• Nach der verheerenden Flutkatastrophe im Westen Deutschlands ist noch immer kein normaler Alltag für viele Betroffene in Sicht.
  • Für Instandsetzung von dringend benötigten Heizungen fehlen Handwerker.
  • Flutopfer entwickeln kreative Geschäftsideen, um mit der Situation umzugehen.
Eine Reportage
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Eindrücke und Einschätzungen von Christina Scheidtweiler. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Auch vier Monate nach der verheerenden Flutkatastrophe im Westen Deutschlands ist der Alltag für viele Betroffene immer noch in weiter Ferne. Zwar sind größere Schäden beseitigt, doch bis zur Rückkehr zur Normalität werden noch viele Monate vergehen.

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Zehntausende Betroffene bemühen sich seit vielen Wochen Stück für Stück ihr altes Leben wieder aufzubauen. Wie gut das gelingt und vor welchen großen Herausforderungen sie stehen, berichten zwei Betroffene aus dem Flutgebiet.

Enormer Schaden: Handwerker können Nachfrage kaum bedienen

Die Flutwelle überraschte Judith Hoex vom Reithof Trimbser Mühle im rheinland-pfälzischen Trimbs wie so viele andere am späten Abend des 14. Juli. Die Wassermassen rissen ihr Lebenswerk und ihre Existenz innerhalb von wenigen Minuten mit. Mehrere Häuser des Hofs sowie die ganze Pferdeanlage wurden weitreichend beschädigt. Eine eigene Spendenaktion half in den ersten Tagen und Wochen danach, das Nötigste wieder herzustellen: Reitplatz, Sattelkammer und Reithalle sind wieder benutzbar.

Doch noch immer lebt sie mit ihrer vierköpfigen Familie in einem Provisorium mit wenig Platz. Der Wiederaufbau geht für sie nur langsam vorwärts: "Handwerker und Materialien sind nach wie vor schlecht verfügbar. Das wird gerade zum Problem, weil wir sie akut brauchen. Wir warten zum Beispiel auf den Elektriker fürs Wohnhaus. Zumindest im Provisorium, in dem wir übergangsweise seit Monaten leben, kommt jetzt endlich die Heizung."

Hohe Wiederaufbaukosten: Wie viel der Staat ausgleicht, ist noch komplett ungewiss

Um Geld aus dem staatlichen Hilfsfonds für ihren Wiederaufbau zu erhalten, muss Judith Hoex nun mithilfe eines Gutachters genau dokumentieren, was beschädigt wurde. Ob und wann das Geld anschließend ankommt, ist ungewiss. Warten kann sich die Hofbesitzerin allerdings gerade nicht leisten: "Wir müssen ja jetzt die Schäden reparieren. Es gibt noch so viele Sachen, die gemacht werden müssen oder schon mussten – wie zum Beispiel die Uferbefestigung mit großen Basaltblöcken für mehrere tausend Euro. Wir hoffen, dass wir am Ende auch Geld dafür zurückbekommen."

Die Liste der Schäden auf dem Hof ist nach wie vor lang: Für den großen Parkplatz und die Ovalbahn fehlen die oberste Schotterschicht, um beide wieder normal nutzbar herzurichten. Die Bande in der Reithalle ist noch durchnässt – ihre Renovierung dringend notwendig. Betriebsmittel wie Motorsägen fehlen ebenfalls, doch noch ist kein Geld übrig, um diese zu ersetzen. Auch die Fassaden der Gastronomiegebäude, deren Fliesen mühsam entfernt wurden, damit die Oberfläche besser trocknen kann, müssen wieder hergestellt werden – wie auch die Zäune der Pferdekoppeln.

Lage der Geschäfte in Bad Münstereifel unverändert schlecht

Ähnlich wie Judith Hoex erging es auch Miriam Nölkensmeier aus Bad Münstereifel. Auch sie musste in der Nacht des 14. Juli 2021 mit ansehen, wie die Flut in kürzester Zeit ihre berufliche Grundlage zerstörte. Ihr Geschäft "bottega The Concept Store" befand sich in einem alten Fachwerkhaus mitten in der Stadt. Das Wasser drang zunächst durch den Hintereingang des alten Hauses ein, flutete dann den Raum und riss schließlich die große Fensterscheibe im Frontbereich des Geschäfts mit sich. Am Ende zerstörte es die gesamte Altstadt des historischen Ortes.

"Dieses Haus hat es mit am schlimmsten hier im Ort getroffen. Auch vier Monate danach sieht mein Ladenlokal eigentlich noch immer so aus wie nach der Katastrophe", berichtet die Ladenbesitzerin. Um wieder eröffnen zu können, ist sie auf den Eigentümer des Hauses angewiesen. "Wir wollen weitermachen, aber mein Vermieter wartet auf Fördergelder und ein Elektriker kann hier erst im nächsten März hier wieder alles anschließen. Das Haus muss erst einmal trocknen und komplett renoviert werden", erzählt sie.

Not macht Ladenbesitzer erfinderisch

Einfach bis zum nächsten Frühjahr abwarten wollte die kreative und hemdsärmelige Ladenbesitzerin aber nicht: "Wir haben Glück gehabt, dass wir privat nicht gelitten haben. Deshalb haben wir genug Kraft gehabt und wollten anderen zeigen, dass es dank neuer Ideen vorangeht." Gemeinsam mit anderen Einzelhändlern vor Ort entwickelte sie Pläne für die Nutzung einer örtlichen, etwas außerhalb gelegenen Halle, die sie als kleines Einkaufszentrum nutzen wollte.

Doch dann bot sich eine andere Gelegenheit. "Da ich derzeit nicht in den Laden zurück gehen kann, habe ich mir eine andere Lösung gesucht. Ich habe einen ausrangierten 15 Meter langen Bus gekauft, den ich zu meinem Concept Bus umbaute", erklärt die Ladenbesitzerin stolz. Innerhalb von nur vier Wochen war dieser entkernt und neu eingerichtet. Seit dem 9. Oktober nutzt Miriam Nölkensmeier nun den Bus als alternativen Verkaufsraum, bis ihr Geschäft im Fachwerkhaus renoviert ist.

"Aufgeben war einfach keine Option für mich", sagt sie. "Ich wollte nicht warten, bis die Altstadt wieder so aufgebaut ist, dass ich dort wiedereröffnen kann. Mit dem Bus kehrt jetzt wieder etwas mehr Alltag zurück – das soll anderen hier Hoffnung geben."

Rückkehr zur Normalität dennoch in weiter Ferne

Wann in die von der Flut betroffenen Regionen wieder Normalität einkehrt, lässt sich schwer sagen. Pferdehofbesitzerin Judith Hoex schätzt, dass es noch gut ein Jahr dauern wird, bis das meiste wieder hergerichtet ist. Dass das Ausmaß der Flutwelle eine Ausnahme bildet, hofft sie sehr. "Ich hoffe, dass es bei diesem Zehntausendjahrereignis bleibt. Auch weil keine neuen Schutzmaßnahmen geplant sind", sagt die Hofbesitzerin. "Die Menschen haben hier eines gelernt: Das, was passiert ist, das ist die Natur und sie hat ein Vorrecht. Wir Menschen müssen uns anpassen. Es wird am Ende Flächen geben, auf denen man nicht mehr bauen darf, um auch der Natur ihren Platz zu lassen."

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