• Rund 20 bis 25 Prozent der Schüler haben laut Lehrerverband größere Lücken im Lernstoff.
  • Die Politik fördert Kinder und Jugendliche mit einem zwei Milliarden Euro starken Programm.
  • Eltern können mit festen Strukturen helfen und individuelle Lernangebote organisieren.

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Für viele Schüler ist seit Beginn der Corona-Pandemie ein großer Teil des Präsenzunterrichts ausgefallen. Statt gemeinsamen Lernens war Homeschooling angesagt. Diese Einschränkungen haben große Auswirkungen auf die soziale und psychische Entwicklung der Kinder, dazu kommt bei vielen ein Rückstand beim Lernstoff.

In den Niederlanden gibt es bereits erste Zahlen zu dieser Problematik. Eine landesweite Studie ergab, dass der Lernverlust etwa einem Fünftel des Schuljahres entspricht. Bei Schülern aus bildungsferneren Familien lagen die Verluste sogar bei bis zu 60 Prozent.

Lernstand in Deutschland wird derzeit noch ermittelt

Für Deutschland gibt es noch keine Daten. "Es gibt hierzu noch keine Zahlen, da der individuelle Lernstand der Schülerinnen und Schüler gerade erst erhoben wird", sagt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). Dies passiert in der Schule, durch die begleitende Lehrkraft und im Kontext des tatsächlich vermittelten Lernstoffs.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek legt großen Wert darauf, dass Lernstandserhebungen durchgeführt werden. Ihrer Aussage nach geht der Lehrerverband davon aus, dass 20 bis 25 Prozent der Schüler größere Lücken haben.

Wie viele Schüler nicht versetzt werden, ist momentan noch nicht absehbar. "Nach den individuellen Lernstandserhebungen sollte es zunächst Gespräche mit der Lehrkraft geben, inwieweit gegebenenfalls entstandene Lernrückstände parallel zu neuem Wissen aufgeholt werden können", betont Udo Beckmann. Für die meisten Schüler würde das funktionieren. "Für diejenigen, bei denen nicht sicher ist, ob sie dies schaffen können, haben wir stets dafür plädiert, dass ein Wiederholen der Klasse ohne Anrechnung ermöglicht wird."

Politik startet Aktionsprogramm

Der Bund reagiert mit dem zwei Milliarden Euro starken "Aktionsprogramm Aufholen nach Corona" auf Lernrückstände sowie psychosoziale Belastungen von Kindern und Familien. Mit dieser Unterstützung sollen Kinder und Jugendliche nach der Corona-Pandemie die bestmöglichen Chancen auf gute Bildung und persönliche Entwicklung erhalten.

Die Hälfte der Summe steht für Fördermaßnahmen zum Abbau pandemiebedingter Lernrückstände zur Verfügung. Der Bund stellt eine Milliarde Euro bereit, die Umsetzung erfolgt in den Ländern über Sommercamps, Lernwerkstätten oder Nachhilfe in den Kernfächern. Weitere Gelder fließen in Maßnahmen zur frühkindlichen Bildung, wie Sprach-Kitas, zudem werden außerschulische Angebote oder Ferienfreizeiten unterstützt. Zur Bewältigung von Krisenfolgen stockt der Bund die Schulsozialarbeit auf.

Mit dem Ganztagsprogramm für Grundschulen wird darüber hinaus ein neuer Rechtsanspruch eingeführt, der Bildung neue Perspektiven geben und Familien in der Betreuung der Kinder entlasten soll. Das gilt aber erst ab 2026.

Corona vergrößert gesellschaftliche Spreizung

Einen großen Einfluss auf Lerndefizite haben Faktoren wie die wohnliche Situation und die technische Ausstattung von Familien. "Kinder und Jugendliche, die gute familiäre Unterstützung haben, kommen weniger angeschlagen durch die Krise", sagt Oliver Dickhäuser, Professor für Pädagogische Psychologie an der Universität Mannheim. "So vergrößert Corona auch im Bildungsbereich die gesellschaftliche Spreizung."

Bei der Beurteilung des Lernstands sollten Eltern zunächst dem Urteil der Lehrer vertrauen. "Das fällt manchmal schwer, gerade wenn das Kind nur wenig Videounterricht hatte oder jetzt im Wechselunterricht ist", weiß Udo Beckmann vom VBE. "Vielleicht haben Eltern aber nicht gleichermaßen gesehen, wie das Kind Arbeitsblätter ausgefüllt hat und dabei viel selbstständiger geworden ist."

Individuelle Förderung notwendig

Nach Angaben des Verbands Bildung und Erziehung ist Wechselunterricht effektiv, da Schüler fokussierter lernen können. Der Verband forderte daher erneut, Lerngruppen kleiner zu gestalten, um die individuelle Förderung sicherstellen zu können. Wenn Eltern mitbekämen, dass ein Kind große Schwierigkeiten hat, sollten sie den Kontakt zur Lehrkraft suchen. Diese verfügte oft über zusätzliche Materialien oder könne Übungen empfehlen, für die im Unterricht keine Zeit war.

Die Schulen hätten zudem einen Überblick über Förderunterricht oder Sommerschulen. "Zusätzlich empfehle ich auch, aktiv im privaten Umfeld und in der Nachbarschaft zu suchen", rät Professor Oliver Dickhäuser. "Dort wird man schnell auf offene Ohren stoßen." Insbesondere ältere Menschen, die schon geimpft sind, bearbeiteten gerne mit Kindern die Hausaufgaben. Eine Alternative seien digitale Nachhilfeplattformen wie Lern-Fair, die Lehramtsstudierende mit Schülern vernetzten.

Eltern sollten nicht nur auf Lernrückstände achten, viel wichtiger sei es, dass es dem Kind gut geht. Eine große Rolle spielten dabei feste Tagesabläufe, vertraute Ansprechpersonen und funktionierende soziale Beziehungen. Zusätzliche Lernangebote sorgten daher nicht unbedingt für verstärkten Druck, sondern könnten Kindern eine Struktur und Möglichkeiten der Interaktion bieten.

Verwendete Quellen:

  • Schriftliche Anfrage an den Verband Bildung und Erziehung.
  • Niederländische Studie: „Learning Loss Due to School Closures During the COVID-19 Pandemic", Stand 01.06.2021.
  • Bundesministerium für Bildung und Forschung: „Karliczek: Bis zu zwei Milliarden Euro Aktionsprogramm, um die Folgen der Corona-Krise für Kinder und Jugendliche abzumildern“, Stand 01.06.2021
  • Bundesministerium für Bildung und Forschung: „Kinder und Jugendliche nach der Corona-Pandemie stärken“, Stand 01.06.2021
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