Zölibat hin oder her: Überall auf der Welt gibt es katholische Priester, die Kinder gezeugt haben - eine Tatsache, die der Vatikan leugnet. Zumindest öffentlich, denn nun hat dessen Sprecher bestätigt, dass ein internes Regelwerk zum Umgang mit diesen Priestern existiert.

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Zum ersten mal in der Geschichte hat der Vatikan zugegeben, dass es kircheninterne Richtlinien zum Umgang mit Priestern gibt, die Kinder gezeugt haben. Sprecher Alessandro Gisotti hat die Existenz des Dokuments auf Nachfrage der "New York Times" bestätigt, wie diese auf ihrer Website schreibt. Das ist bemerkenswert. Schließlich gesteht die Kirche damit die Existenz der Priesterkinder öffentlich ein.

Was genau in der Richtlinie steht, ist natürlich streng geheim. "Es ist ein internes Dokument", so Gisotti. Nur so viel: Oberstes Ziel sei der "Schutz der Kinder". Die Richtlinie lege Vätern nahe, sich vom Priesteramt zurückzuziehen und die volle Verantwortung für ihre Kinder zu übernehmen.

Dass die geheimen Richtlinie nun nicht mehr ganz so geheim ist, ist Vincent Doyle zu verdanken. Laut "New York Times" war Doyle 28 Jahre alt, als seine Mutter ihm eröffnete, dass jener Mann, den er von klein auf als seinen Pfarrer kannte, sein leiblicher Vater ist.

Vatikan spricht von "Kindern der Geweihten"

Wie viele Kinder von Geistlichen litt Doyle darunter, dass sein Vater nicht zu ihm stand, seine Existenz mit Scham und Lügen verbunden war. Er gründete "Coping International", eine Organisation, welche die Interessen von Kindern von Geistlichen vertritt und ihnen die Möglichkeit gibt, sich über eine Onlineplattform auszutauschen.

Außerdem sprach Doyle mit vielen Geistlichen, drängte sie, ihre Vaterschaft anzuerkennen. Nach seiner Aussage wollten ihm viele weismachen, Priester, die Kinder zeugen, seien Einzelfälle.

Im Oktober 2017 aber habe Erzbischof Ivan Jurkovic, ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen, ihm das interne Dokument gezeigt und erzählt, dass der Vatikan für die Priesterkinder sogar einen Begriff geschaffen habe: "children of the ordainded" - "Kinder der Geweihten". Für Doyle war damit endgültig klar: "Es gibt diese Kinder an jeder Ecke."

Selbstredend, dass keine offiziellen Zahlen vorliegen, wie viele Kinder von katholischen Geistlichen gezeugt wurden. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland einige Tausend Priesterkinder leben. Doyle gab gegenüber der "New York Times" an, "Coping International" habe 50.000 Nutzer in 175 Ländern.

Die Priesterkinder könnten der nächste Skandal sein, dem sich die Katholische Kirche stellen muss. Zumal sicher nicht alle "Kinder der Geweihten" das Ergebnis einer Liebschaft, sondern zuweilen auch das einer Vergewaltigung sind.

"Irgendwann ist die Geduld erschöpft"

Mit dem gigantischen Missbrauchsskandal befasst sich die Kirche dieser Tage. Am Donnerstag kommen in Rom 190 Geistliche, darunter der Papst, die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen der Welt und Vertreter der römischen Kurie zu einem viertägigen Treffen zusammen. Der Vatikan wolle dem "Monster" Missbrauch endgültig ins Gesicht schauen, sagte Vatikan-Sprecher Gisotti bei der Vorstellung des Programms am Montag.

Allerdings können auf der Konferenz keine bindenden Beschlüsse gefasst werden - zum Missfallen von Opfervertretern wie Matthias Katsch. Es müsse "mehr als Ankündigungen" geben, sagte der Sprecher des Vereins "Eckiger Tisch", in dem sich Missbrauchsopfer aus deutschen Jesuiten-Einrichtungen zusammengeschlossen haben. "Irgendwann ist die Geduld erschöpft."

Katsch fordert eine "Null-Toleranz", die den Namen auch verdiene. "Franziskus benutzt dieses Wort oft, aber er hat nichts dafür getan." Nötig sei eine Änderung des Kirchenrechts. Ein Priester, der Kinder missbraucht hätte, müsse genauso wie ein Bischof oder Kardinal, der dies vertusche, umgehend aus dem Klerikerstand entlassen werden.

Verwendete Quellen:

  • "The vatican's secret rules for priests who have Children", New York Times vom 18. Februar 2019
  • Klappentext von "Gottes heimliche Kinder" von Annette Bruhns
  • dpa
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