Immer neue Details, durchgesteckt von Ermittlern an Boulevardmedien - Strafverteidiger haben das Verhalten der Polizei und der Medien im Fall der verschwunden Rebecca harsch kritisiert. Es handele sich um eine "Treibjagd im Live-Tickermodus".
Im Fall der vermissten 15-jährigen Rebecca aus Berlin haben Strafverteidiger das Vorgehen von Ermittlern und Medien kritisiert.
Die Darstellungen untergrüben die Unvoreingenommenheit und Fairness gegenüber einem Verdächtigen, dem Schwager der Jugendlichen, "in der frühesten Phase des Verfahrens", erklärte die Vereinigung Berliner Strafverteidiger am Donnerstag.
Man fordere von der Presse, die Vorverurteilung einzustellen. Zudem sei es auch an der Staatsanwaltschaft, "dem rechtswidrigen Treiben von mindestens Teilen der Ermittler entgegenzutreten". Diese korrumpierten mit der Weitergabe von Informationen an Medien "die Verfahrensfairness möglicherweise irreparabel".
Die Stellungnahme im Wortlaut
Das Vorstandsmitglied, Frau Rechtsanwältin Cäcilia Rennert kritisiert im Namen der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e. V. die Berichterstattung im Fall Rebecca R. ebenso auf das Schärfste wie die Bereitschaft von Ermittlern, die Presse mit aus ihrer Sicht belastenden Details zu füttern.
Wir fordern die Presse auf, die mediale Vorverurteilung des Tatverdächtigen im Fall des verschwundenen Mädchens genauso einzustellen wie wir die Strafverfolgungsbehörden auffordern, die Durchstechereien nicht nur zu stoppen, sondern aktiv dem Eindruck entgegenzuwirken, das mediale Treiben sei für sie tolerabel.
Die aktuelle Berichterstattung, insbesondere in BILD, B. Z., aber nicht mehr nur in den Boulevardmedien tritt die Unschuldsvermutung des Verdächtigen mit Füßen und imponiert als Treibjagd im Live-Tickermodus. Darstellungen, die sich darüber hinaus im Ringen nach Sensationseffekten in Spekulationen ergehen und überbieten, untergraben in der frühesten Phase des Verfahrens bewusst das, was der Rechtsstaat um seiner selbst willen garantieren will und soll: Unvoreingenommenheit und Fairness gegenüber einem Verdächtigten.
Es ist auch an der Staatsanwaltschaft, die nach unserer Einschätzung keine Quelle derartiger Berichterstattung ist, dem rechtswidrigen Treiben von mindestens Teilen der Ermittler entgegenzutreten. Diese korrumpieren im Umgang mit der Presse die Verfahrensfairness möglicherweise irreparabel. Die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren mahnen hierzu aus gutem Grund in RiStBV Nr. 23 an, dass die Unterrichtung von Medien durch die Ermittler weder den Untersuchungszweck gefährden noch dem Ergebnis der Hauptverhandlung vorgreifen dürfe und der Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren nicht beeinträchtigt werden darf.
Diese in den Normappell gekleidete zivilisatorische Errungenschaft wird von manchen Medien sowie Teilen der Ermittler gegenwärtig auf dem Altar sich aufschaukelnder Sensationslust geopfert. Und zwar auch um den Preis, die Fairness des Verfahrens irreparabel zu beschädigen. Es ist an der Zeit und für alle dem Rechtsstaat professionell Verpflichteten geboten, diesem Treiben gemeinsam und deutlich entgegenzutreten.
Rebeccas Schwager unter Verdacht
Im Fall der seit dem 18. Februar vermissten Rebecca war der Schwager am Montag zum zweiten Mal festgenommen worden. Er sitzt inzwischen in Untersuchungshaft und wird verdächtigt, die Jugendliche getötet zu haben. Eine Leiche ist bisher aber nicht gefunden worden.
Am Donnerstag hat die Berliner Polizei eine große Suchaktion in Brandenburg begonnen. Mit einer Hundertschaft Polizisten, Suchhunden und einem Hubschrauber wurde am Donnerstag ein Waldgebiet westlich von Kummersdorf, nahe dem Ort Storkow 50 Kilometer südöstlich von Berlin, durchkämmt. "Wir gehen dort einem Hinweis nach", sagte ein Sprecher. Welcher Art der Hinweis war, wollte die Polizei nicht verraten.
Suche nach Rebecca: Leichenspürhunde im Einsatz
Rund 90 Berliner Polizisten suchten seit 11:00 Uhr in dem Kiefern- und Laubwald südlich der Straße zwischen Kummersdorf und dem Nachbardorf Wolzig. Sie waren mit langen Stöcken und zum Teil mit Schaufeln ausgerüstet.
Die Polizei setzte auch drei Leichenspürhunde und einen Personensuchhund ein. Unterstützt wurde die Suche von einem Hubschrauber. Dabei waren auch Ermittler der Mordkommission und Kriminaltechniker.
Die Suche soll bei Einbruch der Dunkelheit beendet werden. Bis ungefähr 18:00 Uhr werde die Aktion dauern, sagte eine Sprecherin der Berliner Polizei am Donnerstag. Zu Ergebnissen wurde zunächst nichts bekannt. Ob die Suche in dem Wald am Freitag fortgesetzt wird, stand zunächst nicht fest.
150 neue Hinweise nach "Aktenzeichen XY"
Nach der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" am Mittwochabend gingen bis Donnerstag mehr als 150 neue Hinweise bei der Mordkommission ein. Die Polizei hatte gefragt, wer das auffällige Auto des verdächtigen Schwagers in Brandenburg gesehen hat.
Die Polizei geht davon aus, dass die am 18. Februar verschwundene 15-Jährige getötet wurde. Über die Hinweise von Zeugen hofft die Polizei, die Leiche des Mädchens zu finden. (hub/dpa) © dpa
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