Der Bahnstreik ist beendet, die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) und die Deutsche Bahn haben sich auf eine Schlichtung geeinigt, an deren Ende ein Tarifvertrag stehen soll. Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer der Einigung?

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Solange die Schlichtung zwischen GDL und Bahn läuft (vom 27. Mai bis zum 17. Juni), herrscht die sogenannte Friedenspflicht. Das heißt, dass es in dieser Zeit keine weiteren Streikmaßnahmen geben wird. Die Einigung auf dieses Verfahren führt dazu, dass der aktuelle Streik umgehend beendet wird und damit noch vor dem verkehrsintensiven Pfingstwochenende auf der Schiene wieder Normalität einkehrt.

Größter Gewinner der Einigung sind damit die Bahnkunden - auch wenn die Züge im Nahverkehr erst am Freitag, im Fernverkehr sogar erst am Samstag wieder dem normalen Fahrplan folgen.

Was die Einigung für die GDL bedeutet

In dem seit fast einem Jahr andauernden Tarifstreit mit der Deutschen Bahn generiert sich GDL-Chef Claus Weselsky als Sieger. Weselsky erklärte am Morgen nach der Einigung, dass die Gewerkschaft und ihre Mitglieder einen "langen Atem" bewiesen hätten und nun das bekommen haben, was von Beginn an gefordert worden sei. "Wir mussten nichts abbedingen."

Demnach ist die Bahn auf die grundlegende Forderung der Lokführergewerkschaft eingegangen: Einen eigenen Tarifvertrag mit der Lokführergewerkschaft abzuschließen. "Die GDL kann somit für all ihre Mitglieder des Zugpersonals in den DB-Eisenbahnverkehrsunternehmen die Tarifverträge verhandeln und abschließen", betonte die Gewerkschaft in einer Pressemitteilung. Nach Interpretation der GDL sind damit nun auch unterschiedliche Tarifabschlüsse bei den konkurrierenden Bahn-Gewerkschaften GDL und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG möglich. Zudem würden Lokrangierführer als Lokomotivführer exakt im GDL-Flächentarifvertrag eingruppiert - eine zweite Kernforderung der GDL sei damit erfüllt worden.

Zum Hintergrund: Im Sommer soll das Tarifeinheitsgesetz in Kraft treten. Demnach soll in Zukunft nur noch die größte Gewerkschaft in einem Betrieb einen Tarifvertrag aushandeln dürfen. Ein Abschluss eines Tarifvertrages noch vor Inkrafttreten des Gesetzes ist für die GDL - als kleinere der beiden Eisenbahngewerkschaften - damit überlebenswichtig.

Was die Einigung für die Deutsche Bahn bedeutet

Auch die Bahn sieht sich als Sieger. Nach der Ankündigung des Streikendes erklärte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber: "Wir sind sehr erleichtert, unsere Kunden und Mitarbeiter können aufatmen." Weiter sagte er, dass die Schlichtung zwar "noch kein endgültiger Durchbruch, aber eine echte Chance, uns zu verständigen" sei. Zudem betonte Weber, dass es auf beiden Seiten keine weiteren Vorbedingungen für Verhandlungen gebe.

Dennoch, eine Spitze gegen die Gewerkschaft konnte sich die Bahn nicht verkneifen: "Endlich ist bei der GDL Vernunft eingekehrt", teilte der Konzern mit. GDL-Chef Weselsky konterte jedoch umgehend: Die Einschätzung, bei wem nun endlich Vernunft eingekehrt sei, überlasse er den Bürgern.

Dass die Bahn über das Ende des Streiks froh ist, ist kein Geheimnis. Jeder Streiktag kostete den Konzern zehn Millionen Euro. Allein in diesem Jahr hat die GDL neun Tage gestreikt - und damit immense Kosten für die Bahn hervorgerufen.

Welche Fragen sind im Tarifstreit nun noch offen?

Die inhaltliche Ausgestaltung des Tarifvertrages ist noch völlig offen, sie ist Teil der Schlichtung. Unter dem Vorsitz der Schlichter Matthias Platzeck (SPD) und Bodo Ramelow (Linke) sollen nun Fragen nach dem Verdienst und der Arbeitszeit der GDL-Mitglieder verhandelt werden.

Die GDL fordert fünf Prozent mehr Lohn sowie einen Abbau der Überstunden. Laut GDL haben Lokomotivführer und Zugbegleiter rund vier Millionen Überstunden. Diese sollen abgebaut und stattdessen neue Vollzeitstellen geschaffen werden. Zudem soll statt einer Sechs-Tage-Woche eine Fünf-Tage-Woche gelten und die Wochenarbeitszeit von 39 auf 38 Stunden reduziert werden.

Bei all diesen Punkten sind die Deutsche Bahn und die GDL nicht weit voneinander entfernt. Zuletzt hatte die Bahn beispielsweise eine stufenweise Lohnerhöhung um 4,7 Prozent sowie eine Einmalzahlung in Höhe von 1.000 Euro angeboten. Zudem hatte die Bahn auch schon die Einstellung zusätzliche Lokführer in Aussicht gestellt.

Kommt es zu kollidierenden Tarifverträgen?

Der Kern des Tarifstreits - die Frage, ob die GDL nicht nur für Lokführer, sondern auch für Lokrangierführer und Zugbegleiter Tarifverträge abschließen darf - scheint geklärt. Doch das birgt Risiken für die Deutsche Bahn. Denn die will unbedingt verhindern, dass es zu einer Tarifkonkurrenz zwischen GDL und EVG kommt und Mitglieder ein und derselben Berufsgruppe je nach Gewerkschaftszugehörigkeit unterschiedlich behandelt und bezahlt werden.

Ob der Bahn das gelingt, werden erst die anstehenden Verhandlungen zeigen. Am Donnerstag sitzen zunächst Bahn und EVG zusammen, ab kommendem Mittwoch läuft dann die Schlichtung zwischen Bahn und GDL.

EVG und GDL setzen in den Verhandlungen jedoch andere Schwerpunkte. Während bei der EVG der Wunsch nach mehr Geld im Vordergrund steht, will die GDL vor allem Regeln für eine geringere Arbeitsbelastung durchsetzen.

Mit Material der dpa
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