Nach einigen Versäumnissen der Ermittler im Missbrauchsfall Lügde äußert der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul scharfe Kritik an der Polizei.

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Im Fall des massenhaften sexuellen Kindesmissbrauchs auf einem Campingplatz im nordrhein-westfälischen Lügde sieht der Düsseldorfer Innenminister Herbert Reul (CDU) bei der Polizei "Nachholbedarf in Sachen Fehlerkultur".

Notwendig sei ein "offener Umgang mit dem, was schiefläuft", sagte Reul dem "Spiegel" laut Vorabmeldung vom Freitag. In dem Missbrauchsfall waren in den vergangenen Monaten wiederholt Versäumnisse von Ermittlern bekannt geworden.

Mindestens 40 Kinder missbraucht

Auf dem Campingplatz von Lügde sollen über Jahre hinweg mindestens 40 Kinder sexuell missbraucht worden sein, die meisten waren zur Tatzeit zwischen drei und 14 Jahre alt. In dem Fall gibt es neben einem mutmaßlichen Haupttäter und zwei weiteren Hauptverdächtigen derzeit noch vier weitere Beschuldigte.

Mit Blick auf den Campingplatz sagte Reul: "Das ist ein großes Gelände, wir werden es uns weiter genau ansehen und die Menschen dort befragen." Es sei "nicht ausgeschlossen, dass es da noch einen Fall gibt, ein Opfer, das sich noch nicht gemeldet hat." Ebenfalls nicht ausgeschlossen sei, dass der als Hauptbeschuldigter geltende Dauercamper auf dem Gelände andere Verstecke gehabt habe.

Weitere Datenträger tauchten auf

Beim Abriss der Behausung des mutmaßlichen Haupttäters waren zuletzt weitere Datenträger und darüber hinaus ein Geräteverschlag entdeckt worden, der dem Dauercamper zuvor nicht zugeordnet worden war. "Das hat mich geärgert, der hätte den Beamten auffallen müssen", sagte Reul dem "Spiegel". Es gehe nun darum, Vertrauen zurückzugewinnen.

Nach dem Fund weiterer Datenträger beim Abriss der Baracke des mutmaßlichen Kinderschänders hatte die Düsseldorfer SPD-Landtagsfraktion am 13. April den sofortigen Rücktritt von Reul gefordert.

Die im Fall Lügde ermittelnde Staatsanwaltschaft Detmold hatte allerdings bereits am 17. April mitgeteilt, dass sie sämtliche Funde im Zusammenhang mit den Abrissarbeiten auf dem Campingplatz als "nicht beweiserheblich" für das Verfahren einstuft. "Die letzten Funde überwiegend veralteter Datenträger ungeklärter Herkunft besitzen keinerlei Relevanz und haben das Ermittlungsverfahren auch in keiner Weise gefördert", hieß es damals in einer Mitteilung der Behörde.

Reul gesteht Fehler ein

Es sei "auch nicht ersichtlich, in welcher Weise weitere in den bereits durchsuchten und freigegebenen Arealen auf dem Campingplatz aufgefundene Gegenstände die Beweisführung in dem Verfahren beeinflussen sollten", erklärte die Behörde weiter. "Deshalb wird die Polizei in Bezug auf das Missbrauchsverfahren keine weiteren Ermittlungen auf dem Campingplatz zu den zuletzt aufgefundenen Videokassetten und sonstigen Datenträgern sowie zum festgestellten Geräteverschlag des Hauptbeschuldigten durchführen."

Reul gestand derweil laut "Spiegel" auch mögliche eigene Fehler bei der Aufarbeitung des Missbrauchsfalls ein. Weil die zunächst zuständige Polizeibehörde Lippe mit den Ermittlungen offenbar überfordert war, übertrug das Ministerium Ende Januar die Lügde-Ermittlungen der Polizei Bielefeld. "Mit dem Wissen von heute würde man den Fall schneller übergeben", sagte Reul. (awa/afp)

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