Vor fünf Jahren erstmals als Studie gezeigt, gehört der Hymer Venture S heute zu den unkonventionellsten Modellen auf dem Markt. promobil zeigt, was er kann und wie er bei Campern ankommt.

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Düsseldorf, Caravan Salon 2019: Um eines der ausgestellten Fahrzeuge bildet sich eine besonders große Menschentraube. Das Ausstellungsstück, das so viel Aufmerksamkeit erregt, ist der Vision Venture, eine Studie, die Hymer in Zusammenarbeit mit BASF und den Designern des Studio SYN entwickelt hat. Das Ergebnis ist ein Teilintegrierter mit integrativer Fahrzeugfront und Ambitionen zum Expeditionsmobil. Optisch ähnelt der Camper auf allradgetriebenem Mercedes Sprinter sehr einem Campingbus, obwohl der 2,16 Meter schlanke Publikumsmagnet technisch gesehen zu den aufgebauten Reisemobilen zählt. Die Grenzen zwischen den Aufbautypen verwischen bei diesem Modell in mehrfacher Hinsicht.

Hymer Venture S

  • Grundpreis ab: 230.000 Euro
  • Länge/Breite/Höhe: 6,45/2,16/3,07 m
  • Zul. GesamtgewichT: 4.100 kg
  • Gurte/Schlafplätze: 2/2–4

Anders als die meisten Konzeptfahrzeuge, die auf Messen vorgestellt und dort eindrucksvoll in Szene gesetzt werden, verschwindet der Vision Venture aber nicht einfach still und leise wieder. Vielmehr steht er im Jahr 2022 erneut prominent auf dem Hymer-Messestand in Düsseldorf. Dieses Mal als serienreifes Modell mit dem Namen Venture S. Neben dem neuen Namen gibt es weitere Unterschiede zur Studie. So verzichtet Hymer beim Venture S auf den kostspieligen von BASF entwickelten temperaturregulierenden Außenlack. Zudem bleibt der Mercedes-Sprinter-Bug mit Fahrerhaus nun original. Trotz der Veränderungen: Mit einem Basispreis von 230.000 Euro ist der Venture S alles andere als ein Schnäppchen und spielt locker in der Liga der gehobenen Liner. Darüber hinaus hat der 6,45 Meter lange Hymer allerdings nur wenig mit einem Liner gemein.

promobil fragt die Leser

Der exotische Teilintegrierte zieht 2019 wie heute alle Blicke auf sich. Das zeigt sich auch, als promobil mit dem Testfahrzeug den Reisemobilhafen Bad Dürrheim ansteuert, um herauszufinden, wie die anwesenden Camperinnen und Camper das unkonventionelle Modell beurteilen. Kaum abgestellt, sammeln sich bereits erste Interessierte um den metallicquellblauen Hymer. Die Sonderlackierung ist mit 8.700 Euro extra gelistet, in Serie trägt er ein kaum weniger auffälliges, pastelliges Sandgrau. Von "Wow!" bis "Wahnsinn!" und "der ist aber schick" tönt es von allen Seiten. Der Venture S ist zweifelsohne der Star auf dem Stellplatz nahe der Solemar-Therme.

"Man kommt rein und kann nur staunen"

Eine Besonderheit und Alleinstellungsmerkmal ist die Heckpartie, die sich komplett öffnen und so mit wenigen Handgriffen in ein kleines Sonnendeck verwandeln lässt. Eine geschickt in den Boden integrierte Leiter ermöglicht den Auf- und Abstieg von außen. Ein Konzept, das nahezu jede vorbeilaufende Camperin und jeden Camper begeistert. Doch schnell taucht die Frage nach dem Stauraum auf. Denn eine Heckgarage gibt es nicht.

Für Fahrräder bietet Hymer optional einen Heckträger. Die Campingmöbel finden Platz in einem Außenstaufach auf der Fahrerseite, das so knapp dimensioniert ist, dass gerade ein Tisch mit Rollplatte und zwei kompakte Faltstühle hineinpassen. Im Gespräch mit den vorbeischauenden Stellplatzbesuchern stellt sich schnell heraus: Der fehlende Stauraum ist für viele ein Ausschlusskriterium.

Begeisterung hingegen schlägt promobil entgegen, als die Camper Platz in der Hecksitzgruppe mit zwei gegenüberliegenden Bänken nehmen. Neben der Gemütlichkeit wird die Aussicht durch das offene Heck besonders hochgeschätzt. Bei schlechtem Wetter geben Echtglas-Panoramafenster, die sich um die Ecken des Hecks legen, den Rundumblick nach draußen frei. Die Sitzgruppe beherbergt zwei Umbau-Schlafplätze für gelegentliche Übernachtungsgäste.

"Vor allem die Inneneinrichtung gefällt mir sehr gut"

Das eigentliche Nachtlager befindet sich aber eine Etage darüber. Wer allerdings einen hohen Fahrzeugpreis mit außergewöhnlich hohem Schlafkomfort gleichsetzt, wird etwas enttäuscht. Denn im Venture S wird auf einer mit Luft gefüllten Matratze geschlafen. Und auch wenn sich der Härtegrad fünfstufig einstellen lässt, mit dem Komfort einer klassischen Kaltschaummatratze kann das Luftbett nicht ganz mithalten. Zudem gibt es nachts beim Hin- und Herdrehen gerne mal knirschende Geräusche von sich.

Damit man es sich im Bett überhaupt erst gemütlich machen kann, muss das Dach aufgestellt werden. Anders, als man es von Campingbussen mit klassischen textilen Bälgen kennt, bestehen die Zeltwände hier aus zwei Luftkammern. Diese werden per Knopfdruck mittels eines kaum überhörbaren Kompressors befüllt. Großen Kraftaufwand erfordert das Aufstellen des Dachs also nicht, jedoch etwas Geduld. Mehrere Minuten vergehen, bis die Kammern mit Luft gefüllt sind, dann wird auch noch die Liegefläche aufgepumpt.

Die meisten Besucher, die den Venture S begutachten, stören sich weder an der Luftmatratze noch an der Tatsache, dass sich das Bett im Oberstübchen befindet. Das liegt vor allem an den fünf üppigen Stufen, über die man bequem hinauf- und hinabgelangt. Nicht nur beim nächtlichen Toilettengang verringert eine echte Treppe das Verletzungsrisiko im Vergleich zu den sonst üblichen Sprossenleitern aus Aluminium.

"Bei dem Preis sollte schon alles stimmen"

Eine Besonderheit hat sich Hymer auch für das auf den ersten Blick relativ gewöhnliche Bad einfallen lassen. Um aus dem kompakten Raum eine gut nutzbare Dusche zu machen, lässt sich nicht nur die Wand samt Waschbecken über die Toilette schwenken, auch die Bad-Frontwand selbst ist beweglich und lässt sich in den Gang versetzen. Auf diese Weise verdoppelt sich die Tiefe der Duschkabine von 41 auf 82 Zentimeter.

Verbesserungswürdig ist die empfindliche Lamellentür, die zum Schließen der Dusche dient. Nur bei sehr vorsichtiger Bedienung springen die Haken nicht aus der Schienenführung in der Decke. Trotz der fragilen Konstruktion – die ausgeklügelte Idee der versetzbaren Wand findet Anklang bei den staunenden Campern.

Die gegenüberliegende Küche mit wertiger Arbeitsfläche, einem gläsernen Zweiflamm-Gaskocher und einer mit Bambus-Abdeckung versehenen Spüle überzeugt nicht nur promobil. Optisch wie haptisch gehört die Küche mit teils gefliester Wandverkleidung zu den Highlights der Stellplatzbesucher. In den in Bambus gehaltenen Teil der Wandverkleidung sind schwarze Schienen eingelassen. Die sehen nicht nur gut aus, an ihnen lässt sich separates Zubehör wie Haken oder Gewürzregale befestigen. Verderbliches wird im 115-Liter-Kompressorkühlschrank gelagert, der wie ein Einbaugerät dezent hinter einem Schrankpaneel verschwindet.

Neben dem Campinggeschirr muss auch ein Großteil des Reisegepäcks in den Schubladen des Küchenblocks, den Auszügen im anschließenden Treppenunterbau oder den drei Stufenfächern verstaut werden. Ein beleuchteter Kleiderschrank mit Hängemöglichkeit befindet sich gegenüber der Küche. Der Platz in dem mit nur 30 Zentimetern schmalen Drehtürenschrank ist aber dadurch begrenzt, dass darin auch die Leinwand für den Minibeamer unterkommen muss. Dieser ist eine Option, doch auch die Aufbewahrung zweier für das Aufstelldach notwendiger Stützen ist hier vorgesehen.

In dem stattlichen Basispreis sind eine Reihe technischer Ausstattungshighlights bereits enthalten. Geheizt wird mit 6-kW-Dieselofen, der warme Luft auch in den ersten Stock bläst. Um die Stromversorgung kümmern sich neben vier LiFePO4-Batterien à 80 Ah auch drei 115-W-Solarpanels. Ebenfalls an Bord ist ein Wasserfilter.

Top ausgestattet ist zudem die Sprinter-Basis: vom permanenten Allradantrieb über das Automatikgetriebe bis hin zu diversen Assistenzsystemen. Wer sich eine Keramiktoilette, elektrische Markise, Unterflurklimaanlage und 18-Zoll-Aluräder gönnt, erreicht schnell einen Fahrzeugpreis jenseits der Viertelmillion. Die Camper in Bad Dürrheim winken dann auch schnell ab, als der Testwagenpreis von rund 258.000 Euro genannt wird.

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Daten und Preise

  • Aufbau: Sandwichbauweise, PU-Verstärkungen, außen und innen Alu, Dach/Boden GfK, Innenverkleidung Filz/folierte Paneele, 2 Kunststoff-, 3 Echtglas-/Kunststoffisolierfenster mit Alurahmen, 1 Dachhaube, 1 Ventilator-Dachhaube.
  • Ausbau: Möbel aus Sperrholz, Sitzbank ohne Gurte, Tisch 820 x 735 x 720 mm, umgebaute Sitzgruppe 1850 x 1000–1100 mm, Dachbett 2100 x 800–1480 mm, Kopffreiheit 670–1500 mm, Kleiderschrank 285 x 1125 x 510–605 mm, Sanitärraum mit Kassettentoilette, integrierte Dusche, Küche mit Zweiflammkocher und Kompressorkühlschrank 115 L.
  • Bordtechnik: Diesel-Gebläseheizung/Boiler Truma Combi 6 D, Frischwassertank 120 L, Abwassertank 100 L, Bordbatterien LiFePO4, 4 x 80 Ah, 3 x 115-W-Solarpanels.
  • Basisfahrzeug: Mercedes Sprinter 419 CDI, Allradantrieb, Vierzylinder-Turbodiesel, Hubraum 1950 cm3, Leistung 140 kW/190 PS, Drehmoment 400 Nm, Neungang-Automatikgetriebe.

Gewichte

  • Zulässiges Gesamtgewicht: 4.100 kg
  • promobil-Leergewicht 3.710 kg.

Preise

  • Grundpreis inkl. Nebenkosten 230.000 Euro
  • Optionen: Metallic-Lack Quellblau 8.700 Euro, 18"-Alufelgen mit AT-Bereifung 5.790 Euro, Sitzheizung 720 Euro, elektrische Markise mit Beleuchtung 1.990 Euro, Fahrradträger (2 Räder) 2.390 Euro, Standstützen 395 Euro, Ventilatordachhaube 450 Euro, Tisch und 2 Stühle passend für Staufach 490 Euro, Keramik-Toilette 495 Euro, Toilettenentlüftung 395 Euro, Unterflurklimaanlage (1.800 W) 1.990 Euro, Minibeamer und Leinwand 1.290 Euro, Soundsystem Fahrerhaus 850 Euro.

Wertung

Maximal 5 Punkte möglich/ Maßstab: Teilintegrierte über 75.000 Euro

  • Betten: 3 Punkte
  • Sitzgruppe: 4 Punkte
  • Küche: 3,5 Punkte
  • Sanitärraum: 3 Punkte
  • Möbelbau: 4 Punkte

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