Wer in Zeiten der Coronakrise allein zuhause sitzt, kommt oftmals endlich dazu, seinen Kleiderschrank oder die Garage aufzuräumen. Ähnlich zielstrebig sollten Anleger auch bezüglich ihres Depots vorgehen.
Die Japanerin Marie Kondo löste mit dem Satz "Macht dich das glücklich?" einen weltweiten Trend zum Aufräumen aus. Auch Aktienanleger sollten während der Coronakrise über ihr Depot nachdenken.
Die Kurse stiegen stetig an
In den vergangenen Jahren wurden sie meist verwöhnt. Die Kurse an den Börsen kannten vor allem eine Richtung: nach oben. Das neuartige Coronavirus hat allerdings für Kursrückgänge gesorgt. Für Anleger dennoch kein Grund zur Panik, findet Yann Stoffel. "Wenn die Struktur im Depot stimmt, braucht man keine Sorge zu haben", sagt der Finanzexperte der Stiftung Warentest. "Tendenziell gilt: Man ist überall dabei - in guten wie in schlechten Zeiten."
Welche Struktur ein Depot braucht
Eine wichtige Grundregel beim Aufbau des Depots: Die Struktur muss zum Risikoprofil passen. "Ich muss mir am Anfang immer überlegen, wie ich mein Geld aufteilen will", sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Düsseldorf.
Für die Streuung über verschiedene Anlageklassen gibt es mehrere Möglichkeiten: "Eine Faustformel für Aktien ist zum Beispiel 100 Minus Lebensalter", erklärt Kurz. Ein 60-Jähriger kann nach dieser Regel 40 Prozent seines Vermögens in Aktien investieren (100 minus 60 = 40). Eine andere Möglichkeit ist je ein Drittel in Aktien, Zinsanlagen sowie Immobilien oder Rohstoffe zu investieren.
Nach Ansicht von Kurz bieten solche Formeln aber meist nur eine grobe Orientierung. "Es geht immer darum, ob ich bereit bin, Buchverluste hinzunehmen oder nicht." Wen Rückgänge an der Börse um den Schlaf bringen, der sollte den Aktienanteil generell kleiner halten.
Immer alle Verträge und Anlagen miteinbeziehen
Bei der Frage, ob die Mischung noch stimmt, sollte nicht nur das Depot in den Blick genommen werden. Auch Rentenverträge oder die Rücklagen auf dem Tagesgeldkonto sollten mit einbezogen werden, denn auch sie tragen zur Vermögensbildung bei. "Dieser Anteil schwankungsarmer Anlagen ist bei vielen größer als sie denken."
Der zweite Blick kann dann der Struktur des Depots gelten. Wichtige Fragen hierbei: Sind die Anlagen wirklich weltweit gestreut? Wie viele Einzeltitel gibt es? Ist die Aufteilung über Branchen sinnvoll? Gibt es Klumpenrisiken? Wie hoch ist der Anteil gemanagter Fonds?
Wichtiger Gradmesser ist aus Sicht der Stiftung Warentest die Wertentwicklung des Depots. Wie erfolgreich war das Depot in der Vergangenheit? Als Vergleichsmaßstab können hierfür gängige Indizes herangezogen werden, zum Beispiel den MSCI World Index. Bleibt ein Depot deutlich hinter vergleichbaren Indexrenditen zurück, besteht Handlungsbedarf, erklären die Experten.
Indexfonds eignen sich als Grundlage
ETFs, also börsengehandelte Fonds, die einen Index nachbilden, sind aus Sicht von Stoffel und Kurz grundsätzlich eine gute Wahl. Denn sie sind in der Regel günstiger als gemanagte Fonds. Anleger sparen also Jahr für Jahr Kosten. Der Unterschied macht nach Erkenntnissen der Stiftung Warentest in der Regel mehr als 1 Prozentpunkt pro Jahr aus. Über einen längeren Zeitraum sind das durchaus größere Summen.
Wichtig aus Sicht von Stoffel: Das Depot muss möglichst breit aufgestellt sein. Ein ETF auf den MSCI World Index ist daher aus seiner Sicht eine gute Grundlage. Denn in diesem Index finden sich ungefähr 1600 Unternehmen aus vielen Ländern der Welt. Auch ETFs auf den MSCI All Country World eigenen sich als Basis.
Ruhe bewahren
Wer sich einmal für eine Strategie entschieden hat, sollte diese nicht bei jedem neuen Trend wieder umwerfen. Wer zum Beispiel jetzt angesichts der Coronakrise Chancen in der Pharmabranche wittert, riskiert unter Umständen viel: "Die Profiteure der Krise zu finden, ist schwer", sagt Jürgen Kurz. Denn welches Unternehmen zum Beispiel den Impfstoff entwickelt, sei kaum vorherzusagen. (dpa/tmn/wag)
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