• "Fast Fashion" ist der Begriff für günstige, schnell und minderwertig hergestellte Kleidung.
  • Besonders Online-Shops aus China werben zum Teil aggressiv über Social Media für ihre Produkte.
  • Ein Experte klärt auf, warum die Fast Fashion so gefährlich ist und macht Lösungsvorschläge, wie nachhaltiges Shoppen funktioniert.

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Durchschnittlich wird ein Kleidungsstück nur sieben Mal getragen, bevor es in der Altkleidersammlung oder im Müll landet. Fast Fashion macht es möglich, dass wir uns heutzutage günstig mit Mode eindecken können. Sehr beliebt bei den 15- bis 25-Jährigen ist zum Beispiel der Online-Shop Shein (sprich "she-in") mit rund 25 Millionen Followern auf Instagram. Doch die billige Herstellung geht auf Kosten der Natur, der Arbeiter – und am Ende auch auf Kosten der Kunden, wenn sie zum Beispiel für Plagiat-Lieferungen Strafe zahlen müssen.

"Leider Gottes ist Fast Fashion mittlerweile zu der Mode geworden, die wir gefühlt schon immer kannten", sagt Tristan Jorde vom Fachbereich Umwelt und Produktsicherheit der Verbraucherzentrale Hamburg im Gespräch mit unserer Redaktion. "Es ist ein verschleißendes, häufiges Wechseln von Kollektionen."

Wo es früher Kataloge und Sendungen mit der Frühjahr- und Herbstkollektion gab, präsentieren die Modeketten heutzutage jeden Monat neue Kleidung. "Das führt dazu, dass wir ständig wegwerfen, um up to date zu bleiben", erklärt Jorde.

Fast Fashion: Mode-Produktion für den Müll?

Mit dem Bedürfnis, up to date zu sein, erfüllt die Mode auch eine sozialpsychologische Funktion, sagt Jorde: "Ich identifiziere mich mit meiner Kleidung, möchte vielleicht zeigen, dass ich jung und modern bin. Das ist auch legitim, Mode ist ein Ausdrucksbedürfnis der Menschen. Aber es kommt eine wichtige Sache dazu, und das ist das Thema Nachhaltigkeit."

Denn viele Kleidungsstücke landen auch ungetragen auf dem Müll; in Deutschland sind es etwa eine Milliarde pro Jahr. "Billig ist wegwerfbar", schreibt die Autorin Dana Thomas in ihrem Buch "Unfair Fashion". Dazu kommt: Ein Großteil der Fast-Fashion-Kleidung besteht nicht aus abbaubaren Naturfasern wie zum Beispiel Bio-Baumwolle, sondern aus Kunstfasern, die Erdöl enthalten.

"Katastrophe für die Natur": Fast Fashion enthält nicht abbaubare Stoffe

Landen diese Kunstfasern im Müll, ist das eine Katastrophe für die Natur, weiß Tristan Jorde: "Die Fasern, beispielsweise Polyester, Nylon oder Polyamid sind praktisch nicht abbaubar. Hoch bedenklich in der Produktion, der Verwendung und der Entsorgung sind zum Beispiel die fluorierten Kohlenwasserstoffe, die unter dem Begriff 'Gore-Tex' und anderen bekannt geworden sind. Sie reichern sich in der Umwelt und in den Lebewesen an, sind also Stoffe, die Schaden anrichten und die man praktisch nie wieder loswird. Es wird aber weiterhin propagiert und für toll erklärt."

Bei der Herstellung der Fast Fashion bleiben nicht nur die späteren Abbauprobleme unbeachtet. Durch die Verlagerung der Produktionen in Billiglohnländer wie beispielsweise Bangladesch werden in den Fabriken die Sicherheits-Standards nicht eingehalten; es kommt immer wieder zu verheerenden Unglücken mit vielen Toten.

Großbrände in Textilfabriken

2012 beispielsweise gab es in einer Textilfabrik nördlich von Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs, einen Großbrand mit mehr als 100 Toten. Notausgänge waren nicht vorhanden.

Bei einem Brand sechs Jahre zuvor, ebenfalls in einer Textilfabrik in Bangladesch, versperrten Wachmänner die Ausgänge – aus Angst, die Mitarbeiter könnten Kleidung stehlen. 61 Menschen starben bei diesem Brand; zwischen 2006 und 2012 waren es insgesamt über 500 Arbeiter, die bei Bränden in Bekleidungsfabriken in Bangladesch ums Leben kamen.

Die Rana-Plaza-Katastrophe 2013

Am 24. April 2013 kam es zum Einsturz des achtstöckigen Fabrikkomplexes "Rana Plaza" in der Nähe von Dhaka. In dem Komplex waren hauptsächlich Bekleidungsfabriken untergebracht.

"Der Bau verlief schnell und billig, gesetzliche Abstandsgrenzen und Sicherheitsvorschriften wurden außer Acht gelassen", schreibt Autorin Dana Thomas. "Mit 1.134 Toten und 2.500 Verletzten ist die Katastrophe von Rana Plaza der fatalste Fabrikunfall in der Bekleidungsindustrie in jüngster Geschichte."

Während der Aufarbeitung der Unglücke kam heraus, dass die Rückverfolgung zu den Auftraggebern oder deren Vertragspartnern, die in diesen Fabriken Kleidung fertigen ließen, nahezu unmöglich war. Die Lieferketten der Fast-Fashion-Fabriken sind zersplittert und für den Verbraucher, den Ermittler oder selbst den Auftraggeber nicht mehr nachvollziehbar.

Abkommen zwischen Unternehmen und Textilfabriken

Seit der Rana-Plaza-Katastrophe haben große Unternehmen wie Primark, Tchibo oder H&M ein Abkommen unterzeichnet ("Accord on Fire and Building Safety Agreement"), in dem unabhängige Spezialisten die Textilbetriebe in Bangladesch auf Sicherheitsmängel untersuchen und gegebenenfalls Maßnahmen einleiten.

"In den fünf Jahren zwischen 2013 und 2018 wurden in 1.600 Fabriken 97.000 Verstöße gegen die geltenden Sicherheitsvorschriften, darunter verriegelte Türen, das Fehlen von Notausgängen und gefährliche Verkabelungen, aufgedeckt und behoben", schreibt Dana Thomas in ihrem Buch. "Die Regierung legte 900 Fabriken still, die nicht den Normen entsprachen."

Alles besser nach Rana Plaza?

Auf der einen Seite scheint es in den Kleidungsfabriken in Bangladesch seit dem Abkommen stückchenweise aufwärts zu gehen. Die Journalistin und Autorin Dana Thomas reiste 2018 nach Bangladesch, um sich selbst davon zu überzeugen, ob seit Rana Plaza bessere Arbeitsbedingungen herrschen.

"Mein Fazit: jein", sagt sie. Nach wie vor gibt es die Fabriken, in denen die Treppenhäuser zugestellt, Löschwasser-Kanister zerborsten sind und in denen die Menschen barfuß bei fast 40 Grad arbeiten. Atemschutzmasken fehlen, Fasern und giftige Dämpfe werden eingeatmet – und das alles für einen Hungerlohn: 61 US-Dollar pro Monat verdient ein Arbeiter in Bangladesch; 239 US-Dollar sind es zum Vergleich in China.

2016 gab es Proteste der Arbeiter, die einen existenzsichernden Lohn forderten. Dana Thomas schreibt: "Die Eigentümer und die Regierung antworteten mit Gewalt: 55 Fabriken wurden für eine Woche geschlossen, und 1.500 Arbeiter wurden entlassen. 35 von ihnen landeten im Gefängnis (…)." Fabrikbesitzer argumentieren, dass die Auftraggeber bei höheren Arbeiter-Löhnen in billigere Länder wie Äthiopien abwandern würden.

Vorsicht bei Fast Fashion: Plagiate per Klick

Designer, die monate- oder jahrelang an Kollektionen arbeiten, gehen leer aus, weil die Hersteller der Fast Fashion in Sekundenschnelle die gerade präsentierten Stücke digital kopieren. Kurze Zeit später gibt es die nachgemachten Luxusartikel günstig im Netz zu kaufen – die Originale der Designer sind vergessen. Dank Smartphone-Foto ist das Modestück geklaut.

"Man entdeckt dann online ein tolles Designer-Stück und bekommt ein verlockendes Angebot, weil es die Hälfte kostet", sagt Tristan Jorde. "Da kann ich nur sagen: Verstand einschalten. Wenn ein Stück normalerweise sehr teuer ist, dann gibt es das nicht einfach irgendwo um die Hälfte billiger."

Ist ein Fast-Fashion-Plagiat einmal bestellt, werden manche Bestellungen gleich am Zoll aussortiert. Den Käufer erwarten dann unangenehme Strafzahlungen – und die bestellte Ware wird vernichtet.

Retouren-Problem: Kleidung wird häufig entsorgt

Aber auch ohne Plagiat wird die bestellte Ware oft nicht verwendet: Laut einer Greenpeace-Umfrage aus dem Jahr 2018 wird jedes fünfte Kleidungsstück zurückgesandt. Der Kunde merkt, dass Qualität, Größe oder Farbe nicht stimmen.

Was nicht gleich im Müll landet, wird als Retoure angemeldet: "Nicht nur die Chinesen-Shops, auch alle anderen Online-Shops werben ja mit dieser komfortablen Möglichkeit: 'Schicken Sie alles zurück, wenn es Ihnen nicht gefällt.' Das bedeutet aber immer eine Verdopplung der Transportwege", erklärt Tristan Jorde. Und: "Man kann davon ausgehen, dass die Retouren entsorgt und nur ganz wenige aufgearbeitet werden. Dabei spielen China-Shops im Vergleich zu Amazon nur eine marginal zugespitztere Rolle. Retouren, die dann vernichtet werden, sind ein ökologischer Worst Case."

Genaue Zahlen zur Anzahl der Retouren gibt es von Amazon nicht. Laut einem Bericht des "Handelsblatts" aus dem Jahr 2020 schicken Internetkäufer jede sechste Bestellung zurück.

Tipp: Second Hand statt Fast Fashion-Impulskauf

Fast-Fashion-Mode wie die von Shein & Co. wird auf Instagram massiv beworben und hat begeisterte Anhänger. Die Wertschöpfungskette dahinter ist jedoch weder nachhaltig noch sozial.

"Man kann sehr davon ausgehen, dass billige Klamotten furchtbar hergestellt werden", sagt Jorde. "Und da Ökomode meist im Vergleich sehr teuer ist, rate ich, beim Klamottenkauf auch über Second-Hand-Stores zu gehen – das hat mittlerweile zum Glück auch einen edleren Touch bekommen."

Bewusst und wenig einkaufen, dafür hochwertig

Besitzt man Fast-Fashion-Kleidung, kann man der Umwelt dennoch etwas Gutes tun, erklärt Tristan Jorde. "Selbst wenn Sie ein nicht ökologisches Kleidungsstück tragen, können Sie die ökologische Belastung dadurch senken, indem Sie es lange tragen, es vielfältig kombinieren und seine Nutzungsdauer durch Reparatur so viel es geht verlängern. So verhalten Sie sich auch nachhaltig."

Grundsätzlich gelte jedoch: "Nachhaltigkeit bedeutet, dass ich bewusst einkaufe und mich für das seltenere Shoppen und hochwertigere Kleidung entscheide als für einen schnellen und günstigen Impulskauf."

Nachhaltige Kleidung: Labels beachten

"Beim Einkauf für nachhaltige Kleidung gibt es kleine Marker, auf die man sich verlassen kann", sagt Jorde. Das sind zum Beispiel die Siegel

  • IVN
  • GOTS
  • Grüner Knopf

Trotz Label geht es um den nachhaltigen Umgang mit dem Kleidungsstück: "Wenn ich 20 Grüne-Knopf-Shirts bestelle, hat die Umwelt auch nichts gewonnen."

"Leider gibt es in vielen Klamotten auch Logos, die dem Verbraucher nichts sagen, zum Beispiel Blümchen oder Bäumchen oder Wölkchen oder die Null-Aussage '100 Prozent recycelbar'", sagt Tristan Jorde.

"Recyceln kann man alles, aber es ist eine Frage des Aufwands und des ökologischen Nutzens. Man weiß aber nicht, was diese Logos aussagen – geht es um die Faser-Herstellung, die Verspinnung, die Veredelung? Oder um das Färben, die Verteilung, die Entsorgung?" Im besten Fall ist alles miteinander gemeint, aber: "Das ist die absolute Ausnahme."

Stationären Handel dem Online-Handel vorziehen

"Mein großes Plädoyer ist für den stationären Handel, allein dort kann man vielen Problemen, die es im Online-Handel gibt, aus dem Weg gehen", erklärt Jorde.

Alternativ könne man auf eine Kombination zwischen stationärem Laden und einer Online-Bestellung bei diesem Laden gehen: "In Ausnahmefällen, wenn man die Dinge wirklich gar nicht im Laden bekommt, kann ich mir die Marke dort vielleicht anschauen, sie anprobieren und dann auch online von diesem Laden bestellen."

Tipps für Jugendliche

Zunächst können Eltern viel bewirken, indem sie mit ihrem Nachwuchs gemeinsam im Laden bewusst einkaufen gehen und weniger online bestellen. "Es kann aber auch ein soziales Event sein, wenn ich mit meinen Freunden in den Laden gehe und miteinander Kleidung ausprobiere", schlägt Jorde vor.

"Das kann dann auch so weitergehen, dass man die Klamotten nach einer Zeit tauscht oder Teile von jemand anderem mit seinen eigenen kombiniert – oder gleich eine Kleidertauschparty veranstaltet."

Umweltbewusstes Denken – mehr Schein als Sein

Aber geben die letzten Jahre beim Thema Nachhaltigkeit nicht auch der Modebranche Hoffnung? Schließlich gibt es schon weniger Fleischkonsum, mehr junge Kleingärtner, mehr Umweltbewusstsein?

Tristan Jorde erklärt: "Ich bemerke es auch, aber das Problem ist: Es gibt ein totales Auseinanderdriften zwischen Erkenntnis und Handeln. Für umweltbewusst halten sich wahrscheinlich sehr, sehr viele Menschen – und haben auch viel sensibles Gedankengut in diese Richtung. Wenn wir uns aber die Verkaufszahlen anschauen, stimmt es nicht. Es dominieren weder Bio-Kleidungsstücke noch die Second-Hand-Läden noch die Reparaturcafés noch die kleinen Schneidereien. Es spiegelt sich fast nichts im Verhalten wider."

Teure, fair hergestellte Kleidung können sich oft nur die Besserverdiener leisten. "Wir sollten daher nicht den Öko-Aufschlag zahlen müssen, sondern sinnvoll wäre ein Junk-Aufschlag", sagt Jorde. "Diejenigen, die verschleißend produzieren, müssten mehr Abgaben bezahlen. Und es müsste auch regulär werden, dass Normalverdiener nicht neidisch auf die Bio-Einkäufer schauen müssen, sondern es sollte für alle leistbar sein."

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Tristan Jorde vom Fachbereich Umwelt und Produktsicherheit der Verbraucherzentrale Hamburg
  • Korrekte Klamotten. Wenn schon shoppen, dann gleich die Welt verbessern. Broschüre der Verbraucherzentrale Hamburg e.V. zum Download
  • Dana Thomas: Unfair Fashion. Der hohe Preis der billigen Mode. München 2020. Riva Verlag.
  • Zeit.de: Mehr als 100 Tote bei Feuer in Textilfabrik (25.11.2012)
  • daserste.ndr.de: Chronik der tödlichen Brände (02.12.2012)
  • bpb.de: Vor fünf Jahren: Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch eingestürzt (23.04.2018)
  • oav.de: Der "Accord on Fire and Building Safety in Bangladesh"
  • Fashionunited.de: Löhne in Bangladesch: Ist das Existenzminimun in Sicht? (26.04.2027)
  • Greenpeace.de: Wegwerfware Retouren. Greenpeace-Umfrage zum Kauf – und Retouren-Verhalten bei Online-Bestellungen
  • Handelsblatt.com: Bundesverbraucherministerium nimmt Retouren-Boom im Online-Handel ins Visier (30.11.2020)
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