Ein Urlaub in Ägypten änderte das Leben von Helga Fröschl aus Oberhaching. Dort lernte sie Alina kennen, ein abgemagertes Kutschpferd. Sofort war klar: Sie muss helfen. Daraus entstand der Verein "Voice of the Soul e.V.". pferde.de sprach mit ihr über Zufälle, die das Leben ändern können und warum aus Leid etwas Gutes entstehen kann…
Tiere? "Habe ich schon immer geliebt", sagt Helga Fröschl lachend. Vor allem Pferde gehörten zu ihrem Leben dazu. "Mit sechs Jahren habe ich mein erstes eigenes Pony bekommen. Seitdem hatte ich fast immer Pferde an meiner Seite." Doch dass sie einmal einen Hilfsverein für Pferde gründen würde – daran habe sie nie gedacht.
Doch dann kam ein Zufall und änderte alles: "Ich wollte 2014 mit Freunden eigentlich nach Chile reisen. Aber dort war Winter, also planten wir um. Und weil Ägypten mich schon immer interessiert hat, fuhren wir dort hin." Während der Reise wollte sie viel vom Land sehen. Und so gehörte eine Nilflussfahrt zum Programm. "Wir wurden immer mit Kleinbussen zu den Sehenswürdigkeiten gefahren. Bis wir in Edfu ankamen. Dort wartete eine lange Schlangen Kutschen auf uns Touristen."
Auch ihr und ihren Freunden wurde eine Kutsche gezeigt. Die Schimmelstute, die davor gespannt war, zerriss der vierfachen Mutter fast das Herz. "Sie war nur Haut und Knochen, hatte viele Wunden. Ich dachte nur: Sie schafft es weder hoch noch wieder runter." Über den Reiseleiter ließ sie den Kutscher fragen, warum die Stute kein Gras bekomme. "Er sagte, das würde er lieber selber rauchen", erinnerte sich Fröschl.
Statt Trinkgeld gab es Futter für die Stute
Während des Ausflugs konnte sie nur an die Stute denken. Als die Tour vorbei war, gab sie kein Trinkgeld. "Stattdessen habe ich Futter für Alina gekauft", erinnert sich Fröschl. Sie musste zurück aufs Schiff, doch die Stute ging ihr nicht aus dem Kopf. "Ein Freund hat ein Foto von ihr gemacht. Als ich das gesehen habe, sagte ich sofort: ‚Ich kaufe sie!‘" Fröschl lacht. "Meine Freunde sagten nur, dass ich spinne. Auch der Reiseleiter, dem ich das erzählte, war ihrer Meinung. Okay, dachte ich. Dann spinne ich eben. Aber ich kaufe sie!"
Sie rief eine Freundin in Deutschland an, die für sie recherchierte. So fanden sie eine Organisation, die von der Engländerin Dorothy Brooke gegründet wurde und viele Standorte in Ägypten hat – auch in Edfu. "Die Mitarbeiter dort haben sich sofort gekümmert und auch die Gewerkschaft eingeschaltet. Der Kutscher wurde mit Alina vorgeladen. Als er hörte, dass jemand sein Pferd kaufen will, sagte er ja. Doch dann sah er, dass sein Pferd gefüttert und versorgt wurde. Und sagte nein."
Ägypten: Vier Wochen blieb Alina in der Klinik
Als es Alina besser ging, holte er sie wieder ab. "Fünf Tage später musste er sie wieder vorführen. Sie war in der kurzen Zeit bereits wieder in einem desolaten Zustand." Fröschl ließ nicht locker, die Hilfsorganisation und die Gewerkschaft halfen ihr – und so konnte sie Alina schließlich kaufen. Der Plan: Die Araberstute sollte nach Deutschland. "Doch das war damals nicht möglich."
Vier Wochen blieb sie in der Klinik, wurde erst einmal richtig behandelt und wieder aufgepäppelt. "Danach kam sie zur Pflege in einen Stall in Kairo. Ich hatte das Glück, einen Stall zu finden, dessen Besitzer ein Herz für Pferde hatte und dieselben Ideen wie ich." Denn längst war klar: Es würde nicht bei Alina bleiben. "Ich hatte ihre Geschichte in Deutschland natürlich erzählt. Und eine Freundin sagte: Da gibt es doch noch mehr Pferde, die leiden. Kannst du denen nicht helfen?" Fröschl überlegte kurz. "Ich habe privat angefangen, Hilfe für die Pferde zu organisieren. Aber ehrlich: Das war allein nicht zu finanzieren." Und so gründete sie im November 2016 mit Freunden den Verein "Voice of the soul e.V.".
Heute sind 95 Pferde in Marsa Matrouh
"Wir mieteten in Kairo in Alinas Stall zehn Boxen und fanden einen Tierarzt, der eine Ambulanz für die Pferde rund um die Pyramiden aufbaute." Immer wieder flog Fröschl nach Ägypten. "So lernte ich auch meinen Mann kennen", lächelt sie. Er lebt in Nordägypten, bei Marsa Matrouh. "Als wir dort am Strand spazieren gingen, sah ich zwei Pferde, die grauenhaft aussahen. Ich wollte von ihm wissen: Wenn ich die jetzt kaufe – finden wir dann einen Platz für sie. Er hat nur genickt…"
Die beiden Pferde wurden gekauft, auf einem Hof fünf Boxen angemietet. Doch schnell kamen weitere Pferde dazu. "Und so haben wir einen eigenen Stall gebaut." Fröschl lacht. "Zum Glück macht mein Mann Rizk alles mit. Ohne ihn würde es nicht gehen. Und er kümmert sich auch um die Straßenhunde und Katzen, die ich anschleppe." Heute leben dort 95 Pferde. "Für viele suchen wir ein neues Zuhause. Aber wir haben auch Pferde, die für immer bei uns bleiben." Wie einen blinden Wallach. "Hier will niemand ein blindes Pferd. Bei uns kann er sein Leben genießen", sagt Fröschl.
Ägypten: Viele können sich nicht einmal das Futter leisten
Rund 800 Pferde hat der Verein bis heute gekauft, die meisten wurden vermittelt. "Oft finden wir einen guten Platz bei den sehr pferdelieben Beduinen. Die Plätze werden von uns sehr genau überprüft und die neuen Besitzer verpflichten sich, die Pferde an uns zurückzugeben, falls sie aus irgendwelchen Gründen wieder hergeben werden müssen." Nur eins steht für Fröschl fest: "Als Arbeitspferd wird keins vermittelt. Dann würden wir sie ins Elend zurückschicken."
Dabei, das betont Fröschl, meinen es viele Besitzer durchaus gut mit ihren Pferden. "Aber viele sind zu arm und können sich nicht einmal das Futter für sie leisten. Vor allem jetzt ist das Getreide in Nordafrika durch den Krieg gegen die Ukraine knapp." Dann gebe es auch viele Besitzer, die es nicht besser wissen. "Deshalb klären wir auf. In Kairo hat unsere Ambulanz ihren Platz direkt bei den Pferden an den Pyramiden. Dort werden täglich zehn bis 20 Pferde behandelt. Dazu verteilen wir Satteldecken, Halfter, Trensen. Denn schlechte Ausrüstung scheuert oft die Haut der Pferde wund." Insgesamt wurden mittlerweile rund 8.000 Pferde medizinisch behandelt.
Der Verein kämpft um jede Pferdeseele
Doch leider gibt es auch Besitzer, die sich nicht um ihre Pferde kümmern. "Da können wir machen, was wir wollen – sie erreichen wir nicht. Das mussten wir leider lernen", sagt Fröschl. – Auch, dass sie nicht immer helfen können. "Manchmal bleibt uns nur der letzte Dienst und wir müssen ein Pferd erlösen." Für sie sind das Momente, die sie kaum erträgt. "Ich stehe dann weinend neben dem Pferd und weiß: Du hattest nie ein schönes Leben und jetzt ist dein Weg vorbei – ohne Happy End."
Dabei kämpft der Verein um jede Pferdeseele. Wie um die Stute Freedom. "Wir haben sie erst vor wenigen Tagen aus dem Abfall geholt. Ihr Besitzer war verreist und seine Frau wollte sie nicht füttern. Sie hat die Stute einfach auf die Straße geschickt. Dort bettelte sie um Futter und Wasser, bekam aber nur Schläge. Schließlich hat sie jemand genommen und auf der Müllkippe festgebunden, damit sie nicht mehr stört." Seitdem kämpfen die Ärzte um das Leben von Freedom. "Wir wissen noch nicht, ob sie es schafft. Sie hat viel Plastikmüll gefressen…"
Oder um Orion. "Wir bekamen einen Anruf, dass ein Pferd am Straßenrand liege. Rizk machte sich sofort mit unserem Pick Up auf den Weg und fand ein Pferd, das alles bisher Erlebte übertraf: abgemagert, dehydriert, teilweise ohne Haare und grauenvolle Wunden." Der Wallach wurde sofort in den Stall in Matrouh gebracht und medizinisch versorgt. Doch wo kam das Pferd her? "Es stellte sich heraus, dass das Pferd völlig entkräftet vor einem Haus zwei Tage in der Sonne lag. Dann entschied der Hausbesitzer, dass er es entfernen will. Er zog es hinter einem Tuck-Tuck her zur nächsten Müllhalde…"
Retten wir ein Pferd, retten wir seine Welt!
Es sind solche Schicksale, die Fröschl und ihre Helfer antreiben. Dabei finanziert sich der Verein ausschließlich über Spenden. "Wir bieten auch Patenschaften für Pferde." Und: "Jede Spende kommt 1:1 in Ägypten an und wird nur für die Pferde verwendet. Unsere Hilfsorganisation besteht nur aus ehrenamtlichen Mitarbeitern, welche Ihre Zeit und auch Materialien für Werbung etc. kostenlos zur Verfügung stellen. Voice of the Soul verursacht keine Verwaltungskosten."
Wie die Vereinsgründeirn das Elend erträgt? "Wenn traurige Pferdeaugen wieder leuchten können – dann weiß ich, es hat sich gelohnt", sagt Fröschl. "Viele Menschen sagen: ‚Man kann nicht allen helfen.’ Und dann helfen sie keinem. Wir wissen, wir können nicht die Welt retten. Aber retten wir ein Pferd, so retten wir seine Welt!" © Pferde.de
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.