Die chinesische KI-Firma DeepSeek mischt gerade den Tech-Markt auf wie kaum ein anderes Unternehmen zuvor. Die US-Politik und die Techunternehmen stehen jetzt unter Zugzwang.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Thomas Eldersch sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Leistungsstarke Künstliche Intelligenz (KI) für einen Bruchteil der üblichen Kosten verspricht das Produkt R1 des chinesischen Herstellers DeepSeek und löste damit ein wahres Beben an der US-Börse aus. Nvidia, der Branchen-Primus in Sachen KI-Chips, verlor innerhalb eines Tage 589 Milliarden Dollar – etwa 17 Prozent des Börsenwerts – und stellte damit einen neuen Negativrekord auf, was Kursverluste angeht. Noch nie hatte ein US-Unternehmen an einem Tag so viel Wert verloren – allerdings war auch keins davor so teuer bewertet wie Nvidia mit fast 3,5 Billionen Dollar.

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Warum ist DeepSeek so ein großes Ding?

Die DeepSeek-App hatte in den vergangenen Tagen die weltweit führende KI-Anwendung ChatGPT des US-Unternehmens OpenAI bei der Zahl der Downloads im App-Store von Apple überholt. Berichten zufolge ist der Chatbot von DeepSeek in seiner Leistungsfähigkeit mit der KI-Software der US-Konkurrenten auf gleicher Höhe. Das ist besonders beeindruckend, sieht man sich die Geschichte des chinesischen Unternehmens an.

Erst 2023 wurde die Firma in Hangzhou gegründet. Die Entwicklung ihres Chatbots soll lediglich 5,6 Millionen Dollar gekostet haben. Peanuts im Vergleich zu den Milliardeninvestitionen von US-Technologieriesen wie Nvidia, Meta oder Alphabet in diesem Bereich. Selbst US-Präsident Donald Trump hatte überrascht reagiert. Die Veröffentlichung von DeepSeek sei hoffentlich "ein Weckruf für unsere Industrien, dass wir im Wettbewerb hoch konzentriert sein müssen, um zu gewinnen", sagte Trump am Montag. Der Schock könne aber auch positive Auswirkungen auf die Tech-Unternehmen im Silicon Valley haben, da sie gezwungen seien, mit weniger hohen Ausgaben zu Innovationen zu kommen, fuhr der Republikaner fort. "Ich würde sagen, das könnte ein Vorteil sein", sagte Trump.

Wie reagieren die US-Techriesen?

Diesen von Trump beschworenen Vorteil sehen die Tech-Riesen noch nicht so recht. Mark Zuckerbergs Meta, die Konzernmutter von Facebook, Instagram und WhatsApp, soll laut "Fortune" bereits vier "war rooms" also Krisengruppen mit Entwicklern einberufen haben. Die KI-Experten sollen schnellstmöglich herausfinden, wie die Chinesen es in so kurzer Zeit geschafft haben, eine konkurrenzfähige KI-Technologie auf den Markt zu bringen. Metas KI-Chef Mathew Oldham soll unter Kollegen gesagt haben, dass DeepSeeks KI sogar die neuste Version von Metas Llama-KI in den Schatten stellen könnte, die erst Anfang 2025 auf den Markt kommen soll.

Die vier Meta-Teams sollen unter anderem herausfinden, wie es den Chinesen gelungen ist, die Kosten für die KI-Entwicklung so drastisch zu senken, wie es dieses Kunststück mit nur wenigen Nvidia-Chips geschafft hat und wie Meta das auch gelingen kann. Meta will allein in diesem Jahr 65 Milliarden Dollar für seine KI-Forschung inklusive eines neuen, großen Daten-Zentrums ausgeben.

Insgesamt soll die US-Techbranche Billionen von Dollar benötigen, um die Entwicklung von KI weiter voranzutreiben, hatte der OpenAI-Gründer und KI-Papst Sam Altman vergangenes Jahr gesagt. Die Chinesen hätten mit ihrer KI einen Paradigmenwechsel in der Branche ausgelöst, was Aufwand und Kosten angeht, heißt es bei "CNN". Ein Unterstützer Trumps und Geschäftsmann aus dem Silicon Valley, Marc Andreessen, postete jüngst auf X: "Einer der beeindruckenden und verblüffendsten Durchbrücke, die ich je gesehen habe."

Wie reagiert die US-Regierung?

Die US-Regierung unter Joe Biden hatte gehofft, die ausländische Konkurrenz kleinhalten zu können, indem sie die Ausfuhr amerikanischer Chips sanktionierte. Die Ausfuhrbeschränkungen wurden eine Woche vor dem Ende von Bindens Regierungszeit verdoppelt, heißt es bei "CNN". Damit hat sich die US-Techbranche zwar etwas Zeit erkauft, aber die Chinesen kratzen gewaltig an der Unverwundbarkeit der Amerikaner. Indirekt sei der Erfolg von DeepSeek auch ein Angriff auf Donald Trumps "America first"-Strategie, so der US-Nachrichtensender.

Und der US-Präsident reagierte auch schon. Donald Trump hob eine Verfügung seines Vorgängers auf, welche die KI-Entwicklung strenger regelementierte. Eine Benachrichtigung der US-Aufsichtbehörden bei Änderungen an sicherheitsrelevanten KI-Modellen ist nicht mehr notwendig. Zudem soll mehr auf Open-Source-Modelle gesetzt werden. DeepSeek nutzt ebenfalls Open-Source-Modelle, bei denen der Quellcode öffentlich einsehbar ist.

Nachdem der erste Schock verdaut war, erholten sich die Börsenwerte der großen US-Techkonzerne langsam wieder. Guiseppe Sette, Präsident der KI-Marktanalysefirma Reflexivity, sagte "CNN": "Aufgrund seiner vielen Talente und der großen Kapitalbasis bleibt die USA weiter das 'gelobte Land' für die KI-Entwicklung. Hier werden wir auch die Entstehung der ersten selbst verbessernden KI erleben."

Verwendete Quellen:

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