Lieferando, Wolt und Co: Wir Deutschen bestellen gerne auswärts. Ist ja auch praktisch, die Kuriere liefern das Essen direkt bis zur Tür. Meist mit dem Fahrrad, zuverlässig bei Wind und Wetter. Wie bequem, dass man Trinkgeld schon über die App zahlen kann. Aber: Bekommt das am Ende auch der Fahrer?

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Wer kennt das nicht? Sonntagabend, der Magen knurrt, der Film läuft schon. Drei, vier Klicks: Die Pizza ist bestellt. Noch ein Klick mehr: Sie geben großzügig Trinkgeld. Eine Stunde später, Sie werden unruhig. Was dauert da so lange? Es klingelt. Der Fahrer, schwere Jacke, Helm, Sonnenbrille, kommt die Treppe hoch. Er lächelt. Auf dem Rücken der würfelförmige Rucksack. "Der Arme macht den Job echt bei jedem Wetter", denken Sie noch. Der Mann geht wieder. Die Frage bleibt: Kommt das Trinkgeld überhaupt bei ihm an?

Wir glauben: Ohne schlechtes Gewissen schmeckt es besser. Also haben wir für Sie nachfragt:

Vom Restaurant bis auf den Küchentisch

Keine Frage: Die meisten Deutschen bestellen bei Lieferando. Über 15 Millionen Menschen in mehr als 2.000 Städten erhielten ihr Essen im vergangenen Jahr über den Lieferdienst. Das ist rund das Vierfache der Einwohnerzahl von Berlin. Rund 32.000 Restaurants nutzen die App für ihre Lieferungen. Dafür berechnet Lieferando ihnen 14 Prozent des Bestellwerts. Die Restaurants entscheiden, ob sie die Bestellungen selbst ausliefern, oder die Fahrerinnen und Fahrer von Lieferando nutzen.

Neun von zehn Restaurants liefern dem Lieferdienst zufolge ihr Essen selbst. Gegen Aufpreis können sie dabei die orange Ausstattung von Lieferando nutzen. Es gibt also wesentlich mehr Restaurant-Kuriere als solche, die für Lieferando arbeiten. Restaurants, die Lieferando für sich fahren lassen, zahlen 30 Prozent des Bestellwerts als Provision.

Wer bei Lieferando bestellt, kann Trinkgeld auf zwei Wegen zahlen. Klassisch in bar, oder per App oder Website. Nach der Bestellung zeigt die App drei Optionen an: 10, 15 oder 20 Prozent des Bestellwerts. Zahlen kann man auch noch 14 Tage nach Bestellung. Waren Sie also besonders zufrieden oder der Kurier besonders nett? Online können Sie über den eigenen Bestellverlauf noch einmal nachlegen.

Wie kommt das Trinkgeld nun an den Fahrer?

Direkten Einfluss hat Lieferando nur bei den eigenen Fahrerinnen und Fahrern. Diese sind fest angestellt und bekommen ihr Trinkgeld zu 100 Prozent und steuerfrei jeden Monat zusätzlich zum Gehalt, gibt der Lieferdienst an. Die meisten Kuriere erhalten das Geld über die Restaurants, für die sie fahren. Lieferando leitet es wöchentlich an die Betriebe weiter. Nach eigenen Angaben mit dem Hinweis versehen, dass sie dieses weitergeben müssen. Denn laut Gewerbegesetz dürfen Arbeitgeber Trinkgeld nicht auf das Gehalt anrechnen. Es steht dem Mitarbeitenden zu.

Letztendlich entscheidet das Restaurant selbst, ob es das Geld zum Beispiel unter allen Mitarbeitenden aufteilt. Lieferando bietet über das Account-Management an, bei Problemen in Sachen Trinkgeld zu vermitteln. "Bei uns häufen sich dahingehend keine Beschwerden", sagt Oliver Klug, Sprecher von Lieferando-Deutschland.

Also doch besser bar?

Ist eigentlich egal, so Klug. "Hauptsache man gibt Trinkgeld." Ein paar Euro in bar zu überreichen, ist natürlich eine nette Geste. Die Fahrerinnen oder die Fahrer können sich dann direkt freuen. Die digitale Zahlart ist praktisch, wenn gerade das Kleingeld fehlt. Und transparent: Über die App können alle Kuriere, ob bei Lieferando oder im Restaurant angestellt, einsehen, wie viel Trinkgeld sie pro Woche bekommen. Und die digitale Funktion kommt den Kurieren offenbar zugute. Denn wie Lieferando angibt, bekommen sie seit Einführung des digitalen Trinkgelds Anfang 2020 mehr.

Blauer Aufsteiger: Wolt

Den finnischen Lieferdienst Wolt gibt es in Deutschland erst seit 2020. Seitdem hat er sich schnell verbreitet. Aus Deutschlands Großstädten sind die blauen Rider – wie die Kuriere heißen – nicht mehr wegzudenken. In Deutschland beschäftigt das Unternehmen derzeit etwa 4.500 Mitarbeitende. Im Unterschied zu anderen Anbietern liefert die Plattform alle Bestellungen selbst. Es gibt bei Wolt also keine Fahrer, die für ein Restaurant arbeiten.

Wolt-Rider radeln durch 20 deutsche Städte und liefern Essen und Produkte aus dem Einzelhandel: zum Beispiel Backwaren, Lebensmittel, Blumen oder Medikamente. Die Händler zahlen dafür 25 bis 30 Prozent des Bestellwerts an Wolt. Man darf annehmen, dass das Angebot in Zukunft steigt. Der Lieferdienst gibt an, die "App für alles” werden zu wollen. Der lokale Einzelhandel soll über die Plattform seine Waren ohne eigenen Online-Shop verkaufen können. "Wir wollen dem Einzelhandel das Rüstzeug an die Hand geben, um gegen Amazon und Co. zu bestehen", so der Anbieter.

Auch wer bei Wolt bestellt, kann bar oder digital über die App Trinkgeld geben. Wolt-Rider sehen eine Stunde nach Auslieferung auf ihrem Smartphone, wie viel Trinkgeld sie bekommen haben. Wolt zahlt es ihnen mit der nächsten Lohnabrechnung aus.

Im Frühjahr klagten Rider, die über ein Subunternehmen für Wolt arbeiteten, keinen Lohn erhalten zu haben. Einige protestierten vor der Zentrale in Berlin. Um Trinkgeld ging es in dem Zusammenhang aber nicht. Das Unternehmen teilte auf Anfrage unserer Redaktion mit: Wolt habe in der Vergangenheit Personaldienstleister beauftragt, um die Flotte zu verstärken. Inzwischen habe der Lieferdienst die eigene Flotte ausgebaut. Für beauftragte Personaldienstleister gelte: "Die jeweiligen Unternehmen müssen uns vertraglich zusichern, dass 100 Prozent des Trinkgelds an die jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fließt."

Besonders schnell: Getir und Gorillas

Immer beliebter ist in Deutschland der sogenannte Click-Commerce: Lebensmittel per Klick aus dem Warenlager, und zwar schnell.

Der größte Schnelldienstlieferant ist Getir. Das türkische Unternehmen übernahm im Dezember 2022 den Wettbewerber Gorillas. In 22 Städten fahren nun Rider in Gorillas-Farben Schwarz-Weiß neben solchen in Gelb-Lila. Sie liefern Waren aus, die Getir direkt bei den Händlern einkauft. Insgesamt gibt es rund 5.000 Lieferboten. Ihr Versprechen: Die Lieferung kommt in unter zehn Minuten. Die Rider strengen sich also ziemlich an. Wäre schön, wenn auch das Trinkgeld schnell ankommt.

Auch für Getir/Gorillas gilt: Sie können den Bonus bar zahlen, oder direkt nach der Bestellung über die App. Laut Unternehmen bekommen die Rider ihr Trinkgeld monatlich und steuerfrei.

Verwendete Quellen:

  • Anfragen bei den jeweiligen Sprechern von Lieferando, Wolt und Getir
  • Website von Lieferando: Lieferando Report 2022
  • Website von Wolt
  • Website von Getir
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