- Egal ob beim Bäcker oder auf Flughäfen: In Deutschland werden Arbeitskräfte händeringend gesucht.
- Ist das jetzt die große Chance für Quereinsteiger?
Der Sommer kommt, der Urlaub rückt näher – doch immer mehr (Touristen-) Flieger bleiben in Deutschland auf dem Boden. Es herrscht Personalmangel, nicht nur an deutschen Flughäfen. Schlägt also jetzt die Stunde für einen Berufswechsel? Können Ungelernte in diesem Sommer jeden Job bekommen? Ein Experte gibt Auskunft.
Wo herrscht aktuell akute Personalnot?
Die Lufthansa hat bereits angekündigt, mitten in der Sommerferienzeit 3.100 von insgesamt 80.000 Flüge zu canceln. Andere Airlines vermeldeten ähnliches. Der Grund ist immer der gleiche: Personalmangel. Matthias Hertle von der Bundesagentur für Arbeit (BA) kennt das Problem: "Fachkräfte sind beispielsweise im Baugewerbe, im Handwerk und in IT-Berufen knapp, ebenso wie in der Kindererziehung, in medizinischen Berufen, im Verkauf sowie unter Berufskraftfahrern im Güterverkehr und Lokomotivführern im Schienenverkehr."
Nach mehr als zwei Jahren Pandemie fehlt es überall an Personal, denn im Zuge des Lockdowns und der damit verbundenen Kurzarbeit hatten viele Beschäftigte zum Beispiel das Gastgewerbe verlassen. Von einem "Stotterstart" sprach deswegen die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) laut der "Zeit": "Es kommt jetzt darauf an, Fachleute und Servicekräfte mit guten Konditionen zu werben, um für den Ansturm der Reisenden gerüstet zu sein."
Wo könnte man auch ohne Ausbildung einsteigen?
"Hotellerie, Gastronomie und Veranstaltungsbranche haben sich in diesem Jahr deutlich erholt", sagt Hertle von der BA im Gespräch mit unserer Redaktion. "Auch für Tourismusunternehmen und Fluggesellschaften läuft es besser. Sicher eröffnen sich damit im Sommer Möglichkeiten für einen beruflichen Einstieg."
Hotellerie- und Gastronomiebetriebe verzeichneten laut Hertle etwa infolge der Pandemie mit die größten Verluste bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und würden teils händeringend Mitarbeiter suchen. "In den meisten Branchen beschäftigen Unternehmen Helfer. In Logistik, Hotellerie und Gastronomie, produzierendes Gewerbe und Tourismus können sich Bewerber zum Beispiel umsehen."
Wo hätte man sogar gute Gehaltsaussichten?
In fast allen Tarifgebieten tut sich etwas. So haben sich beispielsweise die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) auf kräftige Lohnerhöhungen geeinigt. Der Einstiegsverdienst liegt nun laut der "Zeit" fast flächendeckend bei mehr als zwölf Euro pro Stunde. Das sei ein Plus von bis zu 30 Prozent. Andere Branchen vermelden Ähnliches.
Eine bloße Fixierung auf gute Gehaltsaussichten bei der Berufswahl sieht Matthias Hertle von der Bundesagentur für Arbeit allerdings kritisch: "Wir empfehlen, für einen nachhaltigen beruflichen Einstieg und zu den Möglichkeiten einer Qualifizierung zunächst in Austausch mit unseren Beratern vor Ort zu gehen, in der Arbeitsagentur oder im Jobcenter."
Hat auch die Flüchtlingssituation Jobchancen beispielsweise als Pädagoge eröffnet?
Nein, ohne dazugehörige Ausbildung kann man zwar jetzt immer noch kein Pädagoge an Schulen werden. Aber eine ähnliche Beschäftigung ist auch ohne pädagogische Ausbildung für Betreuungstätigkeiten denkbar wie beispielsweise als Integrationshelfer oder als Schulassistent. "Hierbei ist im Übrigen nicht ausschlaggebend, dass als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine derzeit Menschen als Flüchtlinge zu uns kommen und Schutz suchen", sagt Hertle von der BA.
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Warum ist aber beispielsweise am Flughafen ein Einstieg von heute auf morgen nicht möglich? Warum muss man sich hier auf einen Vorlauf einstellen?
"Tätigkeiten am Flughafen setzen regelmäßig eine Befähigung oder Ausbildung voraus, sodass ein kurzfristiger Einsatz nicht immer möglich ist", erklärt Hertle von der Bundesagentur für Arbeit. Das heißt aber nicht, dass eine Beschäftigung an Flughäfen nicht infrage kommt. "Auch zu den Voraussetzungen für die Ausübung von Tätigkeiten an Flughäfen bietet es sich an, zunächst einmal in der Arbeitsagentur oder im Jobcenter in ein Beratungsgespräch zu gehen."
Derweil plant die Bundesregierung "die Einreise von dringend benötigtem Personal aus dem Ausland für eine vorübergehende Tätigkeit zu ermöglichen", sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) jetzt der "Bild am Sonntag". Beispielsweise sollen sie ab Juli für einige Monate bei der Gepäckabfertigung eingesetzt werden. Ziel sei es, eine vierstellige Zahl an Fachkräften aus der Türkei nach Deutschland zu holen.
Verwendete Quellen:
- Interview mit Matthias Hertle, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg
- br.de: Regierung kündigt Einsatz ausländischer Helfer an Flughäfen an
- zeit.de: Personalmangel erschwert Neustart im Gastgewerbe
- finanzen.net: Lufthansa-Aktie verliert: Lufthansa streicht weitere 2.200 Flüge in Ferienzeit - Deutsche Bank Research senkt Lufthansa-Ziel
- bild.de: So will die Politik helfen – Bundesregierung holt Gastarbeiter wegen Flughafen-Chaos
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