Athen (dpa) - Die frisch getünchten Häuschen strahlen in der Sonne, die blauen Fensterläden leuchten mit dem Meer um die Wette, die Tische in den Tavernen sind gedeckt. Dennoch lautet die bange Frage: Kommen die Touristen oder kommen sie nicht?
Rund 25 Prozent tragen Besucher aus aller Welt zur griechischen Wirtschaftsleistung bei. Die Flüchtlingskrise, die Entscheidung der Briten, die EU zu verlassen und nicht zuletzt der Putschversuch in der Türkei haben die Branche zutiefst verunsichert.
Noch zu Jahresbeginn sahen die Prognosen gut aus: Von einem Plus von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ging der Chef des griechischen Verbandes der Tourismusunternehmen (Sete) damals aus. Nun musste sich Andreas Andreadis korrigieren. "Wir befinden uns auf unverändertem Niveau", gestand er jüngst in einem Fernsehinterview. Prognosen seien nur noch Rätselwerk; man könne lediglich auf Last-Minute-Buchungen hoffen, um im Vergleich zu 2015 ein leichtes Plus zu erzielen.
Denn seit seiner optimistischen Prognose ist viel geschehen in der Welt, und vieles davon beeinträchtig die Buchungen nach Griechenland. Beispielsweise die Flüchtlingskrise, die vor allem die Ägäis-Inseln Lesbos, Chios, Samos, Kos und Rhodos trifft. Zwar kommen nur noch wenige Flüchtlinge an, doch die Schreckensbilder vom Herbst 2015, als täglich Tausende in Schlauchbooten übersetzten und viele Menschen ertranken, haben sich in den Köpfen vieler potenzieller Besucher festgesetzt.
"Zunächst bescherte uns die Migrationskrise bei den Buchungen ein Minus von 80 Prozent", sagt Giannis Kapasakalis, Chef einer großen Reiseagentur auf Kos. "Nun ist es besser - wir sind nur noch bei minus 20 Prozent." Das sei aber nicht alles: "Nach dem Putschversuch in der Türkei verzeichnen wir einen deutlichen Rückgang türkischer Touristen, die für uns eine wichtige Einkommensquelle sind. Und auch die Tagesausflüge, die Europäer früher von Kos an die türkische Küste buchten, tendieren gen Null. Niemand wagt sich dorthin."
Christos Pilatakis, Manager eines Hotels auf Rhodos, hat ebenfalls gemischte Gefühle. "Einerseits profitieren wir davon, dass die Menschen aus Angst vor Terror nicht mehr in die Türkei oder nach Ägypten fahren. Anderseits leiden speziell unsere Ägäis-Inseln unter der Flüchtlingskrise. Ich glaube, in Griechenland profitieren vor allem Regionen wie der Peloponnes, die Kykladen-Inseln und das Ionische Meer."
Und der Brexit? Da harren die Griechen der Entwicklung. "Bisher hat uns das Votum der Briten nicht beeinflusst", sagt Reiseagentur-Chef Giannis Kapasakalis, denn: "Die Buchungen für 2016 waren schon davor unter Dach und Fach." Allerdings gehen viele Griechen in der Tourismus-Branche davon aus, dass die Briten wegen des gefallenen Pfund-Kurses im Urlaub weniger Geld ausgeben.
Diane Gore, Ex-Bankerin aus London und seit Jahresbeginn Besitzerin eines Häuschens auf der Sporaden-Insel Skopelos, kann das bestätigen. "Ich sitze zwischen Mühlsteinen", erklärt sie ihre finanzielle Situation. "Das Pfund ist abgestürzt, also verliere ich beim Umtausch. Und von jenem Geld, dass ich vor dem Brexit auf mein griechisches Konto geschickt habe, kann ich wöchentlich maximal 420 Euro bar abheben."
Denn bei allen aktuellen Turbulenzen darf nicht vergessen werden, dass Griechenland wegen der Schuldenkrise im Land im vergangenen Jahr Kapitalverkehrskontrollen für die Konten seiner Bürger eingeführt hat, um einen Ansturm auf die gebeutelten Banken zu verhindern. Und dass viele Steuern und Abgaben für Hotels und Gastronomie im Zuge des Sparkurses des Landes ebenso erhöht wurden wie die Eintrittspreise für archäologische Sehenswürdigkeiten und Museen. Zudem liegt der inner-griechische Tourismus wegen der Krise schon längst weitgehend brach.
Immerhin kann die Britin Diane Gore den Griechen bis auf Weiteres die Angst vor dem Brexit und seinen Folgen nehmen. "Zu mir kommen viele Freunde aus Großbritannien zu Besuch", sagt sie. "Was den schlechten Wechselkurs betrifft, so ist ihnen der egal. Sie möchten vor allem irgendwo hin, wo die Sonne scheint und man vor Terror und Attentaten sicher ist." Vor letzterem, immerhin, ist Griechenland bisher verschont geblieben. © dpa
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