Gerichte müssen bei Kündigungen wegen Eigenbedarfs genau hinschauen und prüfen, ob ein Härtefall vorliegt. Das haben die Karlsruher Richter entschieden. Das Urteil hat Folgen für Mieter und Eigentümer.
Alter und lange Mietdauer allein genügen nicht, damit ein Härtefall vorliegt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Wer sich gegen den Rauswurf bei Eigenbedarf wehren will, muss gut begründen, warum ein Umzug unzumutbar ist.
Gleichzeitig haben die Karlsruher Richter festgelegt, dass Gerichte bei Eigenbedarfskündigungen nicht pauschal urteilen dürfen.
Die Gerichte müssten genau hinschauen, ob ein Härtefall vorliege, und in bestimmten Fällen von Amts wegen ein Gutachten einholen - nämlich dann, wenn der Mieter eine Verschlechterung seiner Gesundheit mit ärztlichem Attest geltend mache.
BGH hebt zwei Urteile zu Eigenbedarfskündigungen auf
Die höchsten deutschen Zivilrichter hoben mit der Entscheidung zwei Urteile auf, in denen Gerichte aus BGH-Sicht nicht gründlich genug geprüft hatten.
In einem Fall war ein Familienvater, der Eigenbedarf angemeldet hatte, mit seiner Revision erfolgreich. Das heißt aber nicht unbedingt, dass er seinen Eigenbedarf durchsetzen kann.
Er hatte einer 80 Jahre alten Mieterin gekündigt, die seit 45 Jahren in einer Berliner Wohnung lebt. Grund: Die junge Familie des Eigentümers braucht selbst mehr Platz.
Das Berliner Landgericht hatte zwar den Eigenbedarf der Familie bestätigt - die Seniorin konnte aber wegen der langen Wohndauer und einer attestierten Demenz trotzdem in ihrem Zuhause bleiben.
Ob die alte Dame nun raus muss, hängt davon ab, ob sie in einem neuen Prozess negative gesundheitliche Folgen bei einem Umzug nachweisen kann. (VIII ZR 180/18)
Gericht muss Auswirkungen von Umzug bewerten
Im zweiten Fall entschied der BGH zugunsten von zwei Mietern einer Doppelhaushälfte in Kabelsketal (Sachsen-Anhalt). Hier war die Vorinstanz der Ansicht, ein Umzug sei den Mietern trotz verschiedener schwerer Krankheiten zumutbar. Dagegen wehrten sie sich erfolgreich bis vor den BGH (VIII ZR 167/17).
Auch hier muss ein neuer Prozess die Auswirkungen eines Umzugs auf die kranken Mieter klären.
Nach dem Gesetz kann ein Vermieter einem Mieter kündigen, wenn er Eigenbedarf für sich, seine Familie oder Angehörige seines Haushalts geltend macht. Der Mieter kann sich dagegen unter Verweis auf einen Härtefall wehren.
Angesichts von Wohnungsnot und immer mehr älteren und hoch betagten Mietern bereitet die Härteklausel Gerichten zunehmend Probleme. Der BGH sieht deshalb die Tendenz, dass viele Fälle in den unteren Instanzen schematisch und "nicht in gebotener Tiefe" gelöst werden. Dem schob er nun einen Riegel vor. (dpa/ank)
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