Die IG Metall fordert in ihren aktuellen Verhandlungen den Einstieg in die Vier-Tage-Woche. Doch was bedeutet dies für den Alltag der Menschen, wie sehen die Arbeitgeber dieses Modell und wie realistisch ist es?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Michael Freckmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Weniger arbeiten für das gleiche Gehalt, das wünschen sich viele. 81 Prozent der Vollzeitbeschäftigten können sich eine Vier-Tage-Woche vorstellen. Allerdings wollen 73 Prozent sie nur, wenn der Lohn gleich bleibt. Dies ergab kürzlich eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

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Doch wie genau dieses Arbeitsmodell der Vier-Tage-Woche im Alltag tatsächlich aussehen kann, darüber gehen die Meinungen auseinander. Es gibt die Variante, dass die Arbeitnehmenden ihre übliche Arbeitslast auf vier Tage verteilen müssen. Dies bedeutet zwar einen zusätzlichen Tag frei, an den anderen Tagen aber mehr Stress.

Ein Stahlarbeiter entnimmt eine Probe am Abstich des Hochofens. In der Metallbranche gilt jetzt schon eine Wochenarbeitszeit von 35 Stunden. © picture alliance/SvenSimon/Malte Ossowski

Anders sieht eine weitere Option aus, bei der vier Tage normal weitergearbeitet wird und der fünfte Tag frei wird. Dies bedeutet jedoch oft gleichzeitig auch: Ein Wegfall von 20 Prozent Arbeitszeit bedingt auch eine Einbuße von 20 Prozent des Gehaltes.

In Großbritannien haben einige Unternehmen es schon getestet, wie der Deutschlandfunk berichtete. Vier Tage die Woche arbeiten, so lautete das Testmodell für ein halbes Jahr. 56 von 61 Firmen, die daran teilnahmen, wollen erstmal dabei bleiben.

Die Mitarbeitenden seien ausgeglichener, gesünder und produktiver, so die Ergebnisse dieser Probephase. Auch in Belgien ist dieses Arbeitsmodell seit Ende 2022 bereits gesetzlich verankert. Die Menschen dort können entweder ihre volle Arbeitszeit in vier Tagen absolvieren, oder aber bei Gehaltsverzicht ihre Stunden reduzieren.

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IG Metall verspricht sich gesündere Arbeitnehmer

Aktuell hat das Modell der Vier-Tage-Woche durch die Forderungen der Gewerkschaft IG Metall Aufwind erfahren. Diese fordert für ihre Verhandlungsrunde im November den Einstieg in ein solches Modell mit entsprechendem Lohnausgleich.

Die Gewerkschaft fordert eine 32-Stunden-Woche bei entsprechendem Lohnausgleich, sagt Sophie Jänicke, Arbeitszeitexpertin und Ressortleiterin beim Vorstand der IG Metall.

Eine junge Frau sitzt überfordert über vielen Akten, ein Kollege bringt ihr einen weiteren Stapel.

Vier-Tage-Woche: Hat sie wirklich nur Vorteile?

In Belgien wurde sie bereits eingeführt, Studienergebnisse aus Großbritannien versprechen durch sie mehr Produktivität und in Spanien wird sie derzeit getestet: die Vier-Tage-Woche. Doch es gibt einen entscheidenden psychologischen Nachteil, wie Neurowissenschaftler Henning Beck erklärt.

Dabei sei es möglich, unterschiedliche Varianten dieses Modells umzusetzen. Von einem "kurzen Freitag" bis etwa hin zu längeren freien Zeiten nach Schichtdiensten. Entscheidend sei für die Gewerkschaft nur, dass nicht die bisherige volle Arbeitszeit "in vier Tage gepresst" werde.

Davon verspricht sich die Gewerkschaft, dass die Menschen gesünder leben können, die Work-Life-Balance sich verbessere und es mehr Menschen als gegenwärtig bis zum Rentenalter schaffen.

Die Erfahrung zeige, so Walther Schneeweiß von der Gewerkschaft, dass die Produktivität durchaus ansteige, auch wenn die Arbeitszeit weniger werde. So sinke die Krankheitsquote, die Qualität der geleisteten Arbeit erhöhe sich und viele Unternehmen optimierten in der Regel ihre Arbeitsprozesse.

Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel würde sich eine Vier-Tage-Woche positiv auswirken, so Jänicke, weil dieses Modell die Attraktivität der Unternehmen steigere.

Profitieren könnten vor allem auch viele Frauen, die aufgrund von "Care-Arbeit" oftmals "unfreiwillig in Teilzeit arbeiten". Insgesamt erwartet sich die Gewerkschaft für Arbeitnehmende ein "gesünderes und längeres Arbeiten".

Arbeitgeber sind offen für mehr Flexibilität, stellen sich aber gegen einen Lohnausgleich

Beim Institut der Deutschen Wirtschaft Köln sieht man eine 4-Tage-Woche einerseits als rechtlich möglich an. So sei es erlaubt, vier Tage mit je 10 Stunden zu arbeiten, und den fünften freizumachen.

Jedoch verringere sich die Flexibilität an den vier Tagen, an denen nun länger als normal 8 Stunden gearbeitet werde, schreibt Wirtschaftsforscher Holger Schäfer in einem Arbeitspapier. Sinnvoll hält er diese Regelung etwa für Teilzeitarbeit, oder Berufe mit langen Anfahrten.

Wenn Arbeitnehmende einen Lohnausgleich anstreben wollten, und nicht einfach weniger arbeiten bei weniger Verdienst, dann müsste auch die Produktivität erhöht werden, so Schäfer.

Bisher habe die Stundenproduktivität in Unternehmen jährlich um 0.8 Prozent zugenommen. Eine Zunahme der Produktivität, die einem ganzen wegfallenden Tag entspreche, sei so hoch wie der Produktivitätszuwachs seit 1998.

Dass dies so einfach gelingen kann, da ist der Wirtschaftsforscher skeptisch. Gleichzeitig warnt das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, dass vor dem Hintergrund von Verrentungswellen in den kommenden Jahren eigentlich eher über eine Verlängerung der Arbeitszeit diskutiert werden müsse.

Ähnlich kritisch sieht die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände das Modell der Vier-Tage-Woche. Zwar seien in seinen Augen flexible Arbeitszeiten ein Mittel zur Anwerbung von benötigten Fachkräften. Jedoch sei eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich "keine Option", so die BDA.

Dem würden der Fachkräftemangel, die zu bewahrende Wettbewerbsfähigkeit und Fragen der Finanzierung entgegenstehen. Zudem fordern die Arbeitgebervertreter, dass es Aufgabe der Unternehmen sei, ein solches Modell, wo es für sie möglich erscheint, einzuführen. Der Staat solle sich hier jedoch heraushalten, erklärt die BDA.

Verhandlungen mit Signalwirkung in der Metallbranche

So liegen die Positionen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern noch weit auseinander, zumindest, wenn es um Arbeitszeitverkürzung mit gleichzeitigem Lohnausgleich geht.

In den Verhandlungen der IG Metall in diesem Jahr geht es, wie Sophie Jänicke sagt, aber erstmal ohnehin nicht um eine Reduzierung von 40 auf 32 Stunden. Also eine solche Stundenverkürzung, wie sie sehr viele Menschen betreffen würde.

Denn in der Metallbranche gilt jetzt schon eine Wochenarbeitszeit von 35 Stunden. Dennoch könnte von dem Ausgang der Verhandlungen ein Signal ausgehen, das über die Metallbeschäftigten hinausreicht.

Dann könnte die Debatte um die 4-Tage-Woche wieder an Fahrt aufnehmen. Und schon jetzt gibt es Bewegung. Denn die Unternehmensberatung Intraprenör aus Berlin will zusammen mit der Organisation "4 Day Week Global" ein Pilotprojekt zu dem Thema starten.

Bei den teilnehmenden Arbeitgebern sollen Beschäftigte nur 80 Prozent ihrer Arbeitszeit leisten müssen – bei 100-prozentiger Bezahlung. "Wir erhoffen uns, die Debatte um die Vier-Tage-Woche auf ein neues Niveau zu heben - mit wissenschaftlicher Unterstützung", erklärte Unternehmensberater Jan Bühren von Intraprenör. (Freckmann)

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Verwendete Quellen:

  • Interview mit Sophie Jänicke, Arbeitszeitexpertin und Ressortleiterin beim Vorstand der IG Metall
  • Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
  • deutschlandfunkkultur.de: Vier-Tage-Woche – ein Zukunftsmodell?
  • Institut der Deutschen Wirtschaft Köln: Viertagewoche: Kein Modell für Alle
  • Hans Böckler Stiftung: Rund 81 Prozent der Vollzeitbeschäftigen wollen Vier-Tage-Woche
  • Deutsche Presse-Agentur (dpa)
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