, sich bei der Polizei zu melden und versicherte, sie würden nicht strafrechtlich verfolgt.
Experten rechnen mit sehr langen Untersuchungen nach dem grausigen Fund. Die formelle Identifizierung werden den Obduktionen folgen, teilte die Polizei am Freitag weiter mit. "Das wird ein langer aber entscheidender Teil dieser Untersuchung", hieß es. Auch die belgischen Behörden ermitteln.
Todesursache: Womöglich erfrieren
Die Leichen waren in der Nacht zum Mittwoch im Laderaum des Lastwagens im Ort Grays entdeckt worden. Die Umstände deuten stark darauf hin, dass es sich bei den Opfern um ins Land geschleuste Migranten handelt. Möglicherweise sind die Menschen im Laderaum erfroren, da der große Lkw-Sattelauflieger zur Kühlung geeignet ist. Offiziell bestätigt wurde die Todesursache zunächst nicht.
Der Chef des Hafens in Zeebrugge, Joachim Coens, sagte dem belgischen Fernsehsender VRT, es sei "höchst unwahrscheinlich", dass die Menschen in Belgien in den Anhänger gestiegen seien. "Ein Kühlcontainer kommt hier vollständig versiegelt an. Bei der Inspektion wird die Dichtung überprüft und auch das Nummernschild und der Fahrer wird mit Kameras überprüft", sagte Coens. Anschließend werde die Fracht auf ein Schiff verladen. (best/dpa)
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