In der Türkei gibt es Schätzungen zufolge rund vier Millionen Straßenhunde. Nun möchte man mit einem umstrittenen Gesetz gegen die Tiere vorgehen. Wie die Situation in anderen Ländern gehandelt wird.

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In der Türkei sollen streunende Hunde nun eingefangen und in bestimmten Fällen - wie Krankheit oder Aggression - eingeschläfert werden. Die Regierung argumentiert unter anderem damit, dass Menschen immer wieder von Straßenhunden gebissen werden.

Doch Aktivisten laufen Sturm gegen das neue Gesetz, auch weil den Millionen Straßenhunden bislang nur rund 100.000 Tierheimplätze gegenüberstehen. Schon jetzt leben Heimtiere oft unter erbärmlichen Bedingungen. Tierschützer fürchten in der Praxis deshalb eine Massentötung.

Straßenhund in der Türkei
Trotz heftiger Proteste hat das türkische Parlament eine Gesetzesänderung beschlossen, mit der die Tötung von Straßenhunden in bestimmten Fällen ermöglicht wird. © dpa / Tunahan Turhan/SOPA Images/ZUMA Press Wire

Sie wollen an der alten Regelung festhalten: einfangen, kastrieren, impfen und wieder in das Herkunftsgebiet aussetzen - das gilt bei konsequenter Umsetzung als bewährte Methode, um die Straßentierpopulation zu senken. Wie gehen andere Länder in Europa mit herrenlosen Tieren um?

DEUTSCHLAND

Deutschland hat nach Einschätzung des Deutschen Tierschutzbundes grundsätzlich eine gute Infrastruktur an Heimen, die sich um Tiere in Not kümmern und deshalb kein Problem mit Straßenhunden. Doch die Einrichtungen sind überlastet, viele haben einen Aufnahmestopp erlassen. Vor allem nach der Corona-Pandemie hat sich die Lage zugespitzt.

Im Gegensatz zu anderen Ländern lehnt Deutschland Euthanasie von Tieren strikt ab, sie dürfen laut Tierschutzbund nur im Einzelfall eingeschläfert werden. Etwa dann, wenn sie unheilbar krank sind, um weiteres Leiden zu vermeiden. Die Entscheidung darüber müsse eine Ethikkommission treffen.

GRIECHENLAND

In Griechenland ist seit 2021 ein strenges Tierschutzgesetz in Kraft - so sind Halter unter anderem verpflichtet, ihre Tiere registrieren und kastrieren zu lassen. Die Zahl der herrenlosen Tiere bleibt jedoch trotz Gesetzen und des verzweifelten Einsatzes von Tierschutzorganisationen hoch: Weit über drei Millionen streunende Katzen und Hunde soll es in Griechenland geben, genaue Zahlen liegen nicht vor.

Bei den Hunden gibt es vor allem in bergigen, unbewohnten Regionen des Landes ein Problem: Dort streunen Erhebungen zufolge rund 70.000 herrenlose Schafhütehunde umher, die von Schäfern ausgesetzt oder verlassen wurden. Die großen Tiere werden in Rudeln auch zur Gefahr für Mensch und Nutztiere.

Getötet werden dürfen gesunde Hunde und Katzen in Griechenland nicht, weder vom Staat noch von Ärzten oder gar Privatleuten. Stattdessen hat der Staat im vergangenen Jahr ein Programm in Höhe von 15 Millionen Euro aufgelegt, das Gemeinden dabei unterstützen soll, streunende Tiere kastrieren zu lassen.

GROßBRITANNIEN

Euthanasie von streunenden Hunden ist nach einer Verwahrfrist von sieben Tagen grundsätzlich erlaubt, in der Praxis wird dies aber oft nur angewandt, wenn das Tier unheilbar krank oder aggressiv ist. Die lokale Behörde fängt das Tier ein und versucht, den Halter zu ermitteln. Findet sich niemand, wird es meist in ein Heim abgegeben, dort ist das Ziel die Wiedervermittlung. Ob das Tier bei Nicht-Vermittlung eingeschläfert wird, liegt in der Initiative der Einrichtung. Viele Heime haben eine "no kill"-Regelung.

FRANKREICH

Auch in Frankreich liegt die letztliche Entscheidung über das Schicksal des Tieres in der Verantwortung der Heime. Streunende Katzen und Hunde werden im Auftrag der Kommunen von Tierheimen eingefangen und gehen binnen acht Tagen in deren Eigentum über, wenn sich kein Besitzer findet. Ein Veterinär kann auch das Einschläfern wegen Krankheit, Gefährlichkeit oder anderen Gründen anordnen. Tierschutzorganisationen zufolge passiert das in der Praxis bei schwer vermittelbaren und problematischen Tieren.

Tierische "Sammlung": Chinesische Tierschützerin gibt mehr als 1.300 Straßenhunden ein Zuhause

Sie sammelt Hunde wie andere Leute Briefmarken: Seit sie vor rund 20 Jahren ihren ersten Streuner von der Straße aufgesammelt hat, hat Wen Junghong aus der südwestchinesischen Metropole Chongqing mehr als 1.300 Hunde bei sich aufgenommen. © ProSiebenSat.1

SPANIEN

Das Urlaubsland liegt bei der Zahl der jährlich ausgesetzten Hunde im internationalen Vergleich weit vorn. 2022 wurden rund 170.000 Hunde verstoßen oder gingen verloren. Als häufigsten Grund nennt die Stiftung Affinity ungewollten Nachwuchs. Dennoch sind herrenlose Hunde selten anzutreffen und gelten deshalb auch nicht als Problem. Sie werden von entsprechenden Diensten meist schnell in Tierheime gebracht, wo man hofft, sie neuen Haltern vermitteln zu können. Das klappt aber nur bedingt, sodass die landesweit rund 1.500 Tierheime oft überfüllt sind, was für die Tiere sehr viel Stress bedeutet.

Die Tötung von Hunden ist nach einem neuen Tierschutzgesetz vom vergangenen September auf Fälle beschränkt, in denen das Tier wegen einer unheilbaren Krankheit übergroßes Leid ertragen muss. Allerdings fallen nur solche Hunde unter den Schutz des Gesetzes, die als Haustiere Begleiter des Menschen sind. Jagdhunde wie der Galgo, der spanische Windhund, sind ausgeschlossen.

ITALIEN

Seit 1991 ist das Töten von Straßenhunden in Italien per Gesetz verboten. Allerdings hat sich in Italien ein System von Tierlagern etabliert, in denen die Zustände laut Tierschützer katastrophal sind. In den sogenannten Hundezwingern (canile) werden die Tiere demnach auf engstem Raum zusammengepfercht, oft unter freiem Himmel, und nur notdürftig versorgt. Nach Angaben von Tierschutzorganisationen sind die Betreiber dabei lediglich auf Profit aus, denn für jedes Tier kassieren sie staatliche Unterstützung.

Nach einer Statistik der Carabinieri wurden im vergangenen Jahr schätzungsweise 50.000 Hunde ausgesetzt – vor allem im Süden und in der Landesmitte in den Urlaubsmonaten Juli und August.

RUMÄNIEN

Das Verfassungsgericht hat in Rumänien 2013 ein Gesetz genehmigt, nach dem die Kommunen eingefangene Hunde lediglich 14 Tage lang in Tierheimen versorgen müssen und sie anschließend einschläfern dürfen. Immer wieder wird - ähnlich wie in der Türkei - berichtet, dass Rudel von Streunerhunden Menschen angreifen.

Rumänien gilt auch als Negativbeispiel für den Umgang mit den Tieren. Zwar dürfen nur Veterinäre die Euthanasie durchführen. Tierschützer berichten aber davon, dass Hunde verhungern, erhängt oder erschlagen werden. In der Praxis ist die Umsetzung des Gesetzes schwer zu kontrollieren und nicht einheitlich im ganzen Land. Zahlen darüber, wie viele Hunde eingeschläfert wurden, gibt es nicht. Gelöst ist das Problem der Straßenhunde in Rumänien nicht. (dpa/tar)

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Ein Videofilmer aus Aktau in Kasachstan hat ein Herz für streunende Tiere: Per Drohne werden Katzen und Hunde mit Futter versorgt.
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