Pannen bei Ermittlern und Verteidigern haben eine US-Amerikanerin einem Gericht zufolge für über vier Jahrzehnte unschuldig ins Gefängnis gebracht. Ihrer Freilassung muss aber noch die Staatsanwaltschaft zustimmen.

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Eine Frau im US-Bundesstaat Missouri hat möglicherweise mehr als 43 Jahre zu Unrecht für einen Mord an einer anderen Frau hinter Gittern gesessen. Ein Bezirksrichter von Livingston County erklärte am Freitag (Ortszeit) nach mehrtägigen Anhörungen zu dem Fall, es gebe "klare und überzeugende" Beweise dafür, dass die heute 64-jährige Sandra "Sandy" Hemme unschuldig sei, wie die Zeitung "The Kansas City Star" und andere US-Medien berichteten.

Vielmehr lenkten "direkte Beweise" die Spur auf einen Polizeibeamten, der 2015 aber verstorben sei, befand Richter Ryan Horsman demnach in einem 118-seitigen Bericht. Zudem habe es Ermittlungs- und Verfahrensfehler gegeben.

Die Anwälte der Frau beantragten umgehend ihre Freilassung aus dem Chillicothe Correctional Center. Die Staatsanwaltschaft hat der Zeitung zufolge nun 30 Tage Zeit, um zu entscheiden, ob sie Hemme erneut anklagen oder die Anklage fallen lassen will. Sollte sie freigelassen werden, wäre dies die längste bekannte ungerechtfertigte Verurteilung einer Frau in der Geschichte der Vereinigten Staaten - mehr als 43 Jahre.

Widersprüchliche Aussagen sorgen für Verurteilung

Die Frau wurde 1980 für den Mord an einer 31-Jährigen in deren Wohnung in St. Joseph verurteilt. "Der einzige Beweis, der Hemme mit dem Verbrechen in Verbindung bringt, sind ihre eigenen widersprüchlichen, nicht bewiesenen Aussagen, Aussagen, die gemacht wurden, als sie sich in einer psychiatrischen Krise befand und körperliche Schmerzen hatte", schrieb Richter Horsman in dem Bericht. Sie habe weder ein Tatmotiv gehabt noch gebe es forensische Beweismittel.

Allerdings habe sie sich etwa zwei Wochen nach der Tat selbst beschuldigt, den Mord alleine begangen zu haben, schrieb "Kansas City Star" im Juni 2023. Sie sei sich aber im selben Moment nicht sicher gewesen und habe den Ermittlern gesagt, sie glaube, sie habe die Frau mit einem Jagdmesser niedergestochen und hinzugefügt: "Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht."

Verdächtiger Polizist mit den Ohrringen des Opfers

Hemmes Anwälte hatten dem Bericht zufolge vorgebracht, dass sich die Frau zum Zeitpunkt ihrer Befragung in einer psychischen Krise befand und so stark unter Medikamenteneinfluss stand, dass sie nicht einmal ihren Kopf hochhalten konnte. Hingegen waren bei dem Polizisten unter anderem Ohrringe des Opfers gefunden worden, was die Ermittler aber nicht an Hemmes Anwälte weitergaben, wie der Sender KCTV berichtete. Zudem seien die Nachforschungen gegen ihn nicht weiter verfolgt und Informationen über seine kriminelle Vergangenheit zurückgehalten worden. Richter Horsman stellte ferner fest, dass Hemmes damalige Verteidigung es versäumt habe, Beweise für ihre psychische Belastung und Verwirrung vorzulegen, so KCTV. (dpa/cgo)

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