Lufthansa wartet auf fabrikneue Jets aus den USA. Doch die Zulassung für die Sitze fehlt, die Maschinen bleiben am Boden. Konzernvorstand Spohr stellt zudem die Wiedereinführung von Gratiskaffee auf Kurzstrecken infrage.
Die Kabinenausstattung von Lufthansa-Flugzeugen gilt als betagt, schlecht in Schuss und qualitativ weit abgeschlagen von der Konkurrenz. Passagiere sind unzufrieden (S+), auch beim Personal macht sich seit Langem Unmut breit. Ändern soll das die neue Kabine mit dem Namen "Allegris", die bereits in einige wenige Flugzeuge des Konzerns eingebaut worden ist.
Doch bei einem beträchtlichen Teil neuer Flugzeuge bereiten die Sitze Ärger. So stehen derzeit beim Flugzeugbauer Boeing im US-amerikanischen Charleston 13 fertige Maschinen des Typs Boeing 787 – bald werden es 15 sein, berichtete Lufthansa-Chef Carsten Spohr bei einer internen Veranstaltung am Mittwochnachmittag.
In sechs Maschinen seien bereits die neuen Sitze eingebaut worden. Das Problem: Die US-Flugsicherheitsbehörde FAA verwehrt den vom US-Hersteller Collins Aerospace gebauten Sitzen derzeit noch die Zulassung. Ohne diese aber dürfen die Flugzeuge nicht ausgeliefert werden.
Hintergrund ist ein Crashtest, bei dem die Sitze Belastungen von bis zum 16-Fachen der Erdanziehungskraft ausgesetzt werden. Diese Tests sind wichtig, um sicherzustellen, dass die Sitze bei einem Unfall die Passagiere sicher halten und nicht versagen.
Zulassung wohl frühestens im Sommer
Wann die Zulassung kommt, gilt derzeit als offen. Vor Sommer 2025 geht niemand im Konzern ernsthaft davon aus. Selbst ein Szenario, bei dem die Sitze gar keine Zulassung erhalten, gilt als nicht ausgeschlossen. Spohrs Manager überlegen nun, einen Teil der Flugzeuge trotzdem bereits nach Frankfurt zu holen. Die nicht zugelassenen Sitze würden dann unbesetzt bleiben; es geht um einen Teil der Business-Class – die Economy-Class sowie die Premium Economy könnten voll genutzt werden. Nicht alle neuen "Allegris"-Sitze kommen von Collins, die bereits im Einsatz befindlichen sind von den Zulassungsproblemen nicht betroffen.
Zwar erhalte Lufthansa wegen der Probleme Entschädigungszahlungen, diese würden aber nicht ausgleichen, was man mit den neuen Flugzeugen verdienen könne, so Spohr. "Allegris" bietet zwar weniger Business-Class-Sitze als bisherige Lufthansa-Langstreckenflugzeuge, dennoch hofft man, durch das bessere Produkt höhere Preise erzielen zu können. Den meisten Profit erwirtschaftet Lufthansa sowieso nicht in der Business-Class, sondern mit der Zwischenklasse Premium Economy. Diese werde sich deshalb perspektivisch vergrößern, so Spohr.
Auch sonst ist der neue Sitz für den Konzern mit Ärger verbunden. Bei der Lufthansa-Tochter Swiss müssen auf dem Airbus A330 sogar Bleigewichte eingebaut werden – anderenfalls brächte die neue Kabinenausstattung "Swiss Senses" den Jet aus der Trimmung, also der Schwerpunkt würde sich verlagern.
Das Sitzproblem auf langen Flügen
Nicht in den Genuss von komfortablen Sitzen kommen nach wie vor Passagiere der Lufthansa-Gruppe, die weite Strecken fliegen, auf denen aber Mittelstreckenjets wie der Airbus A320 eingesetzt werden. Dazu zählen etwa Verbindungen nach Dubai oder Kairo. Man wolle möglicherweise mit ein paar Flugzeugen testen, ob sich auf diesen Strecken eine andere Kabinenausstattung lohne, so Spohr. Denkbar wäre etwa ein komfortablerer Sitz in der Business-Class. Bisher gibt es in den Flugzeugen auch auf solchen Strecken nur eine Art Sitz in der gesamten Kabine. Auch in der Business-Class ist dieser nicht anders, was vor allem bei Passagieren aus den USA regelmäßig für Verwunderung sorgt. Das Problem: Baut man die Kabine um, würden mindestens zwei Sitzreihen wegfallen. Bei der italienischen Fluglinie ITA, an der sich Lufthansa gerade beteiligte, wird im Airbus A321neo sogar eine Drei-Klassen-Konfiguration angeboten. Das solle dort auch so bleiben, so Spohr.
Ein anderes Thema könnte schon bald wieder beerdigt sein. Mitte des Jahres kündigte Lufthansa an, wieder den kostenlosen Ausschank von Tee und Kaffee zu testen. Ob dies zum Standard wird, ließ Spohr bei der internen Veranstaltung offen. Man verdiene gruppenweit nur etwa sieben Euro pro Passagier. Schon ein Euro Mehrkosten pro Fluggast seien demnach ein Siebtel des Gewinns. Es gehe weniger um die Kosten für den Kaffee als vielmehr um den Umstand, dass der Bordverkauf so weniger Verkäufe generieren würde. Man müsse sich fragen, ob und in welchem Umfang man sich das leisten könne. © DER SPIEGEL
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