Sie begeistert mit ihrem Criollo-Wallach Milan (7) in den sozialen Medien. Sarah Hagenauer zeigt, wie tief die Freundschaft zwischen Mensch und Pferd gehen kann. pferde.de sprach mit ihr über eine ganz besondere Beziehung, die ziemlich schwierig begann und warum loslassen manchmal alles ändern kann…

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Auf Instagram hat sie fast 30.000 Follower. Doch Influencerin will Sarah Hagenauer (36) aus Radolfzell-Stahringen nicht sein. "Ich möchte nur zeigen, wie ich mein Leben mit meinem Pferd Milan verbringe", sagt sie. Und eine Botschaft möchte sie gerne vermitteln: "Ich möchte zeigen, was alles möglich ist, wenn wir mit Tieren partnerschaftlich umgehen. Denn Milan ist für mich nicht nur ein Pferd. Er ist mein bester Freund."

Dass Pferde eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielen, verdankt sie ihrem Vater: "Er reitet seit 50 Jahren. Mit ihm saß ich schon als kleines Kind auf dem Pferd. Er ist Westernreiter und hat meine Schwester und mich früher mit dem Lasso eingefangen", erzählt Sarah Hagenauer lachend. Daher gehörten Pferde zum Familienleben einfach dazu. "Und mit 13 Jahren bekam ich mein erstes eigenes Pferd."

Milan wuchs als Fohlen fast frei auf

Dass zu einem Pferd auch viel Verantwortung gehört, hat sie schon damals gelernt. "Ich wusste: Mein Pferd kriege ich nicht einfach so geschenkt. Ich muss Frisco mitfinanzieren. Deshalb habe ich immer für mein Pferd gearbeitet." Es gab auch Momente, in denen sie nicht begeistert war. "Reitstunden im Winter waren nicht so toll", gibt sie zu. "Und wenn ich runtergefallen bin, war ich auch frustriert."

Zu einem Pferd gehört viel Verantwortung.
Zu einem Pferd gehört viel Verantwortung. © Foto: Privat/Sarah Hagenauer

Als Frisco 16 Jahre war, musste Hagenauer ihn gehen lassen: "Er hatte Hornsäule und war leider nicht mehr behandelbar." Trotz der Trauer stand für sie sofort fest: Ohne Pferd – das geht nicht. "Mit meinem Vater habe ich dann ein neues Pferd gesucht. Dabei haben wir einen Züchter gefunden, der seine Criollos als Herde fast frei aufwachsen lässt – also ohne Kontakt zu Menschen. Ich wusste gar nicht, dass es das noch gibt. Das hat mich so neugierig gemacht, dass wir hingefahren sind."

"Er hat sich zuerst überhaupt nicht für mich interessiert"

Schon beim ersten Besuch stand für Hagenauer fest, welches Fohlen sie haben möchte. "Fohlen sind ja alle süß", sagt sie lachend. "Dort waren alle neugierig – bis auf eins. Es wirkte schüchtern, stand immer etwas abseits. Ihn wollte ich, weil er so anders ist." Milan war damals ein Jahr alt. "Der Züchter war von meiner Wahl nicht wirklich überzeugt. Er traute mir das Fohlen wohl nicht zu." Sie lacht. "Da wollte ich ihn noch mehr!"

Hagenauer kaufte Milan, sprach ab, dass er noch ein Jahr bei seiner Herde blieb. "In der Zeit habe ich schon viel Zeit mit ihm verbracht." Dann wurde er in eine Box gebracht und sollte langsam an Menschen gewöhnt werden. "Das passte ihm überhaupt nicht. Er war total stinkig, dass er nicht mehr auf der Weide toben durfte." Wochenlang saß sie bei ihm in der Box. "Er hat sich überhaupt nicht für mich interessiert, hat sich immer weggedreht." Berühren, streicheln? Unmöglich.

"Ich schaue mal, wohin die Reise mit uns geht…"

Aufgeben kam für Hagenauer nicht in Frage. "Obwohl es schon frustrierend war", gibt sie zu. Aber sie ging weiter zu ihm, saß wieder und wieder in seiner Box. "Irgendwann hat er sich gedacht: Okay, die lässt nicht locker, dann rieche ich wenigstens mal an ihr. Das war unser Meilenstein. Danach hat sich alles entwickelt." Gleichzeitig hatte sie ihre Erwartungen abgeschüttelt. "Damals dachte ich: Wenn es schon so lange dauert, bis ich ihn anfassen darf, dann werde ich ihn vielleicht nie reiten können." Hagenauer überlegt kurz: "In dem Moment habe ich beschlossen, dass ich loslassen muss. Dass ich keine Erwartungen mehr haben will. Sondern einfach mal schaue, wohin die Reise mit Milan und mir geht…"

Streicheln war anfangs unmöglich.
Streicheln war anfangs unmöglich. © Foto: Privat/Sarah Hagenauer

Vielleicht hat Milan das Loslassen gespürt. Denn so langsam ließ er sich immer mehr auf Sarah Hagenauer ein. Er ließ sich kraulen, ging mit ihr spazieren. Dann kam der Tag des Umzugs. Wie würde er auf den Hänger, den er nicht kannte, reagieren? "Es war unglaublich: Er ist einfach so mit mir zusammen in den Hänger gelaufen."

Auf dem neuen Hof war sie der Anker für Milan

Auf dem neuen Hof war sie jeden Tag bei ihm. "Diese Zeit hat uns zusammengeschweißt", sagt Hagenauer. "Alles war neu und aufregend für ihn. Ich war die Einzige, die er kannte. Die einzige Verbindung zu seinem alten Leben. Wenn ich kam, ist er auf der Weide im Galopp auf mich zugekommen. Ich war einfach sein Anker." Und sie? Hagenauer genoss jeden Moment mit ihm. "Ich habe immer geguckt, was er möchte."

Als Milan dreieinhalb Jahre alt war, legte sie ihm den Sattel auf. "Das war völlig unkompliziert. Danach ging es in Mini-Schritten weiter. Ich habe am Anfang mal für eine Minute draufgesessen, bin dann sofort wieder abgestiegen. Dann bin ich mal zehn Meter geritten. In der ganzen Zeit habe ich alles miteinander verbunden. Ich bin zum Beispiel mit ihm spazieren gegangen, habe mich zwischendurch kurz draufgesetzt und danach sind wir nebeneinander wieder weitergelaufen."

Milan zeigt, was er mag – und was nicht

Ein Jahr später kam der erste Ausritt. Und dann ging es immer weiter. "Dabei habe ich immer darauf geachtet, was ihm gefällt." Wie er seinen Missmut zeigt? "Dann bleibt er stehen und legt extrem die Ohren an." So war es auch am Anfang beim Reiten. "Ich verstand, dass er mein Bein nicht will. Also brauchte ich eine Alternative. Seitdem reite ich ihn mit meiner Stimme." Bei ihren Ausflügen kann es auch passieren, dass Milan plötzlich an eine Bank geht und dort stehenbleibt. "Wenn er mal muss, mag er es nicht, wenn ich drauf sitze. Da ich im Gelände immer eine Bank zum Aufsteigen nutze, ist das sein Signal: Ich muss mal, steig mal ab", sagt sie lachend.

Sarah genießt jeden Moment mit Milan.
Sarah genießt jeden Moment mit Milan. © Foto: Privat/Sarah Hagenauer

Doch Ausritte allein reichten Hagenauer nicht. "Ich liebe Wanderritte." Auf Instagram wollte sie Gleichgesinnte finden. "Dadurch habe ich viele tolle Leute kennengelernt, mit denen ich teilweise auch schon Wanderritte gemacht habe. Für sie habe ich dann angefangen, meinen Alltag mit Milan zu zeigen." Sie hatte eine kleine Gruppe Follower – bis sie ein Video einstellte, das zeigt, wie sie durch den Wald radelt – und Milan frei neben ihr herläuft. "Für mich war das ganz alltäglich, das machen wir immer mal wieder", sagt sie lachend.

Gemeinsame Sprache – dann wächst man zusammen

Doch auf Instagram geht ihr Video viral. "4,7 Millionen Mal wurde es mittlerweile abgespielt", sagt sie und ihre Stimme klingt dabei, als könnte sie es noch immer nicht glauben. Seitdem bekommt Hagenauer immer mehr Follower. "Das plötzlich so ein Interesse da war, das hat mich geehrt", sagt sie. Mit dem Interesse kamen auch die ersten Angebote von Firmen, ob sie nicht Werbung machen könne. "Aber daran habe ich kein Interesse, ich will keine Influencerin werden", sagt sie. "Ich bin Lehrerin und das will ich auch bleiben. Instagram möchte ich aus Vergnügen machen und kein Geld damit verdienen."

Trotzdem möchte sie den Erfolg nutzen. "Ich habe seitdem mehrere Anfragen bekommen, ob ich das nicht auch anderen Pferden beibringen kann", sagt sie. "Aber das kann und will ich nicht. Ich kann aber anderen meinen Weg zeigen. – Und ihnen sagen, dass wir mit Geduld und Empathie fürs Pferd viel mehr erreichen als mit Druck. Man muss eine gemeinsame Sprache finden. Dann wächst man zusammen."

Auf Instagram erzählt Milan aus seinem Leben

Ihre Tipps hat sie in einem Buch aufgeschrieben, "Das hatte ich für meine Schüler geschrieben", so Hagenauer. "Ich hatte eine Klasse mal für einen Tag bei Milan und das war unglaublich, wie er auf die Kinder wirkte. Deshalb wollte ich ihnen zeigen, was Milan uns allen zu sagen hat." Es entstand "Lass uns zusammen Grashalme zählen." "Als ich dann auf Instagram immer wieder Anfragen bekam, habe ich es im Selbstverlag rausgebracht. Ich hoffe, dass es den Menschen die Perspektive des Pferdes zeigt", sagt sie.

Milan ist ein echter Freund.
Milan ist ein echter Freund. © Foto: Privat/Sarah Hagenauer

Genau diese Perspektive nutzt sie auch auf ihrem Instagram-Account milanroessle. Dort erzählt Milan von seinem Leben mit Sarah Hagenauer und klärt dabei nebenbei ein paar Missverständnisse auf. Zum Beispiel als sie völlig müde zu ihm kam und mit ihm im Round Pen Schritt-Trab-Übergänge üben wollte. Stattdessen legte er sich plötzlich auf den Boden und wartete, bis sie sich zu ihm legte. "Manch anderer würde jetzt vielleicht sagen: Sarah muss sich doch durchsetzen, das Pferd veräppelt sie doch…", erzählt Milan. "Doch hat sie nicht mich veräppelt? Motivation vorzuspielen, die sie gar nicht hatte? Wir Pferde spüren eure innere Haltung, eure Erwartungen an uns, eure Freude, euren Frust! Macht uns nichts vor, wir machen euch doch auch nichts vor!"

Milan ist das größte Geschenk!

Genau solche Situationen gehören zum Leben mit Pferden dazu. "Die Tiere sprechen so deutlich mit uns, aber es ist nicht immer angenehm", so Hagenauer. – Und auch nicht immer das, was in die eigenen Pläne passt. "Wenn ich merke, dass er nervös wird, dass er sich nicht wohlfühlt – dann muss ich auch mal etwas abbrechen", sagt sie. Wie ihre Tour im Schwarzwald. "Normalerweise schlafe ich immer bei ihm. Aber dort gab es nur eine Box und darin keinen Platz für mich. Also musste er die Nacht allein verbringen." Die erste Nacht nahm Milan hin, in der zweiten Nacht reichte es ihm. "Er hat die ganze Nacht gegen die Tür gebollert, bis ich bei ihm war." Und weil es keine andere Möglichkeit gab, brach sie die Tour ab. "Fünf Tage waren geplant, wir sind dann nach zwei Tagen eben abgefahren."

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Für sie war das ganz selbstverständlich. Denn Milan ist für sie ein Freund und in Freundschaften muss man Kompromisse schließen. Das heißt auch, mal eine Pause zu machen. "Auch im Training. Wenn es heute nicht klappt, dann vielleicht morgen umso besser. Die Zeit, die man ihnen gibt, wird immer belohnt", ist Hagenauer überzeugt. Denn das hat sie von Milan gelernt. Der "Lohn": "Ich wüsste heute nicht mehr, wo unsere Grenzen sind. Wenn wir unterwegs sind, übernachten wir allein im Wald. Er legt sich neben mich und schläft. Überhaupt ist er noch nie abgehauen. Er scheint eine Sicherheit in mir zu spüren." Für sie ist Milan deshalb nicht nur ihr bester Freund. "Er ist das größte Geschenk!"  © Pferde.de

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