- Vor allem Kinder und Jugendliche trifft die aktuelle Omikron-Welle. Was tun, wenn es das eigene Kind erwischt?
- Von PCR-Test über Unfallmeldung bis Versorgung zu Hause: Wir beantworten die zentralen Fragen.
Die Omikron-Variante sorgt für Rekordzahlen bei den Neuinfektionen – insbesondere bei Kindern. Was muss ich tun, wenn sich mein Kind angesteckt hat? Zehn Fragen und Antworten zu Quarantäne, Unfallmeldung, PIMS.
Kind ist positiv im Test: Was ist als erstes zu tun?
Die Omikron-Welle rauscht durch Deutschland und immer häufiger sind Kinder von einer Infektion betroffen. Egal ob der Test zu Hause oder in der Schule ein positives Ergebnis anzeigt, Ihr Kind gilt als Corona-"Verdachtsfall". Was bedeutet das konkret? Das Kind muss zu Hause bleiben beziehungsweise sich umgehend nach Hause begeben. Dann rufen Sie die Hausarzt- oder Kinderarztpraxis an und vereinbaren einen Termin für einen PCR-Test. Meist liegt das Testergebnis innerhalb von 24 bis 48 Stunden vor. Hatte das Kind bereits Kontakt mit einer infizierten Person? Dann geben Sie diese Information an die Praxis weiter. Ihre Hausärztin oder Kinderärztin stellt nun eine Krankschreibung aus.
Ist der Schnelltest des Kindes zu Hause positiv ausgefallen, müssen Sie die betroffene Einrichtung selbst darüber informieren. Die Schule bzw. Kita benachrichtigt dann das Gesundheitsamt und schickt gegebenenfalls betroffene Mitschüler oder Kindergartenkinder in Quarantäne. Einige Bundesländer haben die Kontaktpersonenquarantäne für Kitas und Schulen jedoch inzwischen abgeschafft. Aktuelle Regelungen der einzelnen Bundesländer finden Sie auf den Seiten der Bundesregierung.
Sollten Eltern eine Corona-Infektion als Unfall melden?
Sollte sich ihr Kind in der Schule oder auf dem Weg dorthin bei einer Mitschülerin oder einem Mitschüler mit COVID-19 infiziert haben, beantwortet der Fachanwalt für Medizin- und Strafrecht Matthias Klein aus Karlsruhe diese Frage ganz klar mit "Ja". Denn das Kind habe durch die Unfallmeldung Vorteile, wenn es zum Beispiel infolge einer Infektion länger ausfalle oder gar andauernde Schäden wie Long COVID davontrage. "Die Versorgung der Unfallkasse ist sehr gut. Die gesetzliche Unfallversicherung zahlt viel mehr als die Krankenkasse", sagt Anwalt Matthias Klein.
Die Meldung hat innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis der Ansteckung zu erfolgen. Für gewöhnlich wird der Unfall durch die Einrichtung gemeldet. Doch weil Schulen angesichts der Pandemie sowieso am Limit stünden, könne man dies sicherheitshalber auch selbst formlos vornehmen, so Klein. Gleiches gelte für Kinder, die Krippen, Kindertagesstätten oder Horte besuchen.
Ein ausführlicher Leitfaden der Initiative "U12 Schutz – Impfen für Kinder" fasst die aktuelle Situation für Eltern zusammen (Stand 27.01.2022). Dieser empfiehlt Sorgeberechtigten auch eine symptomlose Infektion mittels PCR-Test zu bestätigen und bei der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) zu melden.
Aber was ist, wenn aufgrund knapper Ressourcen und der angekündigten Priorisierung kein kostenloser PCR-Test für das Kind möglich ist? Der Medizinrechtler Klein rät in solchen Fällen dazu, den Test privat bei einem zertifizierten Anbieter durchführen zu lassen, die Rechnung aufzubewahren, diese als Kopie mit der Unfallmeldung bei der GUV einzureichen und eine Erstattung des Aufwands zu fordern. Denn ein zeitnaher PCR-Test als Bestätigung eines Schnelltests sei der "sicherste Weg", eine Infektion nachzuweisen.
Die Unfallkasse Hessen bestreitet dies. Ein Eintrag ins sogenannte Verbandbuch sei völlig ausreichend. Matthias Klein empfiehlt hingegen "in jedem Fall" eine Unfallmeldung einzureichen. Die Infektion im Verbandbuch zu dokumentieren, reiche seiner Auffassung nach keinesfalls aus. Nach dem heutigen Stand der Forschung über Long COVID sei völlig unklar, welche Auswirkungen eine Infektion für Kinder mittel- und langfristig habe. Eltern sollten daher Nachweise für die Infektion des Kindes unbedingt sichern.
Es sei derzeit ebenso unklar, wie die Unfallversicherung reagiere, wenn sich Monate nach der Infektion Auswirkungen beim infizierten Kind zeigten und dann eine Reha nötig würde. Sich hier nur auf einen Eintrag im Verbandbuch zu verlassen, um dann eine individualisierte Meldung nachzureichen, hält er für "grob fahrlässig" und falsch.
Welche Regeln gelten für infizierte Kinder?
Ist die Infektion durch einen PCR-Test bestätigt, muss sich das Kind isolieren, also zu Hause bleiben. Die Isolation wird eigentlich vom zuständigen Gesundheitsamt angeordnet. Weil die Gesundheitsämter indes überlastet sind, kann so eine Benachrichtigung tagelang auf sich warten lassen.
Isolation bedeutet: Das Kind darf das Haus nicht verlassen. Auch wenn frische Luft guttut, darf es nicht einfach so spazieren gehen. Allerdings können Sie Rücksprache mit dem Gesundheitsamt halten, etwa, wenn Sie keinen Garten oder Balkon haben, denn diese Bereiche dürfte das Kind während der Isolation betreten.
- Die Isolation dauert in der Regel zehn Tage.
- Sie kann nach sieben Tagen mit einem negativen Schnell- oder PCR-Test beendet werden, wenn das Kind oder die Jugendliche keine Corona-typischen Symptome aufweist.
Auch wenn sich im Verlauf noch mehr Familienmitglieder infiziert haben, können diese nach dem siebten Tag die Isolation mit einem zertifizierten Antigen-Test oder einem PCR-Test beenden, wenn dieser negativ ist oder eine niedrige Viruslast anzeigt.
Was gilt für die anderen Familienmitglieder?
Enge Kontaktpersonen von Menschen, die mit COVID-19 infiziert sind, müssen in der Regel aufgrund eines erhöhten Ansteckungsrisikos in häusliche Quarantäne. Ungeimpfte Personen, z.B. ungeimpfte Geschwisterkinder, müssen also ebenfalls zu Hause bleiben.
Gerade wenn Kinder von Quarantänemaßnahmen betroffen sind, ist es jedoch wichtig, verhältnismäßig vorzugehen. Denn die häusliche Quarantäne stellt für Kinder eine besonders große Herausforderung dar. Die Familie sollte Hygieneregeln einhalten und individuelle Lösungen für die Situation finden.
Gemäß Bund-Länder-Beschluss vom 7. Januar 2022 sind folgende Personen von der Quarantänepflicht befreit:
- Dreimal Geimpfte (zweifach immunisiert plus "Booster"). Dazu sind insgesamt drei Impfungen erforderlich (auch bei jeglicher Kombination mit dem COVID-19 Vaccine Janssen von Johnson & Johnson).
- Geimpfte Genesene: Geimpfte mit einer Durchbruchsinfektion oder Genesene, die sich nach einer Erkrankung haben impfen lassen.
- Personen mit einer zweimaligen Impfung, ab dem 15. Tag bis zum 90. Tag nach der zweiten Impfdosis.
- Genesene: vom 28. Tag bis zum 90. Tag ab dem Datum, an dem sie die Probe für den positiven Corona-Test abgegeben haben.
Wie kann ich einer weiteren Ansteckung in der Familie vorbeugen?
Gemeinsam kuscheln, lesen, spielen, essen – je jünger das Kind ist, desto mehr körperliche Nähe ihrer Eltern brauchen sie. Während es mit viel Organisation gelingen kann, vom positiv getesteten Partner auf Abstand zu gehen, funktioniert das bei Kindern nicht.
Laut RKI sollten sich infizierte Personen unabhängig vom Impfstatus der Haushaltsangehörigen möglichst getrennt von anderen zum Beispiel in einem Einzelzimmer aufhalten – dies ist natürlich für kleine Kinder oder gar Babys nicht ratsam!
Folgende Maßnahmen können dagegen einfach umgesetzt werden:
- Regelmäßig lüften.
- Die üblichen Hygieneempfehlungen strikt befolgen: Hände waschen, Husten- und Niesetikette einhalten.
- Wenig Alltagsgegenstände gemeinsam verwenden, eigene Handtücher benutzen, Wäsche und Bettwäsche regelmäßig waschen.
- Geschirr, Besteck und Küchenutensilien mit möglichst heißem Wasser und reichlich Spülmittel oder in der Spülmaschine bei mindestens 60°C reinigen.
- Türklinken, Lichtschalter, Klospülung und gemeinsam benutzte Ablageflächen desinfizieren.
- In den Gemeinschaftsräumen empfiehlt das RKI eine FFP2-Maske zu tragen.
Vor einem schweren Verlauf schützt in der Regel am besten die Dreifach-Impfung beziehungsweise die Zweifachimpfung und eine Durchbruchsinfektion.
Welcher Verlauf erwartet mein Kind bei einer Corona-Infektion?
Omikron führt bei Kindern generell zu leichteren Verläufen als bei Erwachsenen. Als Symptome bekannt sind etwa Fieber, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, aber auch Gliederschmerzen und extreme Müdigkeit. Sollte ihr Kind jedoch Atemprobleme haben oder sich nur schwer wachhalten können, sollten Sie unbedingt sofort den Rettungsdienst rufen (Telefon 112) oder sich mit dem Kind direkt ins Krankenhaus begeben.
Das Bundesgesundheitsministerium empfiehlt grundsätzlich, dass Betroffene "ihr Immunsystem nach Möglichkeit mit viel Ruhe und Schlaf sowie einer ausgewogenen Ernährung unterstützen". Hilfreich sei auch, viel zu trinken, da der Körper bei Infektionen mehr Flüssigkeit benötige.
Mit welchen Folgen ist nach einer Corona-Infektion zu rechnen?
Grundsätzlich wissen wir darüber noch wenig. "Auch wenn COVID-19 in der Regel bei Kindern und Jugendlichen keine schwere Erkrankung ist, kann es in Einzelfällen in Folge der Erkrankung zu schwerwiegenden Krankheitsmanifestationen kommen. So bestehen mit Long COVID und dem sogenannten Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS) zwei Krankheitsbilder, deren Langzeitprognosen noch nicht endgültig bekannt sind", schreibt das RKI auf seiner Website.
Was ist Long COVID?
Krankheitszeichen und Symptome, die mehr als zwölf Wochen nach Krankheitsbeginn auftreten, werden als Long COVID bzw. Post COVID-19-Syndrom bezeichnet. Bisher wurden größtenteils Studien zu Long COVID bei Erwachsenen publiziert, wohingegen die Datenlage bei Kindern noch sehr begrenzt ist.
Long COVID kann schwere Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, die Lebensqualität, das soziale Leben und das Familienleben haben. Häufige Symptome sind laut RKI anhaltende Erschöpfungszustände (Fatigue), Atembeschwerden, Geruchs- und Geschmacksstörungen, Konzentrations- und Schlafstörungen, Kopfschmerzen, depressive Verstimmung und Herzrhythmusstörungen. Insgesamt können verschiedene Symptome über mehrere Wochen oder gar Monate auftreten.
"Es ist unklar, ob und in welcher Häufigkeit Long COVID bei Kindern vorkommt. Insgesamt scheint Long COVID für diese Altersgruppe eine geringere Bedeutung zu haben als für Jugendliche und Erwachsene", so das RKI. Doch eine große, kontrollierte Kohortenstudie des Zentrums für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung der Uni Dresden alarmierte vergangenes Jahr. Die Forschenden haben Krankenkassendaten von mehr als 150.000 Personen mit nachgewiesener COVID-19-Erkrankung ausgewertet. Sie verglichen, wie häufig in dieser Gruppe neu gemeldete Symptome im Vergleich zu 750.000 nicht an COVID-19 erkrankten Menschen auftraten. Die Analysen zeigen, dass bei Erwachsenen, aber auch bei Kindern und Jugendlichen mehr als drei Monate nach Corona-Diagnose häufiger neue Symptome und Erkrankungen diagnostiziert wurden als bei vergleichbaren Personen ohne COVID-19-Diagnose.
Was ist PIMS?
In seltenen Fällen – etwa drei von 10.000 – können Kinder und Jugendliche wenige Wochen nach einer Corona-Infektion schwer am sogenannten PIMS-Syndrom erkranken. Dabei ist irrelevant, ob die Kinder eine COVID-19-Infektion mit den typischen Symptomen durchgemacht haben oder ob die Viruserkrankung symptomlos abläuft. Im medizinischen Sprachgebrauch wird diese Krankheit "Multisystem Inflammatory Syndrom in Children" (MIS-C) oder "Pediatric Multisystem Inflammatory Syndrom" (PIMS) genannt.
Nach der Corona- Infektion spielt das Immunsystem der betroffenen Kinder verrückt. Sie leiden plötzlich an Fieber, geschwollenen Lymphknoten und einer geröteten Bindehaut oder bekommen Hautausschläge. Zudem können Bauchschmerzen auftreten, die zunächst an eine Blinddarmentzündung denken lassen. Der Großteil der erkrankten Kinder leidet nicht an Vorerkrankungen. PIMS ist laut dem RKI in der Regel gut behandelbar und hat eine gute Prognose.
Die Kinderklinik des Regiomed Klinikums Coburg hatte erst im Januar gewarnt, dass immer mehr Kinder und Jugendliche mit diesen schweren Ganzkörperentzündungsreaktionen behandelt würden. Unterdessen zeigt eine kleine Studie, dass bei Jugendlichen die zweimalige Impfung mit dem Impfstoff von Pfizer/BioNTech mit 91-prozentiger Wirksamkeit vor PIMS schützen konnte.
Warum sind gerade Kinder so stark von der Omikron-Welle betroffen?
"Besonders betroffen werden diejenigen sein, die noch nicht geimpft, genesen beziehungsweise geboostert sind", hatten die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), die Deutsche Gesellschaft Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in einer Stellungnahme vom Dezember vergangenen Jahres prognostiziert.
In Deutschland leben etwa 4,8 Millionen Kinder unter fünf Jahren, die abgesehen von einer off-Label-Impfung immer noch immunologisch ungeschützt sind. Von den Kindern im Alter von fünf bis 11 Jahren sind nur knapp elf Prozent zweifach geimpft. 59 Prozent der Zwölf– bis 17-Jährigen sind zweifach geimpft.
Während am Anfang der Pandemie besonders ältere Menschen ohne Impfschutz als besonders gefährdet galten, hat sich der Fokus nun auf Kinder und Jugendliche verschoben. Auch nach mehr als zwei Jahren Pandemie zeigt sich das Bildungswesen nicht fähig, gleichzeitig Infektionsschutz und Unterricht bzw. Betreuungsangebote sicherzustellen.
© RiffReporter
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