Kunst und Satire können in schlimmen Zeiten trösten. Zugleich können sie sich im Ton vergreifen. Wo liegen die rechtlichen und moralischen Grenzen?

Eine Kolumne
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Der Witz ist seit der Pandemie im Krisenmodus und muss nun mit dem Krieg umgehen. Witze über den Tod kann man leicht lustig finden, wenn man dem Tod nicht ins Auge schaut. Solange die anderen sterben, fallen Witze leichter. Galgenhumor ist eine besondere Form des Humors. Das Opfer macht einen Witz über seinen Henker.

Europa sitzt auf einem Pulverfass und niemand weiß, ob der Despot im Kreml die Lunte anzündet. Hoffen wir, dass wir Galgenhumor nicht brauchen.

Es fällt schwer, unbefangen zu bleiben

Im Krieg gibt es vor allem Witze über Täter. Was sind die rechtlichen Grenzen des Witzes im Krieg? Die Meinungsfreiheit, und dazu zählt in Form der Kunstfreiheit die Freiheit, Witze zu machen, gilt auch in Krisen.

Witze zu machen im Angesicht des Todes ist nicht leicht. Sie gelingen nur, wenn man unbefangen und frei für den Witz bleibt, obwohl es nichts zu lachen gibt. Dabei muss man den richtigen Ton treffen und bei aller Wut die Fassung wahren. Das fällt schwer, wenn man es mit Unmenschen zu tun hat.

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Rechtliche Grenzen eines Witzes

Gibt es eine rechtliche Grenze für den hassenden Witz über einen Menschenschlächter, Kriegstreiber und Despoten? Auch wenn die Würde des Despoten unantastbar ist, so kommt man mit dem Recht schwerlich in Konflikt, wenn man Wladimir Putin lächerlich macht. Mögen die Grenzen von Recht und Moral auch verschwimmen und mag Freiheit immer auch Verantwortung bedeuten: Schreiender und scharfer Despotenhass darf und muss sich seinen Weg bahnen dürfen.

Solange man die Kunstfreiheit nicht bewusst und gezielt auf rote Linien ansetzt, ist man rechtlich frei, wenn man Despoten der Lächerlichkeit preisgibt. Die Grenzen hat Jan Böhmermann bei Erdogan ausgetestet und erfahren. Er darf ihn den "Mann, der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt" nennen, denn so etwas ist auf türkischen Demonstrationen geschehen.

Der Sachbezug entscheidet

Letzteres ist wichtig, denn juristisch kommt es für die Grenze des zulässigen Witzes auf dessen Sachbezug an. Die Grenze ist denkbar weit. Schließlich lässt sich für alles, was im Leben geschieht, irgendwie ein sachbezogener Anlass finden. Die weite rechtliche Grenze hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1995 gezogen. Damals hatte Karlsruhe die Aussage "Soldaten sind Mörder" erlaubt, weil sie ein Kollektiv, also keinen Einzelnen betrifft und Sachbezug hat.

Wenn man im Krieg oder gegenüber Gewaltherrschern den Witz als Mittel zum Widerstand einsetzt, bleibt ein Dilemma schwer aufzulösen: Provoziert ein Witz zu sehr und schlägt Provokation in noch mehr Hass um, dann kann Humor denen gefährlich werden, die ihn einsetzen. Das ist die furchtbare Lehre von "Charlie Hebdo". Damit umzugehen, ist neben der Freiheit eine große Bürde und Verantwortung der Satire.

Humor ist Freiheit, aber nicht jeder Witz ist legitim

Und dennoch brauchen wir Humor und die Freiheit, die ihn möglich macht jetzt. Wenn er Grenzen wahrt, dann kann er moralisch sein, ohne zu moralisieren. Humor kann Leid nicht relativieren, aber er kann es ermöglichen, aus einem anderen Winkel darauf zu schauen. Wer lacht, schaut nicht weg, sondern auf andere Weise hin. Der Witz gibt den Täter der Lächerlichkeit preis und macht ihn so zu seinem Opfer. Das kann tröstend oder erleichternd sein.

Am Ende ist Humor die Freiheit, den Despoten und Henker im Angesicht des Todes auszulachen. Die Freiheit kann aber gerade auch in schwierigen Situationen darin bestehen, auf einen Witz zu verzichten. Nicht jeder erlaubte Witz ist auch legitim.

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