Im Mordprozess gegen Oscar Pistorius versucht die Verteidigung die Glaubwürdigkeit ihres Mandanten zu belegen. Eine Expertin äußert Zweifel am offiziellen Autopsiebericht über die getötete Reeva Steenkamp. Außerdem ist die Sozialarbeiterin, die den Sprintstar betreut, von dessen aufrichtiger Trauer um seine Freundin überzeugt: "Ich sah einen Mann, dessen Herz gebrochen war. Er weinte einen Großteil der Zeit."

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Wann hat Reeva Steenkamp das letzte Mal gegessen? Um diese Frage geht es im wesentlichen an diesem Prozesstag. Der genaue Zeitpunkt ist möglicherweise entscheidend dafür, ob der von Oscar Pistorius geschilderte Ablauf der Tatnacht stimmig ist oder nicht.

Dazu wurde Professorin Christina Lundgren vor dem südafrikanischen Gericht befragt. Sie ist zwar keine Pathologin, sondern Anästhesistin, aber in ihrer Fachdisziplin muss sie auch die Nahrungsaufnahme ihrer Patienten berücksichtigen. Die Expertin führt aus, warum es so schwierig sei zu bestimmen, wie lange Lebensmittel im Magen bleiben. Das Essen selbst spiele eine Rolle, ebenso Angst, Stress oder psychische Krankheiten. Auch Alkohol, Tabak und Medikamente können Art und Umfang des Mageninhalts beeinflussen.

Die entscheidende Frage: Stimmt die Aussage von Pistorius?

An einem früheren Verhandlungstag hatte der Pathologe Gert Saayman ausgesagt, dass er Essensreste im Magen der Toten gefunden habe. Er behauptete, dass Steenkamp noch zwei Stunden vor ihrem Tod gegessen habe. Das steht im Widerspruch zu der Version von Pistorius, dass seine Freundin und er mehr als fünf Stunden vor dem nächtlichen Drama friedlich eingeschlafen seien.

Auf Saaymans Autopsiebericht stützt sich Ankläger Gerrie Nel, während er die Zeugin in die Zange nimmt. Der Staatsanwalt mit dem Spitznamen "Pitbull" versucht, Lundgren zu einer eindeutigen Aussage zu bewegen. Doch die Anästhesistin beharrt darauf, dass jede Analyse spekulativ sei. Auch acht Stunden nach der letzten Mahlzeit könne noch Essen im Magen bleiben. Niemand könne sagen, wann Steenkamp zuletzt gegessen habe. Trotzdem weigert sie sich, den offiziellen Bericht als falsch zu bezeichnen.

Die zweite Zeugin Yvette van Schalkwyk ist eine Sozialarbeiterin, die sich seit der Tatnacht um Oscar Pistorius kümmert. Die Zeugin will den Medienberichten entgegen treten, dass die Trauer des Sprintstars nur vorgetäuscht sei. "Ich sah einen Mann, dessen Herz gebrochen war. Er weinte einen Großteil der Zeit", beschreibt sie den Zustand des Athleten. "In der Zelle hat sich Pistorius zwei Mal übergeben. Nach den Gerichtsverhandlungen hat er geweint."

Staatsanwalt Nel: Bemitleidet sich Pistorius selbst?

Pistorius sei aber nicht suizidal. Auch bei dieser Zeugin macht "Pitbull" Nel seinem Spitznamen alle Ehre. "Sie haben ihn getroffen, als er in Haft war. Hat er sich selbst bemitleidet?", fragt er die Sozialarbeiterin. Van Schalkwyk antwortet: "Er vermisste Reeva, später sagte er, dass er sie erschossen hatte." Er hätte ihr gesagt, dass es ihm leid tue.

Der Staatsanwalt versucht, Pistorius als selbstsüchtig darzustellen: "Es gibt einen großen Unterschied zwischen 'Der Verlust tut mir Leid' und 'Es tut mit Leid, was ich getan habe'. Sehen Sie? Es geht nur um Pistorius." Außerdem fragt er van Schalkwyk, ob sie Pistorius bemitleide. Sie entgegnet, dass sie lediglich empathisch sei.

Am Nachmittag wird noch ein weiterer Zeuge aufgerufen: Der Ballistik-Experte Thomas Wolmarans. Er gibt seine Einschätzung über die Richtung der Monitionskugeln ab. Die Reihenfolge der Schüsse und die Position von Steenkamps Körper hinter der Tür lasse sich nach seiner Meinung nicht genau bestimmen.

An den vergangenen beiden Verhandlungstagen hatten Zeugen die Version der Verteidigung gestützt, dass die tödlichen Schüsse auf Reeva Steenkamp am Valentinstag 2013 ein Unfall gewesen seien. Nachbarn bestätigten, dass sie keine Frauenschreie gehört hätten. Außerdem könnten die von den Zeugen gehörten panischen Rufe eines Mannes ein Indiz für Pistorius' Verzweiflung über die Verwechslung von Steenkamp mit einem Einbrecher sein.

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