Biografien hochrangiger Politiker füllen die Regale der Buchhandlungen und erscheinen am laufenden Band. Eher selten erregt ein Werk schon vorab so viel Aufmerksamkeit wie "Sebastian Kurz – Die offizielle Biografie". Die Gründe sind allerdings ganz und gar nicht politischer Natur.
Dieses Buch sorgt schon vor der Veröffentlichung für Wirbel – und vor allem für Spott. Am 11. September erscheint im Finanzbuchverlag München "
Laut Verlag ist deren Schwerpunkt Enthüllungsjournalismus – doch es sind weder finstere politische Machenschaften noch skandalträchtige Ereignisse aus Kurz' Leben, die in dem Buch aufgedeckt werden und vorab für Aufsehen sorgen.
Vielmehr ist es der Schreibstil, mit dem sich die Journalistin dem Politiker nähert und dessen Leben nacherzählt. Viele Leser dürften sich bei den Zeilen (eine Leseprobe stellt der Verlag hier vorab zur Verfügung) eher an einen kitschigen Liebesroman als an eine Biografie eines ranghohen Politikers erinnert fühlen. Journalistische Distanz? Fehlanzeige.
Sebastian Kurz: Biografie oder kitschiger Liebesroman?
Schon im Vorwort, in dem Grothmann das erste Treffen mit Kurz – zu diesem Zeitpunk Außenminister Österreichs – beschreibt, zeigt sich, wie groß ihre Verehrung für den Politiker sein muss: "Oben angekommen, mussten wir zunächst zwei Sicherheitstüren durchqueren, bevor wir in einem schmalen, endlos langen und mehrere Meter hohen, weißen Korridor standen. Dieser Korridor war voller Türen. An einer dieser Türen lehnte ein Mann im dunkelgrauen Anzug, der nachdenklich mit seinem Zeigefinger über seine Lippe strich." Doch halt! Das war ja erst die Begegnung mit dem Pressesprecher.
Als Sebastian Kurz höchstpersönlich auftaucht, ist Grothmann ganz aus dem Häuschen: "Und so sah auch ich zur Tür hinüber. […] Zunächst erblickte ich nur eine Silhouette. 'Ist er es wirklich?', dachte ich mir. Ich sah lediglich einen Teil eines Kopfes, doch der kam mir bekannt vor. Diese dunkelbraunen Haare, die streng nach hinten gekämmt waren, und die kleine, spitze Nase, die aus seinem Gesicht hervorlachte." Schöner hat noch keine Disney-Prinzessin ihren Prinzen zum ersten Mal erblickt.
Die Reaktionen in den sozialen Medien, vor allem auf Twitter, sind dementsprechend. Unter dem Hashtag #50ShadesOfKurz – angelehnt an die schwülstig erzählten Softporno-Romane "Fifty Shades of Grey" – finden sich Beiträge, die Grothmanns Schreibstil persiflieren:
Das Highlight des Jahres 1986: Kurz' Geburt
Nachdem Grothmann im Vorwort auf acht Seiten über sich und ihre Begegnung mit Sebastian Kurz berichtet – obwohl sie ja eigentlich "nicht gerne" über sich selbst spricht, "denn als Journalist ist man zur Bescheidenheit erzogen" – geht es in Kapitel 1 mit blumigen Worten weiter.
Kurz' Geburtsjahr 1986 war "ein Jahr, in dem auch international sehr viel geschah. [...] ein durchaus bewegtes Jahr mit vielen unterschiedlichen Höhen und Tiefen in der Politik, der Kultur und der Wirtschaft."
Doch der Höhepunkt im August: "Und dieses spannende Jahr war erst acht Monate alt, als Sebastian Kurz in Wien geboren wurde."
Die Eltern Elisabeth und Josef lebten in der Nähe der Politischen Akademie der Volkspartei in der Tivoligasse: "Sebastians Eltern kamen fast täglich mit ihrem Sohn an dieser Kaderschmiede für die Bildungsarbeit im Bereich der politischen Parteien und der Publizistik vorbei, vor allem, wenn sie mit dem Kinderwagen zum Hintereingang des prunkvollen Schlosses Schönbrunn gingen."
Sebastian Kurz: "Baby auf der Überholspur"
War es diese frühe räumliche Nähe zur Politik, die aus dem kleinen Sebastian ein "Baby [...] auf der Überholspur" machte? Wer weiß das schon. Sicher ist, laut Grothmann, dass "Sebastian Kurz [...] in seiner Entwicklung anderen Kindern um Längen voraus [war]. Während die meisten Babys mit zwölf bis 18 Monaten das Laufen erlernen, konnte Sebastian Kurz bereits mit zehn Monaten gehen und ab dann auch ständig in der Wohnung herumlaufen, wodurch er die ständige Aufmerksamkeit seiner Eltern forderte. Aber damit noch nicht genug: Die ersten kompletten Sätze sprach der kleine Sebastian Kurz bereits mit einem Jahr und stellte damit viele andere Kinder in den Schatten. Es waren keine Sprechversuche die er machte, sondern er sprach bereits ganze Sätze."
An dieser Stelle ist die Leseprobe leider zu Ende – doch zum Glück sind es ja nur noch wenige Tage, bis der geneigte Leser erfahren kann, welches Kuscheltier der kleine Sebastian bevorzugte – und ob und wie es mit der Journalistin und dem "liebenswürdigen Schlingel" weiterging. (dh)
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