Falls Sie Wirtschaftsmeldungen lesen, sind Sie möglicherweise genauso verwirrt wie ich: Mal wird die EC-Karte (die inzwischen Girocard heißt) für tot erklärt, am nächsten Tag soll sie angeblich neue Funktionen bekommen. Ja, was denn nun? Und brauchen wir 2023 neue Karten für Auslandsreisen? Ich habe versucht, herauszufinden, wohin dieser wilde Ritt geht. Achtung, es wird holprig.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Ulrike Sosalla dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Eigentlich gehöre ich zu den grundsätzlich optimistischen Menschen, die Probleme erst mal von der positiven Seite betrachten und eine Lösung suchen. Aber manchmal fällt mir das schwer. Zum Beispiel, wenn es um die Verwirrung um die EC-Karte, die inzwischen Girokarte heißt, geht. Den ganzen Dezember über gab es widersprüchliche Meldungen: Mal hieß es, die Karte wird ab Sommer 2023 schrittweise ersetzt, dann hieß es, sie soll neue Funktionen bekommen – ja, was denn nun?

Mehr zum Thema Verbraucher

Was mich daran aufregt: Es geht hier nicht um irgendwas, sondern um das zentrale Zahlungsmittel für Privatleute in Deutschland – und damit um unser aller funktionierenden Alltag. Da wäre es schon schön, wenn das weiterhin reibungslos klappen würde.

Mehr als 100 Millionen Karten sind im Umlauf, mehr als Deutschland Einwohner hat. Das heißt: Fast jede und jeder Erwachsene hat eine oder mehrere Girokarten im Geldbeutel. Und anders als die Kreditkarten, die viele nur im Ausland oder fürs Onlineshopping benutzen, werden sie jeden Tag mehrfach benutzt, seit 2020 wegen Corona sogar noch deutlich mehr als vorher. Beim Bäcker, an der Tankstelle, im Supermarkt: Wer in Deutschland bargeldlos zahlt, tut das höchstwahrscheinlich mit einer Girocard mit Maestro-Zeichen. Und das soll sich irgendwann 2023 ändern?

Ich kann es kurz machen: Nein, so schnell ändert sich nichts. Aber so einfach wie bisher bleibt es auch nicht. Bankkarten-technisch verlassen wir zum Jahreswechsel eine lange, gerade, gut ausgebaute Straße und biegen ab auf eine kurvige Strecke in den Bergen, auf der hinter jeder Biegung eine neue Überraschung wartet.

Muss ich mich um eine neue Bankkarte kümmern?

Zunächst die gute Nachricht: Sie müssen nichts unternehmen, außer: sich zu informieren. Lesen Sie die Mitteilungen Ihrer Bank, es könnte etwas Wichtiges drinstehen, und lesen Sie weiterhin diese Kolumne, ich halte Sie auch 2023 auf dem Laufenden. Was Ihre Girocard angeht, können Sie in Ruhe abwarten, denn: Die Karte bleibt auf jeden Fall bis zum Ende ihrer regulären Laufzeit voll funktionstüchtig, selbst wenn dieses Ende erst 2027 sein sollte.

Diese Erkenntnis hat mich schon einmal beruhigt. Aber warum dann überhaupt die Aufregung? Um das zu verstehen, muss man wissen, dass es im elektronischen Zahlungsverkehr nicht nur eine Straße gibt, sondern mehrere. Die Straßen, auf denen die Girocard-Euros hin- und herwandern, gibt es nur in Deutschland, dafür aber als sehr dichtes Netz.

Damit wir mit der Girocard im europäischen Ausland bezahlen können, müssen wir das Straßennetz wechseln: auf das von Maestro, das von der Kreditkartenfirma Mastercard betrieben wird, sichtbar auf der Karte als blau-rotes Maestro-Zeichen. Praktischerweise bekommen wir als Kunden davon gar nichts mit.

Und dann gibt es noch ein drittes Straßensystem, quasi die globale Autobahn des Geldes: die Kreditkartensysteme von Mastercard und Visa, die fast überall auf der Welt vertreten sind – weshalb man für Reisen außerhalb Europas meist eine Kreditkarte einsteckt. Mastercard und Visa haben ihre Autobahn auch auf den neuen Kontinent ausgedehnt, der in den vergangenen 20 Jahren entstand: das Online-Bezahlen. Das geht mit dem Girocard-System bisher nicht (eine Lücke, die die deutschen Banken und Sparkassen nun schließen wollen).

So war das Straßennetz aus der Sicht deutscher Bankkundinnen und -kunden sehr praktisch geordnet, denn für die beliebten europäischen Reiseländer genügt die Girocard, und online bezahlen kann man auch per Paypal oder Klarna, eine Kreditkarte ist nicht unbedingt nötig.

Girokarte nur noch für Deutschland?

Eine Karte für fast alles – aus Kundensicht ein Traum. Bis Mastercard sich entschloss, Maestro nicht mehr weiterzuführen. Als Datum steht Mitte 2023 im Raum, möglicherweise auch später. Dann sollen neue Girokarten nur noch ohne Maestro-Zeichen ausgegeben werden, das heißt: Sie sind von den Geldautobahnen im Ausland abgeschnitten. Eine mögliche Alternative steht bereit: Debitkarten von Mastercard oder Visa. Das sind Karten, die die großen Geld-Autobahnen der Kreditkartenunternehmen nutzen, aber ohne die Kreditfunktion einer Kreditkarte. Bei der Debitkarte werden – wie bei der Girokarte – alle Ausgaben sofort vom Girokonto abgebucht. Einige Banken und Sparkassen nutzen sie bereits als Standardkarte zum Girokonto.

Mit einem entscheidenden Nachteil allerdings: Nicht alle Händler in Deutschland nehmen Debitkarten an, denn die Kosten pro Bezahlvorgang sind für die Händler höher. Auch Geldabheben an den Supermarktkassen ist schwieriger, bei Rewe und Kaufland beispielsweise geht das nur mit Girokarte. Für Debitkarten-Kunden ist der Umstieg daher jetzt schon ein holpriger Weg.

Mehrere Karten für Inland, Ausland, Online?

Und für alle anderen? An der Oberfläche, bei unseren Bankkarten, ändert sich 2023 noch wenig. Doch im Hintergrund arbeiten Banken und Kreditkartenfirmen an ihren Verkehrsnetzen, und das wirkt sich irgendwann auf uns aus.

Ich stelle mich darauf ein, dass bei den Veränderungen keine ideale Welt herauskommt. Gut möglich, dass ich künftig mehrere Karten brauche, je nachdem, wohin ich reise, ob ich mit dem Smartphone zahlen will und welche Geldautomaten in meiner Nähe sind. Vielleicht wird das kurvige, holprige Straßenstück, auf das wir jetzt einbiegen, dazu führen, dass ich mein Girokonto wechsele, weil die Karte meiner Bank genau die Funktionen nicht anbietet, die ich gern hätte. Das ist unbequemer als bisher und bedeutet mehr Aufwand.

Aber man kann es auch positiv betrachten: Auf kurvigen Straßen sieht man mehr von der Landschaft. In diesem Sinn: Steuern Sie gut durch 2023 – wir lesen uns!

Ulrike Sosalla ist stellvertretende Chefredakteurin von Finanztest und damit ausgewiesene Fachfrau für Finanzfragen. Das Verbrauchermagazin Finanztest gehört zur Stiftung Warentest, die seit 30 Jahren Finanzdienstleistungen testet. Test.de und Finanztest sind komplett anzeigenfrei und gewährleisten damit absolute Unabhängigkeit gegenüber Banken, Versicherungen und der Industrie. Die Newsletter der Stiftung Warentest können Sie hier abonnieren.

Böller und Chaoten: Wer zahlt für Silvesterschäden am Auto?

Die einen lieben es, die anderen hassen es. Und wieder anderen ist die Böllerei zu Silvester egal. Doch niemand mag ein demoliertes Auto am Neujahrsmorgen. Wer zahlt für solche Schäden?


JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.