• Im Sommer fragen sich viele Gartenbesitzer und -besitzerinnen: Wie bekomme ich meine Pflanzen durch die Hitze?
  • Eine Expertin erklärt, warum sich frühes Aufstehen lohnen kann und worauf man beim Bewässern achten muss.
  • Zudem erklärt sie, vor welche Herausforderungen der Klimawandel unsere Gärten stellt und warum Misserfolg beim Gärtnern wichtig ist.
Ein Interview

Was sind Ihre Tipps für den Garten bei Hitze und Trockenheit?

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Isabelle Van Groeningen: Gießen natürlich, aber das vorsichtig und rücksichtsvoll. Wenn man mitten am Tag gießt, dann verdunstet sehr viel. Morgens in der Früh ist die beste Zeit dafür.

Von wie viel Uhr sprechen wir da?

Es lohnt sich, dafür mal so richtig früh aufzustehen und damit meine ich so circa um 5 Uhr morgens. Das ist sehr schön und angenehm kühl um diese Jahreszeit und das Licht ist traumhaft. Wenn man das nicht jeden Tag machen muss, dann ist es wirklich ganz bezaubernd. Wenn man es schon vorbereitet und nur den Sprenger aufstellt, sodass man morgens nur noch den Wasserhahn aufdrehen muss. Und dann auch wirklich lange gießen, eine Stunde mindestens.

Was passiert, wenn man den Rasen zu kurz wässert?

Es ist besser, man wässert einmal die Woche gründlich, als jeden Tag nur kurz. So kann die Wassermenge tief in die Erde eindringen. Das macht wirklich einen gigantischen Unterschied.

Inwiefern?

Gießt man nur kurz, dann ist nur die Oberfläche feucht. Wenn das immer wieder passiert, dann wissen das die Pflanzenwurzeln und sitzen in der oberen Erdschicht und warten auf die nächste Wassergabe. Dann kommt aber vielleicht mal nichts, weil man verreist ist oder die Bewässerungsanlage ausgefallen ist. Dann sterben die Pflanzen ganz schnell. Eigentlich sind sie es gewöhnt, bis tief in die Erde hinein zu wachsen und auf die Suche zu gehen nach Grundwasser.

Gilt das für alle Pflanzen?

Ja, eigentlich schon. Pflanzen sind Überlebenskünstler.

Was ist zu tun, wenn Pflanzen schlapp herunterhängen?

Da lohnt es sich zu schauen, ob das nur so ist, weil die Sonne darauf geknallt ist. Dann erholen sie sich, wenn es kühler wird. Rhododendren zum Beispiel rollen ihre Blätter zusammen, um die Verdunstungsfläche zu reduzieren. Wenn es aber ein Dauerzustand ist, dann heißt es meistens, dass sie zu trocken sind. Es kann aber auch sein, dass sie in ihrem Übertopf voller Wasser ertrunken sind.

Was kann man vorbeugend tun, damit es den Pflanzen gut geht?

Erstens so viel wie möglich im Herbst pflanzen, damit die Pflanzen die ganze kühle Saison vom Herbst, Winter und Frühjahr die Zeit haben, um anzukommen und Wurzeln zu bilden. Wichtig ist zweitens auch Mykorrhiza beim Pflanzen zu verwenden.

Was ist das genau?

Das sind Pilzmyzelien. Die meisten Pflanzen bilden eine Symbiose mit Pilzen. Da findet dann ein Austausch zwischen Pflanze und Pilz statt. Der Pilz braucht Zucker und liefert im Austausch Wasser und Nährstoffe an die Pflanze. Pilze haben ein sehr weitreichendes Wurzelwerk und kommen auch an das Wasser heran, an das die Pflanze alleine nicht reichen würde.

Können wir überhaupt noch die Pflanzen anpflanzen, die bei uns schon lange heimisch sind oder müssen wir im Zuge des Klimawandels künftig auf Pflanzen zurückgreifen, die wärmere Gefilde gewöhnt sind?

Das müssen wir wahrscheinlich. Einige Pflanzen kommen mit den veränderten Bedingungen gut zurecht, aber einige, auch viele einheimische Bäume, vertrocknen und sind im Augenblick wirklich sehr gestresst durch Hitze und Trockenheit.

Was passiert, wenn Bäume gestresst sind?

Das Risiko, dass sie von Ungeziefer befallen werden, ist dann hoch. Das ist wie beim Menschen. Wenn wir geschwächt sind, dann ist das Risiko, dass wir krank werden, auch höher.

Welche Pflanzen könnten künftig bei uns heimisch werden?

Mehrere Fachleute sind gerade dabei zu recherchieren, welche alternativen Möglichkeiten es gibt. Manche Vögel und Insekten sind abhängig von einer spezifischen Pflanze. Zum Glück jedoch nicht alle. Viele akzeptieren beispielsweise statt der deutschen Eiche auch eine südeuropäische Eiche. Da steht uns noch enorm viel Recherchearbeit bevor.

Welche Tipps haben Sie, um den Garten ökologischer zu gestalten?

Wichtig ist erstens, dass wir so viel Material wie möglich aus lokaler Herkunft benutzen. Dass wir also keinen Stein oder kein Holz vom anderen Ende der Welt benutzen. Zweitens, indem man versucht, mit dem zu arbeiten, was schon da ist, anstatt alles auszureißen und komplett neu zu machen. Da gibt es gestalterisch sehr viel, was man da machen kann. Man sollte auch so wenig wie möglich harte Fläche haben, wo das Wasser nicht durchsickern kann.

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Worauf kommt es bei der Bepflanzung an?

Vielfalt ist ganz wichtig. Je mehr Artenvielfalt, desto besser. Auch die Blühperiode kann man versuchen zu verlängern. So dass man beispielsweise sehr früh blühende Pflanzen hat, so wie die winterblühenden Gehölze. Viele der Tiere und Vögel werden im Winter auf eine Diät von hauptsächlich Saaten und Früchten umstellen. Während des Frühlings, wenn sie ihre Jungen bekommen, brauchen sie eine eiweißreiche Diät. Dann vertilgen sie das Ungeziefer. Das ist dann auch eine gute Zusammenarbeit. Das Bed & Breakfast, das man im Winter angeboten hat, wird also reichlich zurückgezahlt.

Sie kommen ja aus der englischen Tradition des Gärtners. Was halten Sie vom Englischen Rasen? Kann ein Garten auch zu ordentlich sein?

Ordentlich sein hat nicht nur etwas mit dem Rasen zu tun, es hat auch damit zu tun, wie man seine Beete pflegt. Man darf auch ruhig, besonders im Randbereich des Gartens, Schmuddelecken haben. Da darf dann auch mal eine Brennnessel stehenbleiben oder Ähnliches. Denn diese ist unheimlich wichtig für verschiedene Insekten. Auch das Scharbockskraut, das im Frühjahr gelb blüht, ist eigentlich nicht im Weg, weil es zu einer Zeit blüht, in der die Stauden noch sehr klein sind und im Sommer ist es dann komplett verschwunden.

Wie wichtig ist die Einstellung beim Gärtnern?

Die Einstellung ist sehr wichtig. In früheren Generationen war der Garten geleckt. Das ganze Laub wurde rausgeharkt. Das ist aber ein großer Fehler, denn das Laub ist unheimlich wichtig. In den Blättern sind wichtige Nährstoffe gespeichert. Die Nährstoffe werden wieder freigesetzt, wenn sie kompostieren, so dass die Bäume sie wieder zu sich nehmen können. Da hat sich die Natur einen perfekt geschlossenen Kreis ausgedacht. Es bringt auch nichts, immer penibel das Unkraut aus jedem Beet zu jäten. Sobald man seine Schubkarre abgestellt hat, kommt schon das nächste Kraut wieder. Denn die Natur will sich schützen. Nackte Erde ist da ein Tabu. Das ist wie beim Körper, wenn man eine Wunde hat, versucht der Körper auch so schnell wie möglich, diese zu verschließen.

Gehören Misserfolge zum Gärtnern dazu?

Ja. Ich mache auch immer noch Fehler. So viele verschiedene Faktoren beeinflussen das Wohlsein von Pflanzen.

Welche?

Temperatur, Regen, die Sonneneinstrahlung, Hitze, Kälte, viele Bösewichte, die ihre Pflanzen vernaschen, Krankheiten. Wenn etwas nicht geklappt hat, kann man es wieder versuchen und vielleicht einen neuen Weg einschlagen. Das ist nicht wie bei Gehirnchirurgen, wo der erste Versuch klappen muss. Einfach mal probieren, Sachen aussäen, Sachen pflanzen, ein bisschen auf die Standort- und Lichtverhältnisse achten. Wenn eine Rose beispielsweise nicht genug Sonnenlicht bekommt, dann baut sie nicht genug Kraft auf für die zweite Blüte.

Sie haben in früheren Interviews erzählt, dass ihre Leidenschaft für das Gärtnern von ihrem Vater geweckt wurde. Wie kann man kleine Kinder fürs Gärtnern begeistert?

Das hat auch mit der Persönlichkeit zu tun. Meine Schwester beispielsweise hat keinen grünen Daumen und hat sich nie so dafür interessiert wie ich. Ich habe schon als Kind angefangen, in meiner Sandkiste ein kleines Gärtchen anzulegen. Ich habe auch Zeichnungen gefunden aus meiner Kindergartenzeit, da hatte ich ein Maiglöckchen zwar nicht gut gezeichnet, aber botanisch gesehen völlig korrekt. Man sollte Kindern einfach die Möglichkeiten geben, ein kleines Gemüsebeet oder ein Blumengärtchen anzulegen. Und zwar nicht in einer unfreundlichen, düsteren, trockenen Ecke. Sachen anpflanzen lassen, die schnell kommen und ein schnelles Erfolgserlebnis zulassen. Etwas wie Radieschen oder so.

Was bedeutet ein Garten für Sie?

Ich finde, ein Garten ist etwas sehr Intimes und Privates. Für jeden ist es etwas total anderes. Wir lassen unsere Kunden Storyboards und Fragebögen machen, um herauszufinden, wie man die Bilder, die im Kopf des Kunden sind, gut umsetzen und das Beste aus dem Grundstück machen kann. Ein Garten braucht auch eine gute Struktur.

Sie haben mal gesagt, Pflanzen seien wie Menschen. Haben Sie eine Lieblingspflanze und warum?

Ich habe mal angefangen, eine Liste mit meinen Lieblingspflanzen zu erstellen. Daraus wurden dann schnell meine hundert Favoriten. Wer mir immer riesige Freude bringt, ist der Mohn, besonders der große Orientalische Mohn. Das ist so eine richtige Diva, laut, mit dem großen, kurzen Auftritt und einer fantastischen Farbe. Auch Schwertlilien mag ich beispielsweise sehr. Aber auch das bescheidene, zurückhaltende Alpenveilchen. Diese Verschiedenheit macht das Leben so viel reicher.

Über die Expertin: Dr. Isabelle Van Groeningen ist eine renommierte Gartenhistorikerin aus Antwerpen, die an den Kew Botanic Gardens in London Gartenkultur studiert hat, mit anschließender Promotion an der Universität York. Seit 2008 leitet sie die Gartenschule an der Königlichen Gartenakademie in Berlin-Dahlem, die sie gemeinsam mit Gabriella Pape im selben Jahr gegründet hat. Für ihr Buch "Die sieben Jahreszeiten – neue Anregungen für den Garten rund ums Jahr" erhielt sie den Deutschen Gartenbuchpreis 2022.

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