In die Debatte um die mögliche Heimkehr von nach Deutschland geflüchteten Syrerinnen und Syrern mischen sich mehr und mehr Stimmen aus der Wirtschaft: In gewissen Branchen, darunter das Gesundheitssystem, könnten Rückkehrer eine Lücke reißen, warnen sie.

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Rund eine Million Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit leben derzeit in Deutschland. Den aktuellsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit vom Mai zufolge gehen davon rund 223.000 Menschen einem sozialversicherungspflichtigen Job nach. Hinzu kommen etwa 65.000 syrische Minijobber. Insgesamt sind in Deutschland mehr als 35 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Ökonom Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg kommt deshalb zu dem Schluss, dass der deutsche Arbeitsmarkt es gut verkraften würde, sollten nach Deutschland geflüchtete Syrerinnen und Syrer nach dem Sturz des Assad-Regimes in großer Zahl freiwillig in ihre Heimat zurückkehren oder abgeschoben werden.

Doch in die Debatte mischen sich auch andere Stimmen – und weisen darauf hin, dass viele syrische Geflüchtete in Branchen arbeiten, in denen Personal ohnehin knapp ist.

Krankenhausgesellschaft sieht ohne Syrer Betrieb von Kliniken gefährdet

Das gilt in erster Linie für das Gesundheitswesen. Dort weckt die Vorstellung von Heimkehr im großen Stil gar Ängste vor Unterversorgung. Rund 5.000 syrische Medizinerinnen und Mediziner arbeiten in Deutschland. Gerade in den Krankenhäusern kleinerer Städte könnte es ohne diese Ärzte sowie Schwestern und Pfleger aus Syrien schwierig werden, den Betrieb aufrechtzuerhalten, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, dem "Spiegel". Ähnlich schätzt der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands die Lage ein. "Diese Menschen leisteten einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung in Deutschland, und ihr Weggang hätte sicherlich spürbare Konsequenzen im deutschen Gesundheitssystem", so ein Sprecher gegenüber dem Magazin.

Isabell Halletz, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbands Pflege, betonte im Gespräch mit dem "Tagesspiegel", dass der Weggang syrischstämmiger Pflegekräfte in kleineren Seniorenheimen oder bei ambulanten Diensten dazu führen könnte, dass die erforderliche Personalquote unterschritten würde. Die Folge wären Aufnahmestopps für Pflegebedürftige. Die häufig gut integrierten Kräfte zu verlieren, wäre aus ihrer Sicht außerdem "nicht nur ein fachlicher, sondern auch ein emotionaler Verlust".

Ähnlich sieht es Verdi-Chef Frank Werneke. Rückführungen im großen Stil seien "gegen die Interessen der Menschen und übrigens auch gegen die Interessen der Arbeitswelt, zumindest in Teilen in Deutschlands", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Viele sind hier auf dem Arbeitsmarkt integriert und etabliert und auch wichtig für uns." Viele seien Verdi-Mitglieder geworden. Die Gewerkschaft vertritt auch die Interessen von Arbeitnehmern im Bereich Verkehr, Logistik und Sicherheit. In dieser Berufsgruppe sind die meisten Einwanderer aus Syrien beschäftigt. Hier liegt ihr Anteil bei 1,4 Prozent.

Expertin befürchtet Verzögerungen bei der Energiewende

Auch das Handwerk setzt seit Jahren viel Hoffnung auf syrische Migranten, gerade in der Ausbildung: Fast die Hälfte all derjenigen mit Fluchthintergrund, die bundesweit eine berufliche Ausbildung machen, machen diese im Handwerk, erklärt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) auf Anfrage unserer Redaktion. 2023 waren das knapp 8.400 Menschen – etwa 2,5 Prozent aller Azubis im Handwerk. "Die Arbeitgeber im Handwerk erwarten, dass sie ihre syrischen Beschäftigten dauerhaft und verlässlich als wichtige Fachkräfte weiterbeschäftigen können", so der ZDH. Sie leisteten "einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung dringender gesellschaftlicher Aufgaben" wie dem Wohnungsbau oder der Energiewende.

Rund 2.000 Syrer arbeiten Lydia Malin vom Institut der Deutschen Wirtschaft zufolge in Deutschland als Bauelektrik-Fachkraft – ein absoluter Mangelberuf. Schon heute könnten in diesem Bereich acht von zehn Stellen nicht besetzt werden, gibt sie gegenüber dem "Tagesspiegel" an. Ein "Nadelöhr für die Klimawende", wie sie sagt.

Das ohnehin von Personalnot geplagte Gastgewerbe beschäftigt aktuell rund 18.500 syrische Staatsangehörige sozialversicherungspflichtig. Sandra Warden, Geschäftsführerin im DEHOGA-Bundesverband, sagt auf Anfrage: "Wir gehen nach jetzigem Stand davon aus, dass Mitarbeitende, die in Deutschland ihren Lebensunterhalt verdienen und gut integriert sind, vor einer Rückkehr-Entscheidung zunächst die tatsächlichen Entwicklungen in Syrien genau beobachten und bewerten werden." Sollten sich viele für eine Rückkehr entscheiden – oder dazu gezwungen werden – könnte sich nicht nur die Frage stellen, wer uns operiert und die Solaranlage installiert, sondern auch, wer uns den Cappuccino serviert.

Verwendete Quellen:

Pistorius: Nach Machtwechsel in Syrien nicht aus Region zurückziehen

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Wenige Tage nach dem Umsturz in Syrien bereist der Verteidigungsminister die Region. Er spricht mit der Regierung des Nachbarlands Irak und sagt, was er jetzt für wichtig hält.
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