Wird ein Restaurantbesuch zu Beginn des nächsten Jahres wieder teurer? Die Mehrwertsteuer soll in der Branche Anfang 2024 wieder von sieben auf 19 Prozent steigen. Der Gaststättenverband versucht, dies zu verhindern. Doch Experten sehen eine weiterhin reduzierte Mehrwertsteuer kritisch.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Michael Freckmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Restaurants und Cafés könnten pleitegehen, wenn in der Gastronomie wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer gelten, das zumindest befürchtet der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Noch immer lägen die Umsätze im ersten Quartal 2023 mehr als 10 Prozent unter denen von vor Beginn der Coronakrise. Im Laufe der Pandemie hatte die Politik zur Unterstützung von Restaurants, Hotels und Cafés die Mehrwertsteuer abgesenkt. Eigentlich sollte diese Maßnahme nun Ende 2023 auslaufen.

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Der Verband der Gastronomie führt eine ganze Reihe von Gründen an, die aus seiner Sicht dafür sprechen, die Mehrwertsteuer bei sieben Prozent zu belassen. So würde sich eine Anhebung der Steuer negativ auf die Vielfalt der Gaststättenlandschaft auswirken. Vor allem Innenstädte und gastronomische Betriebe im ländlichen Raum seien davon betroffen.

Weil durch die gestiegenen Energiepreise die finanziellen Reserven der Gastonomen aufgebraucht seien, müssten diese eine Erhöhung der Mehrwertsteuer unmittelbar an die Kunden weitergeben, erklärt ihr Verband. In der Folge könnten sich bestimmte Kundengruppen einen Restaurantbesuch nicht mehr leisten, so zumindest befürchtet es der Dehoga. Nicht zuletzt beklagt der Verband eine fehlende Steuergleichheit. So würde zubereitetes Essen im Restaurant dann wieder mit 19 Prozent besteuert, während Speisen zum Mitnehmen nach wie vor einen Steuersatz von sieben Prozent hätten.

Verbraucherschützer sieht Erhalt der niedrigeren Mehrwertsteuer kritisch

Dass eine Rückkehr zu 19 Prozent bei manchen Gastronomen zu Preiserhöhungen führen würde, glaubt auch Frank Waskow von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Die Gastronomie wurde aber bereits in der Pandemie mit Coronahilfen stark unterstützt und auch danach wurde die reduzierte Mehrwertsteuer", sagt der Verbraucherschützer.
Zudem fehlten dem Staat, sollte die Mehrwertsteuer nicht wieder angehoben werden, mehr als drei Milliarden Euro Einnahmen pro Jahr. "Wenn nun angeblich Betriebe wegen der Rückführung der Mehrwertsteuer nicht mehr profitabel sind, stellt sich die Frage, ob sie überhaupt eine Zukunft haben," sagt Waskow.

Eher entgegen kommt der Verbraucherschützer der Sicht des Hotel- und Gaststättenverbandes bei der Frage der steuerlichen Gleichbehandlung innerhalb des Lebensmittelbereiches. So kritisiert auch Frank Waskow, dass es für Schulverpflegung, im Mitnahme-Bereich, in der Gastronomie vor Ort und im Lebensmittelhandel unterschiedliche Steuersätze gibt. "Da besteht von politischer Seite Handlungsbedarf, den Dschungel der Mehrwertsteuersätze zu bereinigen."

Wirtschaftsforscher: Besserverdiener öfter in Restaurants als Geringverdiener

Der Hotel- und Gaststättenverband begründet die Forderung nach einer weiterhin niedrigeren Mehrwertsteuer auch mit dem Erhalt der eigenen Arbeitskräfte. Ebenfalls könnten so auch besser Fachkräfte angeworben werden, erklärt der Verband. Aber dieses Argument hält der Münchner Ökonom Florian Neumeier vom Ifo-Institut nicht für stichhaltig. Eine Subventionierung einer einzelnen Branche könne sogar schädliche Wirkungen für andere Branchen entfalten, sagt Neumeier. Dies sei der Fall, wenn es zu einer Verlagerung von Arbeitskräften hin zur Gastronomie komme. Davon profitiere dann zwar diese eine Branche, andernorts entstehe oder verschärfe sich dann aber erst ein Fachkräftemangel.

Wenig abgewinnen kann Neumeier auch dem Argument des Gaststättenverbandes, durch die niedrigere Mehrwertsteuer würde geringverdienenden Menschen die Möglichkeit gegeben, öfter in ein Restaurant oder Café gehen zu können. "Ich sehe die reduzierte Mehrwertsteuer für die Gastronomie auch aus Verteilungsaspekten kritisch", sagt Neumeier. Denn gastronomische Dienstleistungen würden in deutlich stärkerem Maße von Haushalten mit höherem Einkommen nachgefragt als von Haushalten mit geringem Einkommen. "Die Mehrwertsteuer, die ja von den Konsumenten getragen werden soll, in der Gastronomie zu reduzieren, begünstigt daher vor allem einkommensstarke Haushalte."

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Auch bei gegenwärtig hohen Energiepreisen und einer angespannten Wirtschaftslage könne eine weiterhin abgesenkte Mehrwertsteuer kein angemessenes Mittel sein, erklärt Neumeier: "Die Wirtschaft mag stagnieren und die Preise für viele Güter sind erheblich gestiegen; betroffen hiervon ist aber nicht nur die Gastronomie, sondern auch andere Dienstleister sowie Unternehmen in anderen Branchen." Er kommt daher zu einem klaren Urteil: "Hilfsmaßnahmen gezielt für gastronomische Betriebe lassen sich nicht rechtfertigen."

Über die Gesprächspartner:

  • Frank Waskow, Teamleiter Lebensmittelqualität und Nachhaltigkeit, Bereich Ernährung und Umwelt, Verbraucherzentrale NRW
  • Dr. Florian Neumeier, Leiter der Forschungsgruppe Steuer- und Finanzpolitik am Ifo-Institut München

Verwendete Quellen:

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