Obwohl noch nicht klar ist, wohin die Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine führen wird, steht ein Verlierer bereits fest: Für die russische und ukrainische Wirtschaft ist der Konflikt um die Krim schon heute ein Desaster. Die Aktienmärkte stürzen ab und reißen selbst Riesen wie Gazprom mit sich. Auch deutsche Unternehmen mit starken Absatzmärkten in Russland sind besorgt. Welche Auswirkung muss Deutschland fürchten?

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In der Tat ist das wirtschaftliche Verhältnis zwischen Deutschland und Russland eines von gegenseitigen Abhängigkeiten. Darauf weist unter anderem der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Rainer Lindner, hin. Deshalb sei die Bundesrepublik in der jetzigen Situation mit Sanktionen schlecht beraten: Rund 30 bis 40 Prozent der Gaslieferungen nach Deutschland kommen zurzeit aus Russland. "Das ist ein Umfang, der sich kurzfristig nicht einfach ersetzen ließe", sagte Lindner. Deshalb setze die Wirtschaft nun vor allem auf die Politik. "Es ist die Stunde der Diplomatie, die genutzt werden muss."

Bereits in der Vergangenheit hatte die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas immer wieder für Probleme gesorgt und Sanktionen - etwa im Streit um die Gaspreise mit der Ukraine im Jahr 2005 und mit Weißrussland 2006 - verhindert. Die Energielieferungen sind das Faustpfand der russischen Außenpolitik gegenüber der Europäischen Union und Deutschland. Immerhin hat das Land die größten Erdgasreserven der Welt. So scheint es in der aktuellen Lage eher wahrscheinlich, dass deutsche Politiker allzu laute Töne und Forderungen gegenüber Russland vermeiden wollen, damit Wladimir Putin nicht den Gas- und Ölhahn zudreht.

Russlands Wirtschaft im Sinkflug

Bereits am Montagvormittag hatte sich die russische Börse auf Talfahrt begeben. Zu Börsenbeginn war der Moskauer Börsenindex um fast sechs Prozent eingebrochen. Auch der Rubel war betroffen und gegenüber Dollar und Euro auf ein historisches Tief gesunken. Selbst das größte russische Unternehmen, der Energieriese Gazprom, musste einen dramatischen Absturz hinnehmen. Experten gehen davon aus, dass die Rechnung für die Ausfälle von der Ukraine gezahlt werden soll. Wie der Finanzvorstand des Unternehmens Gazprom bekannt gab, soll eine Preiserhöhung in den kommenden Tagen geprüft werden.

Doch selbst wenn die europäischen Staaten die Zeche nicht direkt zahlen müssen, droht eine Belastung durch die Hintertür: Die seit der Flucht von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch geleerte Staatskasse der Ukraine könnte höhere Zahlungen vermutlich nicht auffangen. Und bereits jetzt hat unter anderem die Bundesregierung angekündigt, der Ukraine notfalls mit Hilfszahlungen beiseite zu stehen. Eine Position, die Lindner zufolge auch die Mehrzahl der deutschen Unternehmer unterstützt. So hält der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft die möglichen Folgen eines finanziellen Zusammenbruchs der Ukraine langfristig für wesentlich teurer als eine gezielte Unterstützung.

Erste Absatzeinbußen durch Krim-Krise

Dabei spüren vor allem die Unternehmen mit einer starken Ausrichtung auf den russischen Markt die Folgen der Krise bereits am eigenen Leib. Die Aktie des Sportartikelhersteller Adidas, Branchen-Marktführer in der Ukraine und Russland, musste am Montag deutliche Verluste hinnehmen. Und auch die Handelskette Metro, die ihr Russlandgeschäft noch in diesem Halbjahr an die Börse bringen wollte, ist Analysten zufolge betroffen - ebenso wie der stark in Russland engagierte Generika-Hersteller Stada. Zahlreiche weitere europäische Unternehmen haben mit Einbußen zu kämpfen.

Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht

Bereits am vergangenen Wochenende war zudem bekannt geworden, dass der geplante G8-Gipfel in Russland von den G7-Staaten bis auf Weiteres ausgesetzt wurde. Einfluss auf die militärische Eskalation auf der Krim hatte das nicht. Bisher scheint es, als lasse sich die russische Führung von den Problemen nicht beeindrucken.

Angesichts der realpolitischen Verhältnisse - sowohl wirtschaftliche Sanktionen als auch ein militärisches Eingreifen in den Konflikt sind keine gangbaren Wege für die EU und die USA - scheinen in der Tat Politik und Diplomatie als die einzigen Mittel gegen die russische Intervention in der Ukraine.

Dabei ist eines ganz offensichtlich: Jeder weitere Schritt in Richtung Krieg wird nicht nur die russische und ukrainische Wirtschaft stark belasten, sondern am Ende auch für den deutschen Steuerzahler und die europäische Wirtschaft spürbar sein - wenn auch weniger verheerend für die Ukraine, die laut Experten bereits jetzt mit der schwersten wirtschaftlichen Krise der Nach-Sowjet-Ära konfrontiert ist.

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