Es war eine der spektakulärsten Firmenpleiten der deutschen Einzelhandelsgeschichte: Vor fünf Jahren meldete die angeschlagene Drogeriekette Schlecker Insolvenz an. Wie konnte es dazu kommen? Der Familienclan schweigt bis heute. Und steht bald vor Gericht.
Die Geschichte der Familie und des Unternehmens Schlecker beginnt 1975. Anton Schlecker, Metzgermeister, Patriarch und Gründer des späteren Drogeriekonzerns eröffnet in Kirchheim unter Teck seine erste Filiale.
Mit seiner Frau Christa ist er zu diesem Zeitpunkt schon verheiratet, sie wird später als seine rechte Hand unter anderem für das Personal zuständig sein. Das Ehepaar hat zwei Kinder: Lars und Meike. Beide werden als Erwachsene ebenfalls in das Unternehmen einsteigen.
Bereits zwei Jahre nach der Eröffnung nennt Anton Schlecker mehr als 100 Drogerien sein Eigen. 1984 dann der nächste Meilenstein: Anton Schlecker eröffnet seine 1000. Filiale.
Seinen Erfolg soll er neben seinem Verhandlungsgeschick auch seinem Geiz verdankt haben: Mitarbeiter werden ihn später unter anderem dafür kritisieren, dass sie firmeninterne Telefonate mit dem privaten Handy machen müssen, weil es in den Filialen kein Telefon gibt.
Rückschlag für Anton Schlecker
Im Dezember 1987 werden die beiden Kinder Meike und Lars entführt und erst nach Zahlung einer Lösegeldsumme von 9,6 Millionen D-Mark wieder freigelassen. Danach zieht sich die Familie vollständig aus der Öffentlichkeit zurück. Schlecker aber expandiert weiter, eröffnet Filialen unter anderem in Österreich, Spanien und Polen.
Ihren ersten öffentlichen Rückschlag muss das Ehepaar Anton und Christa Schlecker 1998 einstecken. Vom Landgericht Stuttgart werden die beiden zu einer Freiheitsstrafe von je zehn Monaten auf Bewährung und zu einer Geldstrafe in Höhe von einer Million Euro verurteilt.
Der Vorwurf lautete: Betrug. Die beiden hatten Schlecker-Beschäftigten vorgetäuscht, dass diese nach Tarif bezahlt würden. Tatsächlich aber waren die Löhne niedriger.
2007 gelingt Schlecker nach Übernahme einiger Marktketten in den Vorjahren ein weiterer Coup: Für 150 Millionen Euro übernimmt Anton Schlecker den einstigen Konkurrenten "Ihr Platz" und führt diesen als Premiumzweitmarke weiter.
Im Folgejahr macht Schlecker europaweit mit mehr als 14.000 Filialen und ca. 50.000 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von mehr als sieben Milliarden Euro.
Kritik an Schlecker wächst
2010 gerät Schlecker dennoch weiter in Kritik. Die Medien berichten über Videoüberwachung von Mitarbeitern und den Austausch eigener Kräfte gegen schlechter bezahlte Leiharbeiter. Die Umsätze beginnen zu sinken.
Richten sollen es die Kinder Meike und Lars, die bereits seit zehn Jahren im Unternehmen tätig sind und nun in die Führung des Unternehmens aufrücken, um das angekratzte Image aufzupolieren. Beide führen außerdem zwei weitere Firmen: Das Logistikunternehmen LDG, das die Lager von Schlecker verwaltet, und die Baugesellschaft BDG.
Das Aus vor fünf Jahren
Nachdem die Medien bereits über "massive Liquiditätsprobleme" von Schlecker spekulieren, folgt am 23. Januar 2012 der Paukenschlag: Das Unternehmen meldet beim Amtsgericht Ulm Insolvenz an. Drei Tage später folgt die Unternehmenstochter "Ihr Platz".
In der Folge erhalten mehr als 10.000 Schlecker-Beschäftigte ihre Kündigung. Alle Kaufinteressenten springen ab, schließlich verkündet der Gläubigerausschuss das Aus der Drogeriekette. Insgesamt 25.000 Mitarbeiter, überwiegend Frauen, verlieren ihren Job.
Die Gläubiger fordern eine Milliarde Euro, Schlecker aber überweist lediglich 10,1 Millionen Euro in die Kasse der Insolvenzverwaltung. Als "eingetragener Kaufmann" haftet er zwar mit seinem gesamten Vermögen, muss seine Finanzen aber nicht offenlegen.
Vorwürfe gegen Anton Schlecker
Später kommt der Verdacht auf, Anton Schlecker solle vor der Insolvenz bewusst Gelder beiseite geschafft haben. Die Ermittler sprechen von vorsätzlichem Bankrott, die Staatsanwaltschaft wirft ihm 36 Straftaten vor. Auch seine Frau und Kinder werden sich vor Gericht verantworten müssen.
So soll Anton Schlecker die LDG genutzt haben, um Gelder an seine Kinder zu übertragen. Diese hätten überhöhte Beträge in Rechnung gestellt, obwohl sie dem Familienbetrieb Rabatt hätten gewähren müssen. Christa Schlecker wiederum soll für nie erbrachte Beratungsleistungen 50.000 Euro erhalten haben. Im März startet der Prozess.
Von den 25.000 als "Schlecker-Frauen" bekannt gewordenen Ex-Mitarbeiterinnen mit einem Durchschnittsalter von 46,7 Jahren konnte nur etwa die Hälfte in neue Jobs vermittelt werden – zum Teil allerdings zu weit schlechteren Konditionen.
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