• Deutschlands Gasspeicher werden infolge der Abhängigkeit von Russland zu Beginn dieses Winters wohl nicht ausreichend gefüllt sein.
  • Fachleute geben deshalb Tipps für Haushalte und Unternehmen, wie diese Gas einsparen und besser durch den Winter kommen können.

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Russland hat in der vergangenen Woche die Gasmengen, die es nach Deutschland liefert, deutlich reduziert. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat daraufhin den Notfallplan Gas ausgerufen. Denn Simulationen der Bundesnetzagentur zeigen, dass bei den aktuellen Importmengen und den üblichen Exportmengen in europäische Nachbarstaaten Deutschlands Gasspeicher nicht die für den Winter vorgeschriebenen Füllmengen erreichen werden. Wie können Industrie und Privathaushalte also Erdgas einsparen, damit die verfügbaren Mengen ausreichen?

Als sicher gilt Fachleuten, dass es unmöglich ist, in der Zeit vor dem Winterbeginn durch Wärmedämmungen, mechanische Lüftungen oder erdgasunabhängige Heizungslösungen (Wärmepumpen) das Problem zu lösen. Weder sind die Materialien in der nötigen Menge am Markt verfügbar, noch ist die Zahl der Handwerksbetriebe ausreichend, um so viele Sanierungen vorzunehmen.

Ein Grad weniger Raumtemperatur spart sechs Prozent Heizenergie

Doch es gibt Maßnahmen, die fast jeder Haushalt umsetzen kann. "Nach einer Schätzung der Agora Energiewende könnte der Gasverbrauch für Heizung und Warmwasser in Wohngebäuden durch kurzfristige Maßnahmen um circa 15 bis 20 Prozent reduziert werden", erklärt Immanuel Stieß, Leiter Forschungsschwerpunkt Energie und Klimaschutz im Alltag am Institut für Sozialökologische Forschung in Frankfurt am Main im Gespärch mit unserer Redaktion.

Bereits ein Grad weniger Innenraumtemperatur spare sechs Prozent Heizenergie. "Würde jeweils die Hälfte der Haushalte in Deutschland die Temperatur in ihrer Wohnung um ein halbes beziehungsweise ein Grad absenken, könnten knapp fünf Prozent Heizenergie eingespart werden", rechnet Stieß vor.

"Außerdem sind viele Heizungen nicht optimal eingestellt. Ein hydraulischer Abgleich des Heizsystems könne je nach Typ und Zustand der Heizung fünf bis zehn Prozent Energie einsparen", führt der Energieexperte weiter aus. Auch beim Warmwasser lasse sich einfach sparen: "Durch kürzere Duschzeiten und geringere Duschtemperaturen kann der Verbrauch an Warmwasser um bis zu 15 Prozent reduziert werden. Durch den Einbau eines Sparduschkopfs können weitere fünf Prozent Warmwasser gespart werden." Weil alle diese Maßnahmen den Haushalten auch Kosten sparen, erachtet Stieß zusätzliche finanzielle Anreize durch den Staat als unnötig.

Regierung könnte durch kostenlosen "Gassparcheck" helfen

Martin Pehnt, Wissenschaftlicher Geschäftsführer und Fachbereichsleiter Energie am Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg, hält zumindest einen vom Staat ausgegebenen "Gassparcheck" für sinnvoll:

"Der Gassparcheck könnte aus einer Überprüfung der Heizungsanlage, einem Check des Heizungsverhaltens und der Einsparmöglichkeiten und einigen kostenlos mitgebrachten beispielhaften Hilfsmitteln – Thermostatventilen, Thermometer, Hocheffizienzpumpen oder Dämmmaterial oder einem Baumarktgutschein für solche Komponenten bestehen."

Stefan Büttner, Leiter Globale Strategie & Wirkung am Institute for Energy Efficiency in Production der Universität Stuttgart kritisiert, dass nicht bereits mit Beginn der Energiekrise Sparmaßnahmen vorangetrieben wurden, um einen Puffer für den Winter aufzubauen. Büttner betont gegenüber unserer Redaktion: "Alles, was wir einsparen, hilft auch direkt, den Preisanstieg dessen, was wir nicht schaffen, zu reduzieren, da der Nachfrageüberschuss dann weniger hoch ist als zuvor."

Denn die aktuelle Stufe des Notfallplans erlaubt es den Energieanbietern, den tatsächlichen Beschaffungspreis weiterzugeben.

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Der Wirtschaft empfiehlt der Forscher als allererstes, Abwärme zu nutzen, beispielsweise die von Serverschränken, anstatt diese mit Energieaufwand zu kühlen. "Das Isolieren oder Überprüfen von Druckluft/Wärme/Kälteleitungen ist sinnvoll – durch Abwärmenutzung lassen sich bis zu 80 Prozent einsparen", rät Büttner.

Industrieunternehmen sollten bereits jetzt überlegen, auf welche Teilprozesse oder Anlagen sie im Ernstfall am einfachsten verzichten können, um pauschale politisch verordnete Abschaltungen zu vermeiden.

Nicht zuletzt hilft Stromsparen dabei, den Gasverbrauch zu verringern. Denn noch spielt Gas eine wichtige Rolle bei der Stromerzeugung. Umstritten ist die Option, andere fossile Energieträger verstärkt zu nutzen: Die Reaktivierung von Braunkohlekraftwerken wäre angesichts der Klimakrise fatal. An einer Laufzeitverlängerung der letzten drei aktiven Kernkraftwerke scheinen die Betreiber nicht interessiert, denn es dürfte mehr als ein Jahr dauern, die nötigen Brennelemente zu besorgen, wie das Bundesumweltministerium in einem Prüfvermerk schreibt.

Biogas könnte Deutschlands Gasspeicher komplett füllen

Das wäre wohl auch unnötig, wie Michael Sterner, Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg, im Gespräch ausführt: "Warum verdoppeln wir nicht das vorhandene, heimische Biogas von 100 Terawattstunden auf 200 Terawattstunden über Power-to-Gas und die Nutzung von Wind- und Solarstrom, der in großen Mengen nach wie vor weggeworfen wird, weil er nicht in die Stromnetze passt?"

Mit diesem erneuerbaren Gas könne Deutschland sofort zu 100 Prozent die Gasspeicher füllen, im Gegensatz zu Wasserstoff. "Damit könnten wir die Hälfte der russischen Gasimporte ersetzen und nicht nur fünf bis zehn Prozent wie durch eine AKW-Laufzeitverlängerung."

Verwendete Quellen:

  • Website des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ruft Alarmstufe des Notfallplans Gas aus – Versorgungssicherheit weiterhin gewährleistet (23.06.2022)
  • Website des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Gas-Mengengerüst von 06/22 bis 06/23 (23.06.2022)
  • BMWK/BMUV: Prüfung des Weiterbetriebs von Atomkraftwerken aufgrund des Ukraine-Kriegs (07.03.2022)
  • isoe.de: Dr. Immanuel Stieß
  • ifeu.de: Dr. Martin Pehnt
  • uni-stuttgart.de: Stefan M. Büttner
  • oth-regensburg.de: Prof. Dr.-Ing. Michael Sterner
  • Gespräch mit den Experten
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