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Bereits seit 2022 gilt die General Safety Regulation (GSR II B), die Assistenzsysteme vorschreibt. Reisemobile bekamen bislang noch Aufschub. Für wen bald was genau gilt, erklärt promobil im Report.

Erfreulicherweise hat sich die Zahl der Verkehrstoten auf deutschen Straßen in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter verringert. Waren es im Jahr 1970 noch 21.300 Getötete im Straßenverkehr, lag die Zahl der Menschen, die bei einem Verkehrsunfall hierzulande ums Leben kamen, zuletzt bei 2.830.

Reisemobil-Besatzungen haben an diesen Zahlen nur einen verschwindend geringen Anteil. 2022 waren laut Statistischem Bundesamt lediglich zehn Wohnmobile an Unfällen beteiligt, bei denen Menschen umgekommen sind.

Dennoch bleibt es weiterhin oberste Prämisse der Politik, Menschenleben zu schützen. Der insgesamt positive Trend hat verschiedene Gründe. Merklichen Anteil daran hatten etwa politische Vorgaben für den Straßenverkehr wie das Tempolimit von 100 km/h auf Landstraßen (1972), die Einführung der Gurtpflicht (1984) oder die 0,5-Promille-Alkohol-Grenze (1998).

Mitverantwortlich ist aber auch die Sicherheitstechnik, die Schritt für Schritt in den Fahrzeugen Einzug hielt. Zu nennen sind hier etwa das Antiblockiersystem in Verbindung mit dem Bremsassistenten, mit denen Pkw seit 2011 ausgestattet sein müssen, oder das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP), das zusammen mit einer Antriebsschlupfregelung seit 2014 in Neuwagen obligatorisch ist.

Inzwischen arbeiten in Fahrzeugen zahlreiche Systeme, die mehr Fahr- und Bediensicherheit gewährleisten sollen. Sensoren und Steuergeräte mit komplexer Software halten den Wagen in der Spur, leiten eine Notbremsung ein oder behalten den toten Winkel im Blick. Das erhöht die Sicherheit auf den europäischen Straßen. Welche neuen Helferlein zusätzlich für die Sicherheit sinnvoll sind, überprüft die Europäische Union (EU) laut Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) regelmäßig.

Die General Safety Regulation II

In der EU-Richtlinie (EU) 2019/2144 genauer gesagt der sogenannten General Safety Regulation II wurde im Jahr 2019 festgelegt, dass neue Pkw über weitere Assistenzsysteme verfügen müssen, um die Verkehrssicherheit zu steigern.

Diese Rahmenverordnung regelt, mit welchen Assistenten die Hersteller ihre Fahrzeuge ausstatten müssen (bei neu Typ genehmigten Modellen gilt sie seit Juli 2022 und ab Juli 2024 für alle neu zugelassenen Fahrzeuge). Das sind im Detail: ein Notbremsassistent mit Kollisionswarner, ein Rückfahrassistent, ein intelligenter Geschwindigkeitsassistent, ein Spurhalteassistent, ein Müdigkeitsassistent, ein Notbremslicht und eine standardisierte Schnittstelle für eine alkoholempfindliche Wegfahrsperre.

Auch wenn die Assistenzpflicht zunächst für Pkw gilt, gibt es in aktuellen Reisemobilen schon jetzt Sicherheitssysteme wie beispielsweise die Bergfahrhilfe oder den Seitenwindassistenten.

Bedeutung für die Reisemobilbranche

"Das hat man damals nur für Pkw gemacht", berichtet Jost Krüger, Leiter Referat Technik, Umwelt und Infrastruktur beim Caravaning Industrieverband (CIVD), "Reisemobile und alles andere hat man zunächst ausgelassen."

Die Richtlinien werden zusammen mit dem Europäischen Parlament und dem Europarat und später in Kommissionen und mit den Mitgliedsstaaten ausgehandelt. Mit der Gesetzesfindung für Reisemobile begannen die Beteiligten zu Beginn der Pandemie 2020. "Ich habe in dieser Zeit nur virtuelle Sitzungen mit der Kommission gemacht. Da haben sich dann einige Sachen verzögert, weswegen die Reisemobilhersteller zwei Jahre Aufschub bekommen haben", erinnert sich Krüger.

Es ist nicht unüblich, dass Reisemobile erst später an die Reihe kommen. Anders als Anbieter von Komplettfahrzeugen, die rundum selbst konstruieren und vermarkten, sind die Reisemobilbauer von den Basisfahrzeug-Herstellern abhängig. Und können mit ihren Anpassungen an neue Anforderungen erst dann beginnen, wenn sie die nötigen Daten über die modifizierten Chassis zur Verfügung haben.

Die Fahrzeuge, die die Reisemobilhersteller als Basis für ihre Aufbauten nutzen, sind laut EU-Richtlinie 2018/858 meist Güterfahrzeuge und gehören je nach Gesamtgewicht zur Fahrzeugklasse N1 (bis 3,5 t) oder N2 (über 3,5 t).

Laut Kraftfahrtbundesamt gehören Wohnmobile durch den Umbau zu den Fahrzeugen mit besonderer Zweckbestimmung (Special Purpose Vehicle). Dafür müssen im Fahrzeug eine Kochstelle, ein Bett, ein Tisch und Stauraum vorhanden sein. Sind alle Kriterien erfüllt, mutiert das Nutzfahrzeug zu einem Fahrzeug zur Personenbeförderung mit besonderer Zweckbestimmung (M1SA). Dann gilt die Durchführungsverordnung 2022/2236, auch GSR II B genannt.

Blick in die Zukunft: Das gilt ab 2026

Darin ist festgelegt, dass die Reisemobilhersteller erst ab Juli 2024 für neu homologierte Fahrzeuge an die Verordnung gebunden sind. Ab Juli 2026 gilt die Verordnung dann für alle neu zugelassenen Reisemobile. Unterschieden wird bei den Bestimmungen für die Fahrzeuge dennoch anhand der zugrunde liegenden Basisfahrzeug-Klasse. So sind die leichteren Fahrzeuge bis 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht von weitreichenderen Regelungen betroffen als die schwereren Fahrzeuge.

Jost Krüger vermutet, es werde zwei Arten von Fahrzeugen geben. Die, in denen alle Assistenten verbaut sein werden und die dementsprechend vom Chassis und vermutlich vom Endpreis her teurer sein werden. Und die Fahrzeuge, die die Systeme noch nicht verbaut haben werden, beziehungsweise bei denen sie später hereinkommen.

Markus Ferri, Head of Camper Business bei Iveco, verweist auf Nachfrage ebenfalls auf den gewährten Aufschub für Special Purpose Vehicles. Auf dem Geschäftsfeld der Reisemobile, bei dem das Unternehmen überwiegend im vollintegrierten Luxusbereich liefere, sei man gerade in der Validierung mit den Reisemobilpartnern. Man rechne damit, dass die Gespräche gegen Ende des Jahres abgeschlossen seien, sodass die Systeme dann pünktlich eingeführt werden können.

Dabei ist Iveco bereits vorbereitet auf die Richtlinie, denn deren Basisfahrzeug Daily hat die 2026 erforderlichen Assistenzsysteme schon jetzt serienmäßig. Zudem sind Systeme wie beispielsweise der Spurhalteassistent schon jetzt bei verschiedenen Reisemobilen verbaut. Auch einige andere Chassishersteller wie Ford bieten laut Jost Krüger bereits alle relevanten Systeme in ihren Basisfahrzeugen an. Andere Hersteller liefern die System-Bandbreite noch nicht. Krüger betont, dass das rechtlich vollkommen okay sei, da die Hersteller noch nicht alle Systeme anbieten müssen.

Die Hersteller von Campingbussen und ausgebauten Kastenwagen haben es am einfachsten, denn hier sind meist keine größeren Anpassungsarbeiten nötig, um die vom Basisfahrzeug-Hersteller vorbereiteten Assistenzsysteme anbieten zu können.

Auf Hersteller von Integrierten kommt dagegen die größte Arbeit zu, denn die neuen Systeme basieren meist auf Sensoren oder Kameras, die innen an der Windschutzscheibe oder am Kühlergrill montiert werden. Durch die eigene Integrierten-Front sind hier entsprechende Tests und Justierungsarbeiten nötig. Knaus erklärt auf Anfrage etwa, dass man die sogenannte Multi-Purpose-Camera künftig selbst hinter der Windschutzscheibe anbringen und kalibrieren werde und mit diesem Prozess bereits vertraut sei.

Kann man die Assistenzsysteme nachrüsten?

Nachrüsten lassen sich diese Helferlein meist nicht. Doch es gibt Ausnahmen, wie etwa Totwinkel- und Spurwechsel-Warner. Die sind zwar nicht Teil der GSR II, tragen aber zur Sicherheit bei. Nachrüstprodukte bieten hier beispielsweise Carawarn, CMS oder Dometic an.

Spurhalteassistent

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Funktionsweise: Der Assistent nutzt Kameras bzw. Sensoren, um Fahrbahnmarkierungen zu erkennen. Bei drohendem Verlassen der Spur warnt das System den Fahrer durch visuelle oder akustische Signale. Einige Systeme können auch aktiv eingreifen, indem sie Brems- oder Lenkimpulse geben, um das Fahrzeug wieder in die richtige Spur zu bringen.

Reifendruck-Kontrollsystem

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Funktionsweise: Das System überwacht den Luftdruck in den Reifen mithilfe von Sensoren. Bei Unterschreiten eines bestimmten Druckniveaus sendet es dem Fahrer eine Warnung, oft durch eine Anzeige im Armaturenbrett, um zum Luftnachfüllen aufzufordern.

Notbremsassistent

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Funktionsweise: Der Notbremsassistent überwacht ständig die Umgebung des Fahrzeugs mithilfe von Kameras und Sensoren. Wenn eine drohende Kollision erkannt wird und der Fahrer nicht rechtzeitig reagiert, greift das System automatisch ein, indem es die Bremsen betätigt oder verstärkt, um die Geschwindigkeit zu verringern oder das Fahrzeug zu stoppen.


Anfahrassistent

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Funktionsweise: Der Anfahrassistent, auch Berganfahrassistent genannt, hält das Fahrzeug beim Anfahren an Steigungen für einen kurzen Moment mit den Bremsen fest, während der Fahrer vom Brems- aufs Gaspedal wechselt. So wird ein Zurückrollen des Fahrzeugs verhindert. Sobald das Fahrzeug einkuppelt, löst das System die Bremsen, ermöglicht ein sanftes Anfahren und erhöht die Sicherheit und den Komfort an Steigungen.

Müdigkeitserkennung

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Funktionsweise: Die Müdigkeitserkennung analysiert das Fahrverhalten und die Lenkbewegungen des Fahrers, um Anzeichen von Müdigkeit oder Unaufmerksamkeit zu erkennen. Nach Auswertung der Daten warnt das System gegebenenfalls den Fahrer, wenn Anzeichen von Müdigkeit festgestellt werden, um Unfälle durch Sekundenschlaf zu vermeiden.

Alkoholbasierte Wegfahrsperre

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Funktionsweise: Gemeint ist eine standardisierte Schnittstelle für eine alkoholbasierte Wegfahrsperre. Diese ermöglicht die Integration eines Alkoholtests in das Fahrzeug. Der Fahrer muss sich vor dem Starten des Motors einem Atem-Alkoholtest unterziehen. Bei Überschreiten des festgelegten Grenzwerts wird der Motor blockiert, um das Fahren unter Alkoholeinfluss zu verhindern.

Intelligenter Geschwindigkeitsassistent

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Funktionsweise: Der Assistent, auch ISA (Intelligent Speed Assist), nutzt Kameras zur Erfassung von Verkehrsschildern und -bedingungen. Anhand dieser Daten passt das System die Fahrzeuggeschwindigkeit automatisch an die geltende Höchstgeschwindigkeit an. Durch visuelle oder akustische Warnungen informiert es den Fahrer über Abweichungen und kann sogar eigenständig die Geschwindigkeit reduzieren, um Tempolimits einzuhalten.

Rückfahrhilfe

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Funktionsweise: Eine Rückfahrhilfe verwendet Sensoren oder Kameras, um den Bereich hinter dem Fahrzeug zu überwachen. Sie warnt den Fahrer vor Hindernissen durch akustische oder visuelle Signale, um Kollisionen beim Rückwärtsfahren zu verhindern und die Sicherheit zu erhöhen.  © Promobil

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