Seit mehreren Monaten läuft in Dortmund ein Prozess gegen Polizisten, die an einem tödlich verlaufenen Einsatz mit einem jungen Flüchtling beteiligt waren. Jetzt äußert sich der Schütze im Interview.

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Ein Polizist, der zurzeit wegen tödlicher Schüsse auf einen Flüchtling vor dem Landgericht Dortmund steht, hat sich ausführlich in einem "Spiegel"-Interview geäußert. Der 30-Jährige, der wegen Totschlags angeklagt ist, sagte: "Scheiße, dass es so gekommen ist."

In einer Aussage vor Gericht hatte der suspendierte Beamte Ende Mai sein Bedauern ausgedrückt und der Familie des Opfers sein Mitgefühl ausgesprochen. Der 30-Jährige soll 2022 im Innenhof einer Jugendhilfeeinrichtung aus einer Maschinenpistole auf den Flüchtling Mouhamed Dramé geschossen haben. Angeklagt sind auch der Einsatzleiter, zwei Polizistinnen und ein weiterer Polizist.

Für einen Warnschuss sei keine Zeit gewesen

Vor Gericht hatte der 30-Jährige ausgesagt, die Schüsse seien gefallen, weil der 16-jährige Senegalese in hohem Tempo mit einem Messer in der Hand auf die Polizisten zugelaufen sei. Für einen Warnschuss sei keine Zeit gewesen. Zuvor hatte der Flüchtling mit einem Messer auf sich selbst gerichtet in einem Innenhof einer Jugendhilfeeinrichtung gehockt. Mit dem Einsatz von Pfefferspray hatten zwei Polizisten versucht, ihn zu entwaffnen. Das Landgericht Dortmund muss klären, warum die zunächst als Suizidversuch eingeschätzte Lage eskalierte.

In dem "Spiegel"-Interview sagte der 30-Jährige, er habe die Schussverletzungen zunächst nicht für lebensgefährlich gehalten. Deshalb sei der 16-Jährige anschließend noch fixiert worden. "Auch wenn das hart klingen mag: Weil jemand angeschossen wurde, heißt das nicht, dass er handlungsunfähig ist", so der Polizist. "Das Leben ist kein Film, bei dem ein Mensch von einer Kugel getroffen wird und sofort reglos liegen bleibt."

Angeklagter: "Es hieß, ich sei ein Mörder"

Später habe er erfahren, dass der 16-Jährige im Krankenhaus gestorben sei. "Das war unwirklich, man sitzt da und kann das gar nicht glauben." Er sei aber davon überzeugt, dass er in der Situation nicht anders habe handeln können. "Ich will mir nicht vorstellen, dass ein Kollege verletzt oder getötet worden wäre, der sich darauf verlässt, dass ich ihn absichere. Das hätte ich mir niemals verziehen."

Am Tag nach den Schüssen habe es vor der Polizeiwache eine Demonstration gegeben. "Es hieß, ich sei ein Mörder und ein Rassist. Das tat weh." Er könne nicht abschätzen, ob er persönlich als Feindbild gesehen werde oder ob damit eher die Institution Polizei gemeint sei. "Bei mir überschnitten sich dabei die Gefühle: Mir tat es weh, gleichzeitig wurde ich zornig. Nichts war bekannt - und schon wurde es politisch ausgeschlachtet. In Anbetracht der Tatsache, dass ein Mensch gestorben war, fand ich das sehr schwierig."  © dpa

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