Gendersternchen, ja oder nein? Manche Stadtverwaltungen in Deutschland nutzen es bereits, doch die Debatte bleibt höchst kontrovers. Nun hat die Gesellschaft für Deutsche Sprache eine Einschätzung abgegeben und sie mit Beispielen untermauert.

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Polizist*innen, Rentner*innen, Kolleg*innnen, Journalist*innen: Das Gendersternchen verbreitet sich trotz vieler Gegner immer stärker - und steht als Begriff nun auch im neuen Duden. Nun hat sich in die kontrovers geführte Debatte um geschlechtergerechte Sprache die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) eingeschaltet.

Der Kern der ausführlich begründeten Botschaft: Die Experten raten dringend von der Nutzung des Sternchens ab. Es sei weder mit den Regeln der deutschen Grammatik noch mit denen der Rechtschreibung vereinbar.

Die GfdS ist eine politisch unabhängige Vereinigung zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache. Die Experten betonen, für eine Sprache zu sein, die nicht diskriminiere. "Das sogenannte Gendersternchen stellt aber aus sprachlicher Sicht kein geeignetes Mittel dar, um dieses Anliegen umzusetzen", teilt sie mit.

Falsche Formen wie "Kolleg" entstehen

Als Beispiele nennen die Sprachexperten, dass durch das Sternchen Formen entstehen können, die grammatisch falsch sind:

  • Ärzt*in - hier entsteht eine falsche maskuline Form: "Ärzt"
  • Bauer*in - falsche feminine Form "Bauerin"
  • Kolleg*in - unvollständige maskuline Form "Kolleg"

Problematisch werde es auch, wenn Artikel oder attributive Adjektive hinzukämen, wie dieses Beispiel zeige:

  • Wir suchen einen begeisterten Teilnehmer*in für ein Interview.

Noch mehr Gendersternchen würden aber die "Lesbarkeit eines Textes erheblich" einschränken:

  • Wir suchen eine*n begeisterte*n Teilnehmer*in für ein Interview.

Sprache wird uneinheitlich

Was die GfdS auch bemängelt: Es wird nicht nur das Gendersternchen benutzt, sondern es kommen auch andere Varianten zum Zweck einer diskriminierungsfreien Sprache zum Einsatz.

Das führe zu einer uneinheitlichen Rechtschreibung. So nutze die Stadtverwaltung Lübeck etwa einen Genderdoppelpunkt:

  • Mitarbeiter:innen
  • Schüler:innen

Die Städte Hannover und Flensburg hingegen verwenden ein Gendersternchen.

Wie spricht man das Gendersternchen aus?

Den Experten zufolge ist zudem unklar, wie Bezeichnungen mit Gendersternchen eigentlich ausgesprochen werden sollen. Mit einer kurzen Sprechpause?

Dies würde nicht den Aussprachenormen entsprechen. Unter Auslassung des Sternchens als feminine Form - "Leserin"? Das wäre wiederum nicht gendergerecht, betonten die Experten.

"Für die Sprechenden und für die Zuhörerinnen und Zuhörer entstehen so Unsicherheiten." Fazit: "Die GfdS rät daher ausdrücklich davon ab, das Gendersternchen und ähnlich problematische Formen zu verwenden."

Sprache soll verständlich und lesbar bleiben

Doch was ist die Alternative? "Eine Lösung haben wir noch nicht", sagt GfdS-Geschäftsführerin Andrea-Eva Ewels. "Wir sitzen auch im Rat für deutsche Rechtschreibung, er befasst sich seit geraumer Zeit mit Möglichkeiten, die Geschlechter sichtbar zu machen."

Die bisher letzte Veröffentlichung des Rates dazu stammt vom November 2018. Dort heißt es, die Entwicklung stehe am Anfang. Und: Geschlechtergerechte Texte sollten verständlich, lesbar und vorlesbar sein.

Mit Blick auf das Gendersternchen, Genderunterstrich beziehungsweise Gendergap (Polizist_innen) oder den Genderdoppelpunkt (Polizist:innen) sagt Ewels: "Da hat sich einiges verselbstständigt. Wir haben eine normierte Rechtschreibung, die auch in der Schule gelehrt wird - da ist das nicht vorgesehen."

Die Lösung des Problems, nach der weiter gesucht werde, könnte auf mehrere Varianten zielen. Eine könnte das Partizip sein:

  • Lesende, Mitarbeitende

Duden: "Fülle an Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren"

Seit Mittwoch steht der neue Duden in den Buchläden - erstmals enthält er auch den Begriff Gendersternchen. "Wir haben das Wort aufgenommen, weil es über einen längeren Zeitraum im allgemeinen Sprachgebrauch verankert ist", sagte eine Sprecherin des Duden-Verlags am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Aber: "Es ist keine Empfehlung, das Gendersternchen zu nutzen."

Erstmals gibt es im Duden drei Seiten mit Hinweisen zu gendergerechter Sprache. Dort heißt es: "Das Deutsche bietet eine Fülle an Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren. Es gibt dafür allerdings keine Norm."

Der Duden gibt einen Überblick über verschiedene Optionen. Aufgelistet sind etwa die Doppelnennung (Kolleginnen und Kollegen) oder der Schrägstrich (Direktor/-in). Einige Schreibweisen seien nicht vom "amtlichen Regelwerk" abgedeckt; etwa der Genderstern, der Genderunterstrich, der Genderdoppelpunkt und das Binnen-I (SchülerInnen). (af)

Verwendete Quellen:

  • dpa
  • Gesellschaft für deutsche Sprache e.V.
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