- Über 100 Jahre nach Ende der Monarchie in Bayern profitieren die Nachfahren von König Ludwig noch immer von üppigen Ausschüttungen.
- Die Privilegien gehen auf ein 100 Jahre altes Gesetz zurück.
- Die Aufregung ist dennoch begrenzt.
- Auch, weil der bayerische Steuerzahler langfristig profitieren könnte.
105 Jahre ist es her, dass mit der Abdankung von König Ludwig III. die Monarchie in Bayern ihr Ende fand. Dank eines Gesetzes, das am 9. März hundert Jahre alt wird, ist es auch im Jahr 2023 noch lukrativ, dem Adelsgeschlecht der Wittelsbacher - einem der ältesten Häuser im Land - anzugehören. Denn dank einer Vereinbarung, die wohl in Deutschland einmalig ist, darf das Adelshaus bis in alle Ewigkeit mit einer opulenten Abfindung rechnen.
Als die bayerische Monarchie in der Novemberrevolution 1918 ihr Ende fand, war das Königshaus nach 738 Jahren Regentschaft nicht gewillt, auf die gewaltigen Besitzansprüche im Freistaat zu verzichten. Weil Staatsbesitz und Privateigentum der Wittelsbacher eng miteinander verwoben waren, war eine rechtssichere Entflechtung von Staat und Königshaus jedoch komplex. Die Idee der Anführer der Novemberrevolution unter Kurt Eisner (USPD), sämtliche Zahlungen einzustellen und den Immobilien-, Kunst und Geldbesitz der Wittelsbacher als Staatseigentum zu betrachten, ließ sich jedenfalls nicht lange durchhalten.
Um einen Rechtsstreit zu vermeiden, der bei einem Obsiegen der Adligen den jungen Freistaat wohl in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten gebracht hätte, wurde am 9. März 1923 ein Übereinkommen zwischen Staat und Königshaus gefunden. Der Vertrag sah vor, dass die Ansprüche des Hauses Wittelsbach vollständig und endgültig abgegolten und der Unterhalt der königlichen Familienmitglieder, die nach dem Familienstatut von 1819 Anspruch auf Versorgung gehabt hätten, für die Zukunft gesichert wird.
Wittelsbacher erhalten 14 Millionen Euro Ausschüttung pro Jahr
Dazu wurde der sogenannte "Wittelsbacher Ausgleichsfonds" (WAF) gegründet, der - ausgestattet mit Ländereien, Immobilien, Kunstschätzen und Geld - bis heute der Versorgung der Mitglieder des Hauses und der Erhaltung der ihm zugewiesenen Schlösser und Kunstobjekte dient. Die Chefs der verschiedenen Familienlinien erhalten rund 14 Millionen Euro pro Jahr an Ausschüttungen, die der als Stiftung öffentlichen Rechts strukturierte Fonds jährlich abwirft. Den größten Teil soll Herzog Franz, das heutige Oberhaupt der Wittelsbacher, erhalten. Insgesamt dürfte heute noch rund ein Dutzend Personen von der Dividende profitieren.
Gleichwohl würden die umtriebigen Nachfahren der bayerischen Monarchie auch ohne das WAF-Geld kaum an der Armutsgrenze knabbern: Fast alle von ihnen sind erfolgreiche Unternehmer. Prinz Wolfgang lässt etwa "mechanische Zeitinstrumente" (Uhren) in seiner hauseigenen Manufaktur herstellen. Kostenpunkt seines Signature-Modells "Prinz Wolfgang PW101": Rund 59.000 Euro. Prinz Leopold war jahrelang Markenbotschafter für BMW. Max in Bayern hatte dem Heimseitenauftritt der Familie zufolge "verschiedene Aufsichtsrats- und Beiratsmandate" inne, bevor er sich 2014 "weitgehend ins Privatleben zurückzog". Und Luitpold macht Bier und Porzellan.
Lange Zeit galt das Vermögen des Fonds als bestgehütetes Geheimnis im Freistaat, weil der WAF dank einer Ausnahmegenehmigung von Prüfungen durch den Bayerischen Rechnungshof ausgenommen ist. Einzig das Kunst- und Finanzministerium sowie der Verwaltungsrat haben deshalb Einblick in die Bücher. Letzterem gehören neben fünf vom Haus Wittelsbach bestellten Verwaltungsräten auch zwei von der Bayerischen Staatsregierung bestimmte Staatskommissare an. Chef des Kontrollgremiums ist aktuell der ehemalige Chef des Dax-Konzerns Münchener Rück, Nikolaus von Bomhard, sein Stellvertreter ist der langjährige BMW- und VW-Chef Bernd Pischetsrieder.
Erst im Jahr 2016 förderte eine Recherche der Süddeutschen Zeitung zutage, dass das Finanzministerium das Vermögen zu diesem Zeitpunkt auf 348 Millionen Euro bezifferte. Laut dem Abschluss aus dem Jahr 2018 stieg das Vermögen in diesem Jahr bereits auf 444 Millionen Euro. Besonders aussagekräftig ist die Zahl aber nicht: Die unzähligen Kunstwerke beispielsweise, die einst den Wittelsbachern gehört haben und in den Fonds übertragen wurden, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sind in die Summe nicht eingerechnet und nur schwer zu beziffern.
Kultureller Wert des WAF kaum zu überschätzen
Überhaupt ist der kulturelle Wert des gewaltigen Vermögens kaum zu überschätzen. Das betrifft zuvorderst die Kunstsammlungen, etwa jene von König Ludwig, aber auch zahlreiche Gemälde und Plastiken von bekannten Künstlern wie Baselitz, Beuys, Immendorf oder Anselm Kiefer. Allein 43.000 Kulturgüter stellt der Fonds als Leihgabe für staatliche Museen zur Verfügung und profitiert von den Ticketverkäufen, etwa für einen Besuch in Schloss Neuschwanstein.
Zur Fondsmasse gehört außerdem auch ein umfangreicher Grundbesitz, darunter 12.000 Hektar Wald, die Schlösser Berg und Grünau sowie mehrere Immobilien in der Münchner Innenstadt. Auch der letzte Biergarten in München, in dem das Bier noch aus einem 200-Liter-Holzfass fließt, gehört den Wittelsbachern: Es ist der Hirschgarten in der Nähe von Schloss Nymphenburg.
Wer sich hingegen über den Briefverkehr der bayerischen Könige, den Ehevertrag von Franz und Sissi oder die Baupläne von Bayerns imposantesten Schlössern informieren will, kommt ebenfalls kaum an den Wittelsbachern vorbei. Im "Geheimen Hausarchiv" in der Ludwigstraße 14 in München lagert sämtliches Schriftgut der Wittelsbacher Dynastie. Weil der WAF das Archiv zentral verwaltet, muss jeder, der die historischen Dokumente einsehen will, einen Antrag beim Königshaus stellen.
Diese Praxis rief immer wieder Kritiker auf den Plan, die in der Regelung die Gefahr der Geschichtsklitterung sehen, weil dem Adelsgeschlecht implizit die Deutungshoheit über die Vergangenheit des Freistaats obliege. Es ist eine Kritik, die mit Blick auf frühere Episoden des Archivs nicht ganz unberechtigt scheint: Kritischen Forschern soll jahrelang mit begrenzter Offenheit begegnet worden sein. Inzwischen soll der Zugang zum Archiv liberaler sein.
Grüne werben für ein Ende des Gesetzes
Obwohl die Monarchie auch in Bayern seit über 100 Jahren Geschichte ist, sorgt die Sonderstellung der Wittelsbacher in der bayerischen Gesellschaft nur für mäßige Erregung. Ein großes Thema ist sie auch am 100. Jahrestag des WAF, der immerhin einige der bedeutendsten Kulturgüter des Landes verwaltet, nicht.
Es mag auch daran liegen, dass die Ausschüttungen - anders, als hier und da suggeriert - keinesfalls Ausschüttungen des Staates an Ex-Monarchen sind; der Steuerzahler wird nicht belastet. Im bayerischen Parlament sind es einzig die Grünen, die regelmäßig für ein Ende des Gesetzes trommeln und ausweislich ihres Fraktionschefs Ludwig Hartmann finden, "Privilegien für frühere Adlige sind nicht mehr zeitgemäß".
Dass sie damit weitgehend allein auf weiter Flur sind, könnte auch daran liegen, dass der Staat durchaus ein Interesse daran hat, das Vermögen im WAF zu erhalten. Sollten die Wittelsbacher irgendwann aussterben, würde der WAF aufgelöst werden. Das gesamtes Vermögen fiele in diesem Fall an den Staat.
Verwendete Quellen:
- Bayerischer Landtag: Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katharina Schulze BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; "Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds"
- Datenblatt: Prinz Wolfgang PW101
- Sueddeutsche.de: Erben der bayerischen Könige kassieren immer noch Millionen
- OpenPetition: Schluss mit den Privilegien der Wittelsbacher!
- Mittelbayerische.de: Der Einfluss der Wittelsbacher
- Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat - Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann vom 19. August 2019 betreffend Wittelsbacher Ausgleichsfonds – Prüfung, Vermögen und Ausschüttungen
- Website des Hauses Bayern
- Website des Wittelsbacher Ausgleichfonds
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