Als Überschusstiere werden jene Tiere bezeichnet, für die in Tierversuchslaboren keine Verwendung mehr gefunden wird und die letztendlich einfach entsorgt werden. Bedauerlicherweise ist die Anzahl dieser Tiere unvorstellbar groß.

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Rund vier Millionen Tiere starben in deutschen Tierversuchslaboren als sogenannte Überschusstiere. "Überschusstiere" – eine dermaßen empathielose Bezeichnung für fühlende Lebewesen, die im Labor geboren sind, für die es aber keine experimentelle Verwendung mehr gibt. Die erschreckend hohe Zahl basiert auf der Auswertung einer Anfrage, die der Verein "Ärzte gegen Tierversuche e. V." an alle deutschen Bundesländer versendet hatte.

Die traurige und schreckliche Tabelle führt das Bundesland Berlin mit 833.339 gemeldeten Überschusstieren an, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit 680.735 und Baden-Württemberg mit 680.149 getöteten Tieren. Obwohl Berlin zu den kleinsten Bundesländern gehört, verlieren dort 21,13 Prozent aller in Deutschland gemeldeten Überschusstiere ihr Leben. Doch eines haben alle Bundesländer gemeinsam: Keines hat einen vernünftigen Grund für die Tötung der Tiere im Sinne des Tierschutzgesetzes angegeben.

Die Auswertung bezieht sich auf das Jahr 2017, da erst ab diesem Jahr die Versuchslabore auch die Überschusstiere zählen und melden müssen. Grundlage dafür ist der Artikel 54, Absatz 1 der 2010 in Kraft getretene Tierversuchsrichtlinie 2010/63EU. Gemäß diesem Artikel haben alle EU-Mitgliedstaaten erstmals zum 10. November 2018 und danach alle fünf Jahre die Zahlen der Tiere, die gezüchtet, aber nicht für Experimente verwendet und getötet wurden, an die Europäische Kommission zu melden.

Die Daten für Deutschland melden die zuständigen Länderbehörden ausschließlich an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). In den veröffentlichten und somit der Bevölkerung publik gemachten Tierversuchsstatistiken, tauchten diese Zahlen bisher nicht auf.

Insgesamt veröffentlichte die EU 2020 die genaue Anzahl der in 2017 EU-weit getöteten Überschusstiere: 12,9 Millionen! Das BMEL hat für Deutschland im Jahr 2017 exakt 3.944.300 Überschusstiere an die EU gemeldet. Über 30 Prozent aller Überschusstiere verlieren somit ihr Leben in deutschen Versuchslaboren.

Warum gibt es Überschusstiere?

Folgende Hauptgründe nennen die Tierversuchslabore für die "Entsorgung" der Überschusstiere:

  • Geschlecht: Tierversuche werden hauptsächlich mit männlichen Tieren durchgeführt. Weibliche Tiere könnten durch den variablen Hormonhaushalt die Testergebnisse beeinflussen.
  • Alter: Die in einem Versuchsprojekt eingesetzten Tiere müssen alle ungefähr dasselbe Alter haben. Damit kann unterschiedliches Alter die Testergebnisse nicht beeinflussen.
  • Geschwistertiere: Da der Einsatz von Geschwistertieren vermieden wird, müssen bei einem Versuchsprojekt mit zehn Tieren auch zehn verschiedene Zuchtpaare eingesetzt werden. Überzählige Geschwistertiere töten die Labore.
  • Gentechnisch veränderte Tiere: Tiere, die die gentechnisch gewünschte Veränderung nicht vollständig in sich tragen, sind in den meisten Fällen uninteressant und finden ebenfalls den Tod.

2021 starben mehr als 5 Millionen Tiere in deutschen Laboren

Über 5 Millionen Tiere – diese erschreckende Bilanz der getöteten Tiere zeigen die aktuell (Stand Januar 2023) veröffentlichten offiziellen Tierversuchsstatistiken für 2021.

Für das Jahr 2020 erfasste die Statistik rund 2,5 Millionen getötete Versuchstiere. Der Grund für die dramatische Zunahme liegt darin, dass seit 2021 deutsche Statistiken auch die Zahl der Überschusstiere erfassen und veröffentlichen. Ihre Anzahl beträgt in der aktuellsten Auswertung erschreckende 2.554.664 Tiere, die ausschließlich deshalb sterben, weil sie keine Verwendung in den Laboren fanden.

2021 wurden 1.859.475 Tiere in Tierversuchen verwendet und größtenteils getötet. Weitere 644.207 Tiere tötet man zu "wissenschaftlichen Zwecken", um etwa Organe oder Gewebe zu entnehmen. Somit sind 2021 insgesamt 2.503.682 Tiere im Rahmen von Tierversuchen oder Organentnahmen getötet worden (knapp 30.000 getötet Tiere mehr als 2020).

Mäuse sind die in der Forschung mit Abstand am häufigsten verwendeten Tiere. 2021 starben circa 1.343.000 von ihnen im Rahmen wissenschaftlicher Experimente. Fische sind mit rund 226.000 die zweithäufigste Tierart, gefolgt von Ratten mit rund 135.000 Exemplaren. Aber nach wie vor werden auch andere Tierarten für Tierversuche verwendet: Mehr als 62.700 Kaninchen, 26.700 Vögel, 11.100 Schweine, 8.700 Meerschweinchen, 2.650 Hunde, 1.880 Affen, 1.850 Pferde/Esel und 860 Katzen starben 2021 in deutschen Tierversuchslaboren.

Ob allerdings die Anzahl der getöteten Überschusstiere stimmt, ist fraglich. Denn niemand weiß, ob Versuchslabore die Tiere ordentlich oder nur "Pi mal Auge" zählen und melden. Laut Dipl. Biologin Silke Strittmatter, Mitarbeiterin bei "Ärzte gegen Tierversuche e.V" und bis 2017 Pressesprecherin der Organisation steht zu befürchten, dass "die tatsächliche Zahl der als Überschuss getöteten Tiere ein tiefes schwarzes Loch unbekannten Ausmaßes" ist.

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Tierschutz und Schutz fühlender Lebewesen ist im Grundgesetz fest verankert. Das Tierschutzgesetz schreibt sogar vor, dass zum Töten eines Tieres ein "vernünftiger Grund" vorliegen muss. Dass Politiker, Behörden und Wissenschaftler EU-weit dennoch die Tötung von Lebewesen wissentlich in Kauf nehmen, nur weil diese unerwünscht oder nicht zu gebrauchen sind, macht einfach nur sprachlos.  © Deine Tierwelt

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