Seit Sonntag wird nach dem Tauchboot "Titan" gesucht, das auf dem Weg zum Wrack der "Titanic" war. Die Suche gestaltet sich schwierig. Experten kritisieren das Mini-U-Boot etwa als "eisernen Sarg", andere loben den Tauchgang als "hochprofessionell".

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Die "Titan" war mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack des berühmten Luxusdampfers "Titanic" im Atlantik. Seit Sonntagvormittag (Ortszeit) wird das Tauchboot vermisst. Schätzungen zufolge dürfte der Sauerstoff nur noch bis Donnerstagmittag (MESZ) reichen. Der Chef der US-Küstenwache im Nordosten der USA, John Mauger, erklärte der BBC am Mittwochnachmittag, dass den Insassen wohl noch in etwa 20 Stunden bleiben würden. Dies sei aber schwierig vorherzusagen, weil man nicht wisse, wie hoch der Sauerstoffverbrauch der Insassen sei. Experten äußern sowohl Lob als auch harsche Kritik an dem Tauchgang. Es gibt große Zweifel daran, dass die Insassen noch lebend geborgen werden können.

Der deutsche Forscher Alex Waibel hat seinen Tauchgang mit dem nun vermissten Tauchboot zum Wrack der "Titanic" vor einem Jahr etwa als hochprofessionelles Unterfangen bezeichnet. "Ich war beeindruckt, wie präzise und akribisch der Ablauf und die Vorbereitung der Betreiber war", sagte der Computerwissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Die Wetter- und Strömungsverhältnisse seien genau untersucht und alle Systeme des Bootes noch ein letztes Mal durchgecheckt worden, bevor das Boot dann in die Tiefe gesunken sei. "Das war vorbildlich."

Er habe damals natürlich auch Angst gehabt, aber die Risiken vorher abgewogen. "Jede Expedition ist mit einem gewissen Risiko verbunden und jeder, der in das Tauchboot einsteigt, kennt die Risiken." Auch störe ihn, wenn solche Expeditionen als Spaß für Superreiche abgetan würden. "Es waren und sind auch jetzt erfahrene Forscher an Bord, deren Erkenntnisse wertvoll für die Forschung sind", sagte der 67-Jährige. Auch er würde wieder mit einem Tauchboot tauchen, wenn es sich ergäbe.

Tauchgang mit "Titan": Kritik an "eisernem Sarg"

Ganz anders äußerte sich der langjährige U-Boot-Fahrer Jürgen Weber. Es handele sich um ein riskantes Gefährt, sagte der Fregattenkapitän a.D. am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. "Das Tauchboot ist nicht klassifiziert, das heißt, es unterliegt keinem Schiffs-Tüv wie in Deutschland und ist nur von außen zu öffnen", sagte der Geschäftsführer vom Verband Deutscher Ubootfahrer (VDU). Um dem enormen Wasserdruck in der Tiefe standzuhalten, verfügt das etwa 10,4 Tonnen schwere Boot über einen 5 Zoll dicken Rumpf aus Kohlefaser, der dem Luft- und Raumfahrtstandard entspricht und mit zwei gewölbten Endkappen aus Titan verstärkt ist. Weber sprach von einem "eisernen Sarg".

Grundsätzlich könne er die "Faszination Tiefe" für Laien schon verstehen. "Aber man sollte sich der Gefahren bewusst sein, die immer lauern", betonte Weber. Er wäre nicht mit der "Titan" mitgefahren.

"Ich steige nicht in ein Tauchboot, das ich von innen nicht öffnen kann. Ich halte das für einen ganz gravierenden Sicherheitsmangel. Selbst, wenn Sie oben treiben und gerne atmen möchten, bekommen Sie das Boot nicht auf. Das ist katastrophal in meinen Augen."

Zeichnung und Angaben zum vermissten U-Boot. © dpa-infografik GmbH

Auch ein US-Wissenschaftler kritisierte die Touristenfahrten zum Wrack der "Titanic" scharf. Bei der "Titan" handele es sich um ein "experimentelles Fahrzeug", sagte der Physiker Michael Guillen dem britischen Sender Sky News in einem am Mittwoch veröffentlichten Gespräch. "Das ist keine Fahrt in Disneyland. Das ist Mutter Natur. Das Meer ist gnadenlos", sagte Guillen. "Alles wird für Touristen zugänglich gemacht, und ich fürchte, wenn es um Geld geht und man mit Nervenkitzelsuchenden da draußen Gewinn machen kann, die bereit sind, das Geld zu zahlen, ist das ein Rezept für eine Katastrophe."

Guillen war im Jahr 2000 an Bord eines russischen Boots zu dem berühmten Wrack getaucht – und kam dabei nach eigener Aussage in Lebensgefahr. Am Heck sei das Tauchboot in eine schnelle Unterwasserströmung geraten, die es in die riesigen Propeller der "Titanic" gerammt habe, sagte der Wissenschaftler. "Unser U-Boot war im Vergleich zum Propeller wie eine riesige Mücke. Riesige Teile der 'Titanic' fielen auf uns herab, und ich wusste, dass wir in Schwierigkeiten sind." Doch schließlich ging alles gut. Der Pilot schaffte es, das Boot wieder frei zu bekommen.

Suche nach Tauchboot äußerst schwierig – Zweifel an Überlebenschancen

Die Suche nach dem vermissten Tauchboot gestaltet sich äußerst schwierig. "Selbst wenn es an der Oberfläche treibt, ragen von einer Gesamthöhe von 2,80 Metern höchstens 80 Zentimeter aus dem Wasser. Das ist je nach Seegang kaum zu entdecken", sagte Fregattenkapitän a.D. Jürgen Weber. "Und wenn ich davon ausgehe, dass das Tauchboot auf dem Grund liegt, dann muss man sich vorstellen, was da für Trümmer der 'Titanic' liegen. Das sind mit Sicherheit Teile, die größer sind als das Tauchboot, und da fällt es schwer, die richtigen Kontakte anzupingen", sagte Weber. Er fürchte, dass die Chancen, die "Titan" rechtzeitig zu finden, nur sehr gering seien.

Auch der Chef der US-Küstenwache im Nordosten der USA, John Mauger, äußerte sich zurückhaltend. Mögliche Lebenszeichen aus dem vermissten Tauchboot "Titan" hatten zuletzt Hoffnungen auf eine Rettung der fünfköpfigen Besatzung geschürt. Bei der intensiven Suche in der Nähe des "Titanic"-Wracks im Atlantik habe ein kanadisches Flugzeug "Unterwassergeräusche" registriert, teilte die US-Küstenwache in der Nacht zu Mittwoch mit. "Das ist ein unglaublich komplexes Gelände dort", antwortete Mauger dem US-Sender CBS nun auf die Frage, wie wahrscheinlich es sei, dass die Unterwassergeräusche von Menschen stammten. "Man darf nicht vergessen, dass es sich um die Wrackstelle der Titanic handelt – es gibt also eine Menge Metall und verschiedene Objekte im Wasser um diese Stelle herum", so der Chef der US-Küstenwache.

Zur Auswertung der Geräusche habe man deshalb Experten der US-Marine hinzugezogen, die in der Lage seien, solche Geräusche einzuordnen und genauere Informationen zu ihrem Ursprung zu geben, sagte Mauger. In einem Tweet teilte die Küstenwache mit, am Mittwochmorgen seien drei weitere Schiffe vor Ort eingetroffen. Die "John Cabot" verfüge über Seitensicht-Sonargeräte und mache gemeinsam mit der "Skandi Vinland" und der "Atlantic Merlin" Suchaktionen. Mauger sagte CBS auch, man werde alle Ressourcen für die Suche einsetzen, solange es für die Insassen eine Chance zum Überleben gebe.

"Klopfgeräusche sind erst mal ein gutes Zeichen, weil sie auch regelmäßig sind", sagte Ralf Bachmayer, der sich bei Marum mit Marine-Umwelttechnologie beschäftigt. Mithilfe des Schalls der Klopfgeräusche könne man ungefähr sagen, wo das Fahrzeug sei. Bei der Suche kommen sogenannte Sonobojen zum Einsatz. Die Geräte werden von einem Flugzeug abgeworfen und detektieren Unterwassergeräusche. Bachmayer erklärte, die Sonobojen könne man an der Oberfläche verteilen und dann verfolgen, wann welche Boje das Geräusch registriere. Dann könne berechnet werden, wo das Geräusch herkomme.

Deutscher Forscher: Keine Hoffnung mehr für Insassen des Tauchboots

Laut dem deutschen Forscher Alex Waibel sei das katastrophalste Szenario, wenn es ein Leck in der Carbonhülle des Bootes gegeben haben sollte. Andererseits wäre es dann wegen des enormen Wasserdrucks für die fünf Insassen so schnell zu Ende gewesen, dass sie davon nichts mitbekommen hätten. Am furchtbarsten sei der Gedanke, dass das von innen nicht zu öffnende Boot an der Wasseroberfläche treibe, nicht gefunden werde und die Menschen wegen Sauerstoffmangels elend erstickten. "Das fand auch ich beängstigend damals, dass wir von selbst nicht herausgekommen wären, sondern nach dem Auftauchen auf die Crew angewiesen waren, uns herauszuholen", erinnerte er sich an seinen eigenen Tauchgang.

Für die fünf Menschen an Bord der im Atlantik vermissten "Titan" sah Waibel praktisch keine Hoffnung mehr. "Ich kann nur beten und hoffen, dass sie da rauskommen, aber meiner Meinung nach sieht das ziemlich düster aus."

Richtiges Verhalten in Notsituation

Die Besatzung des vermissten Tauchboots "Titan" muss nach Ansicht des Astronauten Matthias Maurer auch in der extremen Notsituation einen kühlen Kopf bewahren. Gerade, wenn der Sauerstoff begrenzt sei: "Es ist ganz wichtig, dass man die Ruhe behält. Dass man nicht viel atmet, dass man nicht körperlich aktiv ist", sagte Maurer der Deutschen Presse-Agentur. Wenn man ruhe, könne man die Sauerstoffvorräte strecken. Maurer wurde im Zuge der Astronautenausbildung mit Trainings für Notfälle vorbereitet.

Zentral sei auch, dass das Team geschlossen sei und den Kapitän, der das Sagen habe, anerkenne. "Auch wenn es ganz fatal aussieht. Das ist das Wichtigste, das erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit des Teams", sagte der Saarländer am Mittwoch. "Wenn fünf Leute panisch versuchen, einen Lösungsweg zu finden und alle durcheinanderreden, dann ist das das Schlechteste, was passieren kann." Dabei würden auch die Sauerstoffvorräte schneller zu Ende gehen.

Der Profi an Bord werde im Fall einer Gefahr wie einem Leck versuchen, diese zunächst einzudämmen. Danach sei es Ziel, Kommunikation aufzunehmen, um Hilfe zu bekommen. "Unter Wasser ist Schall ein hervorragendes Medium, um auf sich aufmerksam zu machen." Daher seien Klopfgeräusche in regelmäßigen Abständen das Notsignal.

Tauchboot-Insassen sind "hochprofessionell"

Ehemalige Mitreisende haben die Verantwortlichen an Bord des vermissten Tauchboots im Atlantik als echte Profis gewürdigt. Der Chef des "Titan"-Betreibers Oceangate Expeditions, Stockton Rush, und der französische "Titanic"-Experte Paul-Henry Nargeolet seien keine unzuverlässigen Kerle. "Das sind hochprofessionelle Leute", sagte der britische Manager Oisin Fanning, der nach eigenen Angaben mit beiden die Tour gefahren ist, dem Sender BBC Radio 4 am Mittwoch. "Sie werden vom ersten Tag an Energie gespart haben. Es würde mich also nicht wundern, wenn die Aktion viel länger andauern würde, denn sie wissen genau, was zu tun ist."

Dik Barton, der erste britische Taucher am "Titanic"-Wrack, nannte Nargeolet einen "äußerst fähigen Tauchboot-Piloten", der schon Dutzende Male die Überreste des berühmten Luxusdampfers besichtigt habe. "Ich habe gewaltigen Respekt vor ihm und seinen Fähigkeiten", sagte Barton dem britischen Sender ITV.

Zugleich betonte er, der Meeresboden des Atlantiks sei ein "gefährlicher" und "feindseliger" Ort, er habe sich bei seinen Expeditionen in Gefahr gefühlt. "Es gibt ein lokales Auf und Ab des Wassers, das sich bewegt, es ist nicht gleichmäßig", sagte Barton. Die Stärke des Tauchboots sei zudem begrenzt. "Die Triebwerke sind ziemlich stark, aber letztlich muss man Energie sparen, weil es sich um das Lebenserhaltungs- sowie das Navigationssystem handelt." (dpa/tas)

Verwendete Quellen:

  • Deutsche Presse-Agentur (dpa)
  • bbc.com: Missing Titanic sub has 20 hours of oxygen left - Coast Guard
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