Eine innige Beziehung - oder eine Beziehung geprägt von Angst? Um diese Frage drehte sich zuletzt der Prozess gegen Oscar Pistorius. Am Dienstag beendete die Staatsanwaltschaft die Befragung der Belastungszeugen, ab Freitag beginnt dann die Verteidigung mit der Beweisaufnahme. Doch schon jetzt wiegen die Argumente der Anklage schwer. Eine Zusammenfassung des bisherigen Prozessverlaufs.
Was geschah in der Nacht auf den 14. Februar 2013 im Haus von
Seit dem 3. März 2014 versucht das Gericht in Pretoria diese Fragen zu klären. Eigentlich sollte der Prozess nur bis Ende dieser Woche gehen, wurde nun aber wegen der langwierigen Beweisaufnahme bis Mitte Mai verlängert. Bislang kamen nur Zeugen der Staatsanwaltschaft zu Wort, die den Sprinter zum Teil schwer belasteten. Ab Freitag wird die Verteidigung eigene Zeugen präsentieren, aller Voraussicht nach wird auch Pistorius vor Gericht aussagen und seine Sicht der Dinge schildern.
Reeva Steenkamp zu Oscar Pistorius: "Ich habe Angst vor dir"
Pistorius und seine Verteidiger hatten die Beziehung zu Steenkamp stets als liebevoll und harmonisch dargestellt, doch zuletzt kamen Zweifel an dieser Version auf. Am Anfang dieser Woche wurden im Prozess Textnachrichten vorgelesen, die einen anderen Schluss zulassen.
In einer WhatsApp-Nachricht knapp zwei Wochen vor ihrem Tod schrieb Steenkamp an Pistorius: "Ich habe manchmal Angst vor dir und wie du mich anblaffst und wie du auf mich reagierst." Zudem habe sie sich in ihren Nachrichten darüber beklagt, dass der Sportler ihr gegenüber häufig die Beherrschung verloren habe und ausfallend gewesen sei. Das sagte ein Mobilfunk-Experte der Polizei vor Gericht aus.
Allerdings sagte der Experte auch aus, dass 90 Prozent der Nachrichten liebevoll gewesen seien. Ein stichhaltiges Tatmotiv konnte die Anklage damit also nicht liefern.
Gab es am Tatabend Streit zwischen Pistorius und Steenkamp?
Anders sieht das bei der Frage aus, ob Pistorius am Tatabend, dem 13. Februar 2013, einen Streit mit seiner Freundin hatte. Das ist eine der Schlüsselfragen des Prozesses. Pistorius hatte dies stets verneint.
Dieser Version haben mittlerweile mehrere Zeugen der Anklage widersprochen. So sagte bereits an einem der ersten Tage eine Nachbarin aus, sie habe in der Tatnacht zunächst Schreie eines Mannes, dann einer Frau und danach Schüsse gehört. "Sie schrie furchtbar und rief um Hilfe", berichtete die Zeugin. Zwischen den Schüssen habe es eine längere Pause gegeben.
Am Tag darauf berichtete auch eine andere Nachbarin sowie deren Mann von einem lautstarken Streit im Pistorius-Haus vor den Schüssen. Auch nach einem Kreuzverhör durch den Verteidiger blieben die Zeugen bei ihren Aussagen. Sein Versuch, die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Zweifel zu ziehen, blieb ebenfalls ohne Erfolg.
Wusste Oscar Pistorius, wer im Badezimmer war?
Die Anklage steht und fällt mit der Frage, ob Pistorius wusste, dass Steenkamp im Bad war. Auch hier wurde Pistorius im Verlauf des Prozesses belastet. So wurde in der zweiten Woche die Toilettentür, durch die Steenkamp erschossen wurde, im Gerichtssaal als Beweismittel präsentiert. Ein Forensikexperte sagte aus, dass es einen eindeutigen Beweise dafür gebe, dass "ein Cricketschläger benutzt wurde, um die Tür aufzubrechen". Die Frage ist nur, ob dies vor oder nach den Schüssen geschah.
Laut Staatsanwaltschaft hatte Pistorius zuerst versucht, mit Hilfe eines Cricketschlägers die Tür zur Toilette aufzubrechen, um zu Steenkamp zu gelangen. Als dies nicht gelang, habe er geschossen. Pistorius sagt dagegen, er habe einen Einbrecher in der Toilette vermutet und deswegen durch die Tür geschossen. Erst als er bemerkt habe, dass sich seine Freundin in der Toilette befand, habe er versucht, die Tür mit dem Schläger aufzubrechen. Zuvor habe er in seinem Zimmer seine Beinprothesen angelegt.
Und genau dies ist der Knackpunkt. Dem Forensiker zufolge deutete die Höhe der Spuren an der Tür darauf hin, dass der beinamputierte Sportler keine Prothesen anhaben konnte, als er versuchte, mit dem Schläger die Tür aufzubrechen. Das widerspricht der Aussage von Pistorius.
Was spricht in dem Prozess für Oscar Pistorius?
In den letzten Prozesstagen hat die Anklage kurz vor Abschluss ihrer Beweisaufnahme den Vorwurf der vorsätzlichen Tötung noch einmal unterstrichen. Eine weitere Nachbarin sagte aus, sie habe in der Tatnacht erst Schüsse und dann Schreie einer Frau gehört, anschließend seien weitere Schüsse gefallen. "Ich hörte drei, die sich für mich wie Gewehrschüsse anhörten", sagte sie. "Nur Augenblicke nach den Schüssen hörte ich eine Frau schreien. Panisches, panisches Schreien." Mit ihrer Aussage stützte die Zeugin die Version früherer Zeugen, die erst Schreie, dann einen Schuss, gefolgt von Angstschreien einer Frau und drei weiteren Schüssen gehört hatten.
Diese Version der Tatnacht unterstützte auch ein Waffenexperte der Polizei. Demnach erlebte Steenkamp ihr eigenes Sterben noch bewusst mit, denn erst der letzte der vier Schüsse habe die tödliche Verletzung hervorgerufen. Nach diesem Szenario hätte die 29-Jährige noch Zeit gehabt, zu schreien - Pistorius hätte somit wissen können, wer hinter der geschlossenen Toilettentür war.
Nach dem bisherigen Prozessverlauf spricht nicht viel für Oscar Pistorius - auch wenn der Verteidiger am bisher letzten Prozesstag am Dienstag noch einmal mit Hilfe von Textnachrichten darauf hinwies, dass die Beziehung zwischen Steenkamp und Pistorius sehr liebevoll gewesen sei. Zudem wurden die Telefonate von Pistorius kurz nach der Tat nachgezeichnet. Daraus geht hervor, dass er selbst den Notarzt rief. Einige Zeugen, die kurz nach den tödlichen Schüssen am Tatort waren, hatten zuvor bereits beschrieben, wie erschüttert Pistorius über den Tod von Steenkamp gewesen sei. Das deutet vielleicht darauf hin, dass es tatsächlich ein schrecklicher Unfall und kein Mord gewesen sein könnte.
Bis diese Frage vom Gericht endgültig geklärt wird - wenn überhaupt -, vergehen noch einige Wochen. Aktuell ist der Prozess ausgesetzt, die Verhandlungspause soll es den Verteidigern ermöglichen, zusätzliche Zeugen aufzurufen. Am Freitag soll es damit weitergehen.
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